Zum Hauptinhalt springen

"Auch Gelsen könnten Zika übertragen"

Von Eva Stanzl

Wissen

Die ägyptische Stechmücke, die das Zika-Virus derzeit vermutlich am stärksten verbreitet, ist einer der effizientesten Überlebenskünstler der Insektenwelt. Doch auch andere Moskito-Arten geben gefährliche Erreger weiter - selbst in Österreich.


Wien. Sie bohrt sich mit ihrem nadelspitzen Rüssel durch die Haut und süffelt Blut. Der Lebenssaft des Menschen zählt zu ihren Lieblingsspeisen. Daher vermehrt sie sich bevorzugt in besiedelten Gebieten, wo sie in alten Autoreifen, Dosen, Mistkübeln, Vogeltränken oder Blumentöpfen ihre Eier legt. Die ägyptische Stechmücke ist nicht größer als ein Fingernagel, aber sie kann ganze Armeen piesacken und sogar Stadtbevölkerungen dezimieren. Neben Gelbfieber und Denguefieber überträgt sie nun auch das Zika-Virus, das derzeit in Südamerika grassiert.

Der US-Tropenmediziner Peter Hotez von der Baylor-School of Medicine ging jüngst in der "Washington Post" sogar so weit, den Moskito mit dem Fachnamen Aedes aegypti als "einen der effizientesten Killer der Welt" zu bezeichnen. Die epidemische Bilanz der Vergangenheit gibt ihm recht: So musste etwa im Jahr 1890 der Bau des Panama-Kanals abgebrochen werden, weil die französischen Arbeiter und Soldaten an Gelbfieber erkrankten.

Heute leiden weltweit geschätzte 20 Millionen Menschen an Denguefieber, das in Einzelfällen tödlich verläuft. Die ägyptische Stechmücke wird außerdem für die Übertragung des Zika-Virus verantwortlich gemacht. Der Erreger löst bei Erwachsenen zumeist nur grippeähnliche Symptome aus. Bei Babys im Mutterleib soll er jedoch schwere Missbildungen des Schädels und Gehirns verursachen können. In den vergangenen Monaten sind allein in Brasilien zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Menschen an Zika erkrankt.

Wie kommt es, dass sich die Krankheit so schnell verbreitet? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) macht Aedes aegypti verantwortlich. Es sei ein "opportunistisches" Insekt, das "mit frappierender Effizienz" allerorts gedeiht. Die ägyptische Stechmücke habe eine fast unheimlich erscheinende Fähigkeit, sich an die Umwelt anzupassen und neue Chancen zu nutzen, die sich durch Reisetätigkeit und Städtewachstum ergeben. Die Weibchen - nur sie stechen - legen in mehreren Schüben je 100 bis 200 Eier nach jeder Blutmahlzeit. "Wir haben Larven sogar in Plastikbechern und Schraubverschlüssen gefunden, in Friedhofsvasen und Spülkästen von Toiletten", berichtet die WHO. Auch
Regenlacken sind beliebte Brutplätze.

"Die Mücken geben sich die Türklinken in die Hand"

Anders als heimischen Überschwemmungsgelsen ist es den Larven von Aedes aegypti egal, ob ihre Brutplätze voll mit Regenwasser oder ausgetrocknet sind. Die Eier benötigen nämlich kein Wasser, um zu überleben. Sie halten bis zu einem Jahr in einer trockenen Umgebung durch und schlüpfen, wenn es geregnet hat. "Aedes aegypti hat es geschafft, fast überall, auch in Kleinstgewässern, zu überleben. In menschlichen Siedlungen findet sie unzählige Möglichkeiten, sich festzusetzen", sagt der Ökologe und Stechmückenexperte Bernhard Seidel.

Doch nicht nur die ägyptische Mücke, sondern fast alle Moskitogruppen sind schwer umzubringen. Wenn etwa ein Bauprojekt eine Art verdrängt, machen sich bald andere Vertreter der Gattung breit. "Sie geben sich sozusagen die Türklinke in die Hand", beschreibt es Seidel.

Experten gehen davon aus, dass das Zika-Virus nicht nur von der ägyptischen Stechmücke, sondern auch von anderen Arten übertragen wird. Zu ihnen zählen die Tigermücke (Aedes alpbopictus) und die japanische Buschmücke (Aedes japonicus). Auch manche Insekten, die Malaria und Hämorrhagisches Fieber weitergeben, würden sich durchaus als Vektoren (Träger) für das Zika-Virus eignen. "Sie wären sogar wesentlich kompetenter als die Aedes-Gruppen", sagt Seidel. Nur eine Vielzahl von Überträgern würde jedenfalls erklären, warum Zika bereits mehrere Jahrzehnte überlebt und sich in Brasilien derzeit so schnell ausbreitet.

Japanische Buschmücke inzwei Jahren in Wien?

Einer der Überträger, die japanische Buschmücke, ist auch in Österreich zu Hause. Das tagaktive Insekt kann, neben Zika, auch Denguefieber, Gelbfieber, Japanenzephalitis und die Usutu-Krankheit weitergeben. Seit ihrer Einwanderung vor wenigen Jahren in Kärnten hat sie sich nach Süden Richtung Italien und gegen Norden in die Steiermark verbreitet. "In zwei Jahren könnte sie in Wien sein", warnt Seidel. Wenn infizierte Exemplare dabei sind, könnte das Zika-Virus also auch zu uns kommen.

Der Erreger könnte es allerdings sogar noch leichter haben. "Ich glaube, dass auch heimische Hausgelsen Zika weitgergeben könnten, wenn sie einen erkrankten Menschen oder ein infiziertes Tier stechen. Da bin ich mir 100-prozentig sicher", betont der Stechmücken-Experte.

Immerhin wurden bereits das gefährlichere Westnil-Virus, das zu Gehirnhautentzündung führen kann, und die Usutu-Kranheit, die 2002 ein Amselsterben in Österreich verursachte, in unseren Gelsen gefunden. "Man müsste verhindern, dass Stechmücken sich so ungezügelt verbreiten wie sie es in Österreich tun können", sagt Seidel, der Ungereimtheiten sowohl in der Zika-Krankheit als auch in der weltweiten Insektenbekämpfung sieht. Noch ist wenig über die Epidemie bekannt. Die WHO rechnet jedenfalls erst in vier bis sechs Monaten mit Klarheit über einen möglichen Zusammenhang zwischen Zika und einer Schädelfehlbildung bei Babys.