Jakarta/Zürich/Wien. (dpa/est) Auf der indonesischen Insel Sumatra hat ein internationales Forschungsteam eine neue Orang-Utan-Art ausfindig gemacht. Nach jahrelangen Untersuchungen kamen die Wissenschafter zu dem Schluss, dass es sich bei der Gruppe von etwa 800 Menschenaffen um eine eigenständige Art handelt. "Es gibt somit nicht zwei, sondern drei Arten von Orang-Utans", sagt Michael Krützen, Professor für Anthropologie und Evolutionsbiologie an der Universität Zürich, in einem Video zu den im Fachjournal "Current Biology" veröffentlichten Erkenntnissen: "Man findet nicht jeden Tag eine neue Art von Menschenaffen. Diese Entdeckung ist sehr aufregend", so Krützen.
Die Forscher benannten den Tapanuli-Orang-Utan (Pongo tapanuliensis) nach dem dortigen Waldgebiet südlich des Toba-Sees im Norden von Sumatra. Die Art lebt isoliert im Hochland und gilt wegen ihres geringen Bestands als extrem gefährdet.
Das Wort Orang-Utan bedeutet "Waldmensch". Er gehört zu den nächsten Verwandten des Menschen. Männchen werden zwischen 50 und 90 Kilogramm schwer, Weibchen wiegen etwa die Hälfte. Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet reichte von China über Thailand und Vietnam bis nach Java. In all diesen Gegenden leben heute keine der Tiere mehr.
Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass nur noch zwei Arten existieren: eine auf Sumatra und eine auf der Nachbarinsel Borneo, also der Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii) und der Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus). Allerdings war bereits bekannt, dass sich einige Orang-Utans auf Sumatra genetisch stark voneinander unterscheiden. Bisher wurden jedoch nur zwei unterschiedliche Arten benannt.
Der Durchbruch kam nach Angaben der Wissenschafter nun durch die Analyse des 2013 gefundenen Skelettes eines Tapanuli-Orang-Utans, der von Menschen getötet wurde. Beim Vergleich zu jenen Orang-Utans, die nördlich des Tobasees leben, fanden sich große Unterschiede in der Morphologie des Schädels und der Zähne. "Diese Entdeckung war der letzte Stein im Puzzle, der die Vermutung stärkte, dass es sich um eine dritte Art handeln könnte", sagt Krützen.
Nur 800 Individuen einer
stark gefährdeten Art
Die Forscher analysierten daraufhin die Genome von 37 Orang-Utans. Tatsächlich bestätigte sich, dass nicht zwei, sondern drei Evolutionslinien von Menschenaffen unabhängig von einander entstanden sind, und dass der Tapanuli-Orang-Utan eine neue Art darstellt.
Orang-Utans kamen vor mehr als drei Millionen Jahren aus dem asiatischen Festland nach Sumatra. Sowohl die neuen Tapanuli-Orang-Utans aus der Region südlich des Tobasees als auch ihre nördlich lebenden Verwandten sind direkte Nachfahren dieser ersten Tiere, die sich auf der indonesischen Insel niederließen.
Anders als andere Menschenaffen in der Sumatra leben Tapanuli-Orang-Utans nicht im Sumpfland, sondern im dichten Regenwald des Hochlands. "Vielleicht, weil sie so schwer zu beobachten sind, wurde diese Population lange vergessen. Es gab erste Berichte in den 1930er Jahren, und dann kam lange nichts. Erst 1997 wurden diese Menschenaffen wiederentdeckt", erklärt Krützen.
Das Forscherteam warnte zugleich vor einem drohenden Aussterben der Tapanuli-Orang-Utans. Sie seien vor allem durch Jagd und durch den geplanten Bau von Staudämmen gefährdet, die große Teile ihres Lebensraums zerstören würden. Bereits bei einer Sterblichkeitsrate von einem Prozent pro Jahr wäre ihr Überleben nicht mehr gesichert. "Würden nur acht von 800 Tieren pro Jahr getötet oder auf andere Weise von der Population entfernt, würde die Art aussterben", heißt es in dem Bericht.