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Die endliche Ressource

Von Alexandra Grass

Sand
Der Sand rieselt uns im wahrsten Sinne des Wortes durch die Finger.
© Fotolia

Forscher warnen vor einer Sandkrise und den Folgen des Raubbaus an den Küsten.


Leipzig/Wien. Was gibt es nicht alles wie Sand am Meer? Für den Sand selbst scheint diese Redewendung allerdings bald nicht mehr zuzutreffen. Denn diese wichtige Ressource für die Baubranche, die Produktion von Halbleitern oder Solarzellen und andere Technologien dürfte in Zukunft rar werden. Forscher warnen im Fachblatt "Science" gar vor einer globalen Sandkrise. Diese Entwicklung bringe zudem schwerwiegende ökologische und politische Folgen mit sich.

Dies ist kaum zu glauben, erstreckt sich doch das rieselnde Etwas über den ganzen Globus. Ob am idyllischen Strand oder den schier endlosen Wüsten dieser Erde wirkt er wie eine auf alle Zeit bestehende Ressource. Mitnichten, denn "Sand und Kies machen den größten Anteil aller weltweit geförderten Materalien aus - noch vor fossilen Brennstoffen und Biomasse", erklärt Studienautorin Aurora Torres vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Halle.

Für jedermann zugänglich

Sein Abbau ist einfach und billig und lässt sich nur schwer reglementieren. Denn Sand gilt in den allermeisten Regionen als sogenanntes Allmendegut - als Ressource, zu der jeder Mensch Zugang hat. Der stetig zunehmende Städtebau und die fortschreitende Expansion des urbanen Lebens mit all seinen Technologien sind Hauptgründe für den steigenden Bedarf, schreiben die Forscher in ihrer Publikation. Neben Luft und Wasser ist Sand die meistgenutzte natürliche Ressource der Erde. Von den jährlich abgebauten 47 bis 59 Milliarden Tonnen an Erzen, Salzen, Kohlen sowie Steinen und Erden stellen Sande Experten zufolge zwischen 68 und 85 Prozent dar.

Der Nachschub wird allerdings immer knapper, denn er ist keine besonders schnell nachwachsende Ressource. Der Sand, den wir heute in der Wüste oder am Strand antreffen, ist während Millionen von Jahren entstanden.

Doch nicht jedes Korn ist verwertbar. Denn für die Bauindustrie sind nur Quarzsande oder solche mit ganz bestimmten Eigenschaften geeignet. Diese finden sich hauptsächlich an den Küsten, in den Flussbetten oder auf dem Meeresgrund. Wüsten verfügen zwar über relativ viel Sand, allerdings hat dieser nicht die Eigenschaften, die ein gutes Baumaterial ausmachen. Die feinen Sandkörner aus der Wüste sind durch die ständigen Winde zu rund und zu glatt geschliffen. Dadurch verkeilen sie sich nicht und finden damit keinen Halt - auch in Beton nicht.

Viele Vorkommen sind bereits ausgebeutet, so die Forscher. Zudem tragen die Besiedelung an den Küsten, der ansteigende Meeresspiegel und die zunehmende Erosion stark zum Verschwinden der Sandvorkommen bei. Ebenso lässt der Nachschub aus den Flüssen immer stärker nach. Grund sind etwa die vielen im Laufe der Zeit errichteten Staudämme zur Stromerzeugung. Ihretwegen bleibt der Sand auf dem Weg zum Meer regelrecht liegen. Pro Jahr transportieren die Flüsse der Welt dem deutschen Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung zufolge etwa 13 Milliarden Tonnen Sand. Doch davon erreichen nur noch rund 20 Prozent die Ozeane.

Folgen für Mensch und Umwelt

Die Folgen spüren Mensch und Umwelt vor allem in den Sandabbaugebieten. In Küstengebieten Südostasiens kommt es schon heute zu einem Grundwassermangel und zu Bodenabsenkungen, skizzieren die Wissenschafter in ihrer Studie. In der Folge dringt das Meerwasser immer weiter ins Landesinnere vor und versalzt die dortigen Wasservorkommen und Ackerflächen.

Der Abbau von Sand sei auch ein häufiger Grund für die Abtragung von Ufern und Küsten, wodurch solche Gebiete für Naturkatastrophen wie Hochwasser, Sturmfluten oder Tsunamis anfälliger werden, erklärt die Biodiversitätsforscherin. In Sri Lanka führte dieser exzessive Raubbau im Jahr 2004 zu einer Verschlimmerung der Auswirkungen des Tsunamis.

Politische Konflikte sind durch die Ressourcenknappheit und hohen Profite ebenso vorprogrammiert. "In Indien gilt die Sand-Mafia schon jetzt als eine der mächtigsten und gewalttätigsten Gruppen des organisierten Verbrechens. Hunderte von Menschen sind bereits in Sandkriegen getötet worden", erklärt Torres.

Die Forscher sehen daher einen dringenden Bedarf für eine globale Steuerung der Sandnutzung.