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Schnüffler im Naturschutz

Von Roland Knauer

Wissen
Labrador-Hündin Maple erschnüffelt Luchse, Wildkatzen und Wölfe.
© Senckenberg-Institut/Lisa Hanke

Ein Suchhund entdeckt für Forscher die Hinterlassenschaften seltener Arten.


Berlin. Mit ihrer rabenschwarzen Schnauze hilft Maple dem Artenschutz auf die Sprünge: Gibt es in den Wäldern, auf den Feldern und in den Gewässern doch einige streng geschützte Arten wie Luchse, Wildkatzen und Wölfe, oder auch Fischotter und Feldhamster, von denen Behörden und Verbände nur zu gern die Einwohnerzahl auf vier Pfoten wüssten? Allerdings leben diese Tiere so klammheimlich, dass kaum jemand von ihrer Existenz erfährt. Selbst Forscher können ihre Anzahl nur mit aufwendigen Methoden schätzen, die oft genug auch noch recht ungenaue Ergebnisse liefern.

Jede Hilfe ist in solchen Situationen willkommen. Vor allem, wenn sie auf vier Pfoten kommt. Schließlich hat eine Labrador-Hündin wie Maple eine viel feinere Nase als ihre Herrin Laura Hollerbach vom Fachgebiet Naturschutzgenetik des Senckenberg-Instituts bei Frankfurt. Damit wiederum erschnuppert der Vierbeiner die Hinterlassenschaften eines Luchses oder anderer seltener Arten besser, als ein Mensch sie mit den ausgetüftelten Methoden der modernen Naturwissenschaften entdecken kann.

Ausbildung ein Leben lang

Anschließend muss Hollerbach die Losung oder die Haare der großen Katze nur noch einsammeln und für eine Erbgut-Analyse ins Institut bringen. Je mehr solcher Proben die Forscher in die Finger bekommen, umso mehr erfahren sie meist über diese Art. Nur ist Deutschland mit Blick auf solche Suchhunde noch Entwicklungsland. Die feine Nase von Labrador-Hündin Maple markiert daher einen Quantensprung nicht nur für die Senckenberg-Forscher, sondern auch für Behörden, die regelmäßig melden müssen, wie viele Luchse, Wildkatzen, Wölfe, Fischotter und Feldhamster in ihrem Zuständigkeitsbereich leben.

Allerdings braucht die Ausbildung eines Profis wie Maple zum ersten deutschen Vollzeit-Artenschützer auf vier Beinen und in freier Wildbahn schon seine Zeit. "Und sie dauert ein ganzes Hundeleben lang", erklärt Hollerbach. Angefangen hat das Lernen bereits mit der Geburt als Nesthäkchen mit neun Geschwistern. Nur wer seine Interessen durchsetzen kann, kommt bei so viel Konkurrenz als Jüngste gut über die Runden - und packt vermutlich auch im späteren Leben seinen Job mit viel Elan an.

Solche Überlegungen spielten eine Rolle, als die Forscherin das acht Wochen alte Nesthäkchen als vierbeinigen Partner für Beruf und Privatleben auswählte. Kaum haben sich Zwei- und Vierbeiner aneinander gewöhnt, beginnt auch schon die Ausbildung für Maple. Allerdings recht spielerisch und erst einmal eher einen Kindergarten als eine Schule als Vorbild nehmend. Irgendwo in einem Raum legt Hollerbach die Losung eines Luchses aus. Über kurz oder lang entdeckt Maple den Kot und schnuppert neugierig daran. In diesem Moment hört der Hund ein Klicken, das er nur zu gut kennt: Sobald seine Chefin dieses Geräusch mit einer kleinen Metall-Apparatur erzeugt, gibt es einen Leckerbissen für das Tier. Und tatsächlich zaubert die Forscherin kurz danach ein Leckerli aus der Tasche.

Lektionen am Lehrplan

An den folgenden Tagen taucht die Luchs-Losung dann an einem anderen Platz im Zimmer auf, später an noch einem anderen und schließlich auch ein wenig versteckt. Jedes Mal, wenn Maple den Kot erschnüffelt, klickt Laura Hollerbach und der Hund weiß, dass er gleich mit einem Leckerli belohnt wird. Spielerisch lernt das Tier mit dieser "Konditionierung", dass seine Besitzerin es belohnt, sobald ihm der Duft von Luchs-Kot in die Schnauze steigt. Und bald zeigt Maple ihrem Boss eifrig jeden Kot von Luchsen, der ihre Riechnerven kitzelt.

"Bei dieser Konditionierung kann man allerdings viele Fehler machen", erklärt Hollerbach die Haken dieser Methode. So riechen die Hinterlassenschaften eines Luchses anders, wenn das Tier anstelle der typischen Beute Reh zum Beispiel Rindfleisch gefressen hat. In Zoos kommt das häufiger vor und von dort holt die Forscherin den Kot normalerweise.

Um zu vermeiden, dass Maple nur die Hinterlassenschaft von Luchsen meldet, die das für diese Art in der Natur völlig unübliche Rindfleisch auf dem Speiseplan hatten, bringt Laura Hollerbach daher möglichst viel Abwechslung in die Schnüffelproben für Maple. Dazu gehört etwa auch Kot von Tieren verschiedenen Alters und Geschlechts, dessen Geruch sich in der Nase eines Hundes ebenfalls deutlich unterscheidet.

Obendrein stehen noch einige weitere Lektionen auf Maples Lehrplan. So gehören Labrador-Hunde zu den Retrievern, die darauf gezüchtet wurden, von einem Jäger geschossene Enten und andere Wasservögel zu ihrem Besitzer zu bringen. Nur würde die Losung eines Luchses kaum einen Transport in der Hundeschnauze überleben. Und vor allem wollen die Forscher ja das Erbgut des Luchses analysieren, dessen Qualität durch einen Kontakt mit Hundespeichel in Mitleidenschaft gezogen werden dürfte.

Große Zeitersparnis

Also lernt Maple, von einer entdeckten Hinterlassenschaft Abstand zu halten und ihre Chefin zum Fund zu führen. Und das nicht nur für die Losung von Luchsen, sondern auch von Wildkatzen und Wölfen. In Zukunft könnte Maple auch noch lernen, Arten wie Feldhamster und Fischotter zu erschnuppern. Nach etlichen Testläufen in den Wäldern in der Nähe von Gelnhausen hat Maple dann noch vor ihrem ersten Geburtstag eine Art Abschlussprüfung mit Auszeichnung hervorragend gemeistert: Im Nationalpark Bayerischer Wald hat sie gemeinsam mit einem weiteren Suchhund in wenigen Wochen nicht nur 50 Losungen von gleich neun verschiedenen Luchsen aufgestöbert, sondern Laura Hollerbach auch noch zu den Hinterlassenschaften von Wildkatzen und Wölfen geführt.

"Ohne Suchhund hätte man dafür erheblich länger gebraucht und das auch noch mit einer schlechteren Trefferquote", ist die Forscherin überzeugt. Von diesem Artenschutzteam aus Hund und Mensch wird man in Zukunft daher wohl noch einiges.