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Bahn frei für Betrüger

Von Kerstin Viering

Wissen
Auch Schimpansen können an der Nase herumführen.
© Corbis/DLILLC

Auch in Tiergesellschaften geht es nicht immer ehrlich zu.


Berlin. Fußball-WM? Autoabgase? Steuererklärung? Da lässt sich doch bestimmt was drehen! Menschen sind erstaunlich kreativ darin, sich mit unlauteren Mitteln einen Vorteil zu verschaffen. Von der Alltagsschwindelei bis zum Millionen-Betrug gilt dabei jedoch die Devise: Bloß nicht erwischen lassen! Und das erfordert Grips.

Andere erfolgreich übers Ohr zu hauen, galt lange als typisch menschlich. Ein Irrtum - auch in der Tierwelt werden immer mehr Betrüger überführt. Einer davon heißt Santino und lebt im Zoo von Furuvik in Schweden. Schon vor Jahren ist der Schimpanse aufgefallen: Er sammelte Steine, brach Betonbrocken aus der Einfriedung und warf damit auf die Besucher. Schreiend, mit gesträubten Haaren rannte er auf seine Opfer zu. Diese zogen sich aber erfolgreich zurück.

Mathias Osvat von der Uni Lund und Elin Karvonen von der Primaten-Forschungsstation Furuvik haben dann beobachtet, wie das Tier die Taktik änderte. Zunächst ging Santino mit Steinen in der Hand, aber aggressionslos auf sein Publikum zu. Am Weg fischte er sogar einen Apfel aus dem Wassergraben. Umso größer war die Überraschung, als er - kaum in Wurfweite - plötzlich angriff.

Veränderte Angriffstaktik

Als Nächstes versteckte er seine Geschosse bis zum Einsatz. Er legte Heuhaufen an und füllte seine Arsenale nur auf, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Das spricht den Forschern zufolge für eine Täuschungsabsicht. Offenbar können Schimpansen nicht nur Tricks kombinieren, um ihre Opfer möglichst effektiv an der Nase herumzuführen. Sie planen ihre Betrügereien sogar im Voraus.

Auch andere Affen beherrschen Betrügereien. Forscher um Federica Amici von der Liverpool John Moores University hat die Fähigkeiten von Geoffroy-Klammer-, Hauben-Kapuziner- und Javaneraffen studiert. Bei den Tests versteckten sie Bananen oder Rosinen vor den Augen eines einzelnen Tieres. Dann ließen sie einen überlegenen Artgenossen dazu. Was dessen Anwesenheit bedeutete, war den Affen sofort klar: Wer jetzt die Futterkiste öffnete, würde nicht lange Freude am Leckerbissen haben. Also hielten sich die Tiere zurück. Erst wenn sie sich unbeobachtet glaubten, begannen Klammeraffen und Kapuziner, die Verstecke zu leeren. Die Javaneraffen aber wagten sich oft überhaupt nicht ans Futter. Das könnte an der besonders straffen Hierarchie dieser Tiere liegen. Wer sich als Javaner Frechheiten gegenüber dem Chef herausnimmt, wird sofort bestraft.

Auch Kolkraben müssen mit Konsequenzen rechnen, wenn sie Kollegen am Schnabel herumführen. Das hat das Team um Jorg Massen von der Uni Wien entdeckt. In einem Versuch mussten zwei Tiere gleichzeitig an den Enden eines Seils ziehen. Nur dann konnten sie eine Plattform mit zwei Käsestücken in ihre Reichweite bringen. Nun gibt es aber auch unter Raben gierige Abzocker. Die verschlangen neben ihrem eigenen Käse auch noch den des Helfers. Die um ihren Leckerbissen betrogenen Tiere merkten sich das und boykottierten jede weitere Kooperation. Wer andere über den Tisch ziehen will, macht sich auch im Tierreich unbeliebt.

Doch immer wieder lohnt es sich offenbar, das Risiko einzugehen, wobei scharfe Konkurrenz die Unehrlichkeit zu fördern scheint. Wie wäre es mit einem falschen Alarmruf, der vor angeblich nahenden Feinden warnt? Damit lassen sich Rivalen ablenken oder sogar zu hektischer Flucht verleiten. Diesen Trick kennen Affen ebenso gut wie einige Nager, Huftiere und Singvögel.

Männliche Leierantilopen versuchen, sich mit Falschwarnungen Vorteile bei Weibchen zu verschaffen. Sie schnauben, als sei ein Raubtier nahe, wollen aber nur anwesende Weibchen verunsichern. Die sollen ja möglichst im Revier des tricksenden Casanovas bleiben, der nun mehr Paarungsgelegenheiten hat.

Sex und Futter als Motive

Überhaupt gehört Sex neben Futter zu den stärksten Motiven für Betrüger. Da verschwinden Gorilla-Weibchen mit rangniederen Männchen zu heimlichen Rendezvous im Gebüsch. Sogar unter Tintenfischen wird gemogelt: So bei den vor der Ostküste Australiens lebenden Trauer-Sepien. Die Männchen sind gestreift, Weibchen haben ein Tarnfleck-Muster. Wie viele andere Tintenfische können sie blitzschnell Farbe und Design wechseln, um mit anderen zu kommunizieren. Wie unehrlich es da zugehen kann, haben Forscher von der Macquarie University in Sydney beobachtet.

Männliche Trauer-Sepien haben ein Problem: Sie brauchen Zeit, um Weibchen zur Paarung zu motivieren. Dabei funken oft Rivalen dazwischen. Die Tiere legen sich daher eine falsche Identität zu. Auf der einen Seite ihres Körpers zeigen sie der Umworbenen Streifen, der Konkurrenz präsentieren sie weibliche Flecken. Ist mehr als ein Rivale anwesend, verzichtet er aber auf die Fälschung- vielleicht aus Angst, enttarnt und angegriffen zu werden.

Die Trickkiste bleibt aber auch zu, wenn mehrere Weibchen anwesend sind. Offenbar wissen die Männchen dann nicht so genau, welcher potentiellen Partnerin sie ihre Schokoladenseite zuwenden sollen. Im Schummeln mögen sie gut sein. Im Sich-Entscheiden offenbar nicht.