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Meister im Eierfärben

Von Kerstin Viering

Wissen
Eierfarben variieren von Weiß bis Blau-Grün.
© Fotolia/Rainer Wolf

Vögel schmücken ihre Gelege mit ganz unterschiedlichen Designs - alles zum Schutz ihrer Küken.


Berlin. Dekorative Eier? Kein Problem. Grüne und blaue Schalen, rötliche und braune, einfarbige und gefleckte - das alles bekommt die Vogelwelt ohne österliche Nachhilfe zustande. Was aber steckt hinter der Vielfalt? Welche Vorteile haben die Farben und Muster? Solche Fragen untersuchen Evolutionsforscher seit über hundert Jahren. Und sie finden immer wieder neue Antworten. Offenbar kann das Aussehen der Eier auf verschiedene Weise die Zukunftschancen der Küken beeinflussen. Da lohnt es sich, in ein ausgeklügeltes Design zu investieren. Die Farbpalette, mit der die Vögel dabei arbeiten können, ist aber sehr begrenzt. So scheinen sämtliche natürlichen Eierfarben auf gerade einmal zwei Pigmenten zu basieren: dem blau-grünen Biliverdin und dem rostbraunen Protoporphyrin.

Drei Grundtöne

In der bisher größten Eierfarb-Studie hat Daniel Hanley von der tschechischen Palacký-Uni untersucht, ob die Tiere damit tatsächlich eine solche Vielfalt von Schattierungen zustande bringen können. Sie haben bei Eiern von mehr als 600 Vogelarten analysiert, welche Wellenlängen diese reflektieren. In ein Computermodell speisten sie die Daten von drei Arten ein, die ohne Mischfarben auskommen: Wanderdrosseln setzen auf weitgehend reines Blau, Wanderfalken auf pures Braun. Eissturmvögel verzichten ganz auf Pigmente und lassen ihre Eischalen weiß.

Diese drei Grundtöne ließen sich im Computer tatsächlich zu allen Farben des Eierschalen-Spektrums zusammenmischen. Offenbar genügt das, um alle Ansprüche an ein wirkungsvolles Design zu erfüllen. Viele Arten nutzen die Pigmente, um ihrem Gelege eine Art Tarnanstrich zu verpassen. Schließlich soll der Nachwuchs nicht schon vor dem Schlüpfen im Maul von Eierdieben landen.

Gerade in Nestern, die für Plünderer gut erreichbar sind, finden sich oft unauffällige Gelege. Die cremefarbenen, braun gefleckten Kiebitz-Eier sind in einer Bodenmulde zwischen Pflanzen schlecht zu sehen. Auch andere Arten vom Rotkehlchen bis zum Kranich legen gesprenkelte Eier in Beige-, Rot und Brauntönen, deren Farben und Muster mit der Umgebung verschmelzen. Jedoch ist Tarnung nicht alles. Sonst müsste auch der Afrikanische Strauß seinen Nachwuchs in Braun hüllen. Schließlich lässt der Riesenvogel sein Gelege fast zwei Wochen lang unbetreut auf dem Savannenboden liegen, bevor er mit dem Brüten anfängt. Da haben Hyänen, Löwen und Geier beste Chancen, etwas abzustauben - zumal die Eier dank ihrer weißen Schalen auffällig sind.

Warum wählen die Vögel keine dunklere Farbe? Um das herauszufinden, hat Flora John Magige von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Uni Trondheim Straußeneier braun gefärbt und andere weiß gelassen. Erstere waren in der Vegetation der Serengeti zwar schwerer zu entdecken. Dafür heizten sie sich unter der kräftigen Tropensonne viel stärker auf. In ihrem Inneren stieg die Temperatur auf mehr als 37,5 Grad Celsius - ein Wert, der die Sterblichkeit der Embryonen ansteigen lässt. Damit ihr Nachwuchs nicht gekocht wird, müssen Strauße also offenbar helle Eier legen. Plünderer hin oder her.

Sonnenschutz für Küken

Wenn es nicht zu heiß ist, können dunklere Schalen gerade an lichtdurchfluteten Plätzen aber auch Vorteile haben. Denn ihre Pigmente wirken wie ein Sonnenschutz und verhindern, dass die Küken zu viel UV-Strahlung abbekommen. Helle Schalen lassen mehr Strahlung durch. Das ist vor allem in schummrigen Bruthöhlen wichtig. Zu wenig Licht ist für den Nachwuchs auch nicht gut und kann zu Krankheiten und Entwicklungsstörungen führen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass Spechte rein weiße Eier legen.

Einiges Rätselraten herrscht noch über die Vorteile von blauen und grünen Eiern, wie sie für Stare, Amseln und viele andere Vogelarten typisch sind. Solche Gelege finden sich häufig in offenen Nestern, in die jeder potenzielle Eierdieb hineinschauen kann. Trotzdem haben sich ihre Produzenten nicht für einen unauffälligeren Farbton entschieden. Des Rätsels Lösung könnte auch in diesem Fall ein optimaler Lichtschutz sein.

David Lahti von der City University New York und Daniel Ardia vom Franklin and Marshall College in Lancaster haben untersucht, welche Schalen wie viel Licht durchlassen und welche sich durch Wärmestrahlung besonders stark erhitzen. Ein blau-grünes Ei könnte ein Kompromiss sein: Es bietet seinem Insassen einen effektiven Sonnenschirm und erträgliche Temperaturen. Es könnte aber auch noch etwas anderes hinter den blauen und grünen Schalen stecken. Zumindest in Fällen, in denen sich auch die Männchen an der Brutpflege beteiligen. Manche Forscher vermuten, dass diese Schattierungen von den Weibchen als Werbemaßnahme eingesetzt werden. Intensive Farben könnten ein Zeichen dafür sein, dass die werdende Mutter in gutem körperlichem Zustand ist und über ein leistungsfähiges Immunsystem verfügt. Das ist für Männchen eine gute Information, weil sich die Überlebenschancen des gemeinsamen Nachwuchses verbessern. Es könnte sich lohnen, in solche "Sieger-Küken" zu investieren.

Eier-Designer

Tatsächlich scheinen das einige männliche Trauerschnäpper und Einfarb-Stare zu berücksichtigen: Je intensiver die Eierfarbe, umso stärker legen sie sich beim Füttern der Jungvögel ins Zeug. Ein ähnlicher Effekt könnte auch bei Wiedehopf-Paaren gelten. Diese exzentrischen Vögel mit der auffälligen Federhaube auf dem Kopf haben die Kunst des Eierfärbens perfektioniert. Sie verändern später aktiv das Design. Anfangs ist das Gelege blaugrau. Dann aber schmiert das Weibchen die Schalen mit braunem Sekret ein, das es in einer Drüse produziert und eigentlich zur Federpflege dient. Dadurch werden die Eier grünlich-braun.

Wozu das Ganze? Juan Soler vom Forschungsinstitut für Trockengebiete in Almería hat einen Verdacht. Er hat herausgefunden, dass in den färbenden Drüsensekreten antimikrobielle Substanzen stecken, die sehr gut gegen federzersetzende Bakterien wirken. Das Sekret könnte also die Insassen der Eier vor Krankheiten schützen, die durch die Schale übertragen werden. Und der werdende Vater könnte an der Farbe erkennen, wie stark der Schutz ist, den seine Partnerin dem Nachwuchs mitgibt. Da kann sich das Eierfärben schon lohnen. Nicht nur zu Ostern.