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Arten sterben

Von Sabine Ertl

Wissen
Ein Buckelwal bewegt sich auf dem Empire State Building in Downtown Manhattan.
© Patrick MacLeod

Oscarregisseur Louie Psihoyos macht mit dem Film "Racing Extinction" auf das Artensterben aufmerksam. Er liefert ein bedrückendes Zeitdokument.


Der Zwerghai sinkt taumelnd auf den Grund der Tiefsee. Er kann nicht mehr Schwimmen. Jemand hat ihm die Flossen abgeschnitten. Er wird dort unten sterben oder gleich aufgefressen werden. Seine Gattung steht bereits auf der "Roten Liste gefährdeter Arten" der Weltnaturschutzunion (IUCN). Vielleicht ist er der letzte seiner Art.

Artensterben ist Realität und nicht mehr nur eine Vermutung von Wissenschaftlern. Diese gehen in ihren Prognosen davon aus, dass bis zum Ende des Jahrhunderts die Hälfte der Spezies ausgestorben sein wird. Hauptverursacher ist der Mensch mit seiner Gier. Paradoxerweise ist aber auch er der einzige, der das Artensterben aufhalten kann.

Auf perfide Art tötet der Mensch nicht nur aktiv, sondern nimmt den Lebewesen nach und nach ihr natürliches Habitat und verändert durch Umweltverschmutzung die klimatischen Bedingungen derart, dass das Massensterben fast unbemerkt voranschreitet. Der weiße Tod, die Korallenbleiche, ausgelöst durch steigende Wassertemperaturen am Great Barrier Reef in Australien, scheint mittlerweile unausweichlich. Warnsignale von Experten verpuffen ins Leere. Was kann der einzelne schon dagegen tun?

Genau darum geht es im Film "Racing Extinction". Zwar schon im Jahr 2015 gedreht und für einen Oscar nominiert, tourt der Film noch immer um die Welt. Die Betroffenheit jener, die ihn sich auf YouTube oder im Kino anschauen, ist groß. Doch diese nützt nichts, es gilt Handlungen zu setzen.

Tatort: Weltweit

Hinter dem Film steht die US-amerikanische Umweltschutzorganisation "Oceanic Preservation Society (OPS)". Er ist wie eine Doku gedreht, fällt aber in das Genre "Thriller". Ein Plot greift in den nächsten und erzeugt Gänsehaut. Genau das beabsichtigte Louie Psihoyos schon mit dem preisgekrönten Film "The Cove". Wurde in "The Cove" sehr blutig vor Augen geführt, wie brutal tausende von Delfinen, hauptsächlich Große Tümmler in einer kleinen Bucht in Japan geschlachtet werden, zeigt "Racing Extinction", dass der Mord an Tieren tatsächlich den gesamten Globus umspannt. Psihoyos schart ein Vorzeigeteam aus Künstlern und Aktivisten – unter ihnen Elon Musk und Jane Goodall - um sich, um in getarnten Aktionen jene Scheußlichkeit der bewussten und rasanten Massenausrottung von Spezies medial publik zu machen. Die Verbrecher werden jedoch selten überführt.

So geht es beispielsweise um den Genuss von Walfleisch in einem noblen Restaurant in Santa Monica. Als Gäste agierende Undercover-Agenten ordern eine ordentliche Portion zum stolzen Preis von 600 US-Dollar, nehmen aber Testproben davon mit, um sie anschließend zu analysieren. Es muss eindeutig festgestellt werden, dass es sich um eine selten gewordene und vom Aussterben bedrohte Walart handelt. Die Medien bekommen Wind davon und schlussendlich gelingt es mit der Aktion eines einzelnen, dass dieser in schlechtes Licht geratene Gourmettempel schließen muss. Wie schafft er das? Er platziert vor dem Lokal eine Leinwand auf der man sieht, wie sich Wale in ihrer gigantischen Schönheit in ihrem natürlichen Lebensraum bewegen.

Haie, Mantas und der kleine Spatz

Eine andere Reise führt nach China. Dort ist man bestrebt, jedes Stück eines Hais zu Geld zu machen. Man sieht ein Gelände, wo tonnenweise Haiflossen zum Trocknen ausgebreitet liegen. Die Nachfrage ist groß und steigt weiter, denn der Hai selbst ist noch immer ein wesentlicher Bestandteil in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Man verspricht sich, durch den Verzehr, die eigene Gesundheit zu optimieren. Ähnlich sieht es aus bei der Jagd auf den Manta, einer Fischgattung aus der Familie der Adlerrochen. Dieser wird in Indonesien geschlachtet und für gutes Geld nach China exportiert. Mit dem Konsum von Mantafleisch soll die eigene Blutzirkulation angekurbelt werden. Schließlich geht es aber nicht nur um spektakuläre Ausrottung von Mantas und Haie. Denn was ist mit dem kleinen unscheinbaren Haussperling, der ebenfalls auf der "Roten Liste" steht. Psihoyos stellt Forschergruppen vor, die etwa von dem kleinen brauen Spatz ein Foto anfertigen, damit die nächsten Generationen eine Ahnung davon haben, wie er ausgesehen hat.

Die Kamera als Waffe

Psihoyos verwendet seine Kamera als Waffe, fängt Bedrohungsszenarien ein und versucht die Bilder der verbleibenden Biodiversität und des Artenreichtums in unsere Köpfe zu projizieren. Direkt macht er das mit Kunstinstallationen auf riesige Bürotürme in aller Welt. Und lässt die Menschen staunen. Seine Forderung: Noch kann jeder einzelne eine Handlung setzen: Den Konsumdrang reduzieren, die ignorante Wertschätzung gegenüber der Tierwelt zügeln und vielleicht einmal doch lieber zu Fuß gehen als Autofahren oder einen fleischlosen Tag in der Woche einlegen. Denn es ist bekannt, dass Rinder so genannte Klima-Killer sind. Sie produzieren bei der Verdauung das Treibhausgas Methan. Das heizt das Klima 25 Mal stärker auf als CO2. Die Möglichkeiten sind also endlos. Psihoyos würde meinen: Eine Sache für den Anfang reicht.

"Racing Extinctions" wird heute im Rahmen des Ciné-ONU-Reihe im Topkino bei freiem Eintritt gezeigt. Im Anschluss findet eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion unter der Leitung von UNIS-Chef Martin Nesirky statt.

#StartWith1Thing

<span lang="EN-US">March for Species Racing Extinction
<span lang="EN-US">Oceanic Preservation Society
<span lang="EN-US">Rote Liste gefährdeter Arten - ICUN