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"Die letzten ihrer Art"

Von Eva Stanzl

Artenschutz
105 Tonnen Stoßzähne wurden bei dieser Razzia in Kenia am 28. April 2016 beschlagnahmt. Hier hält ein Vertreter des Stammes der Maasai einen der Zähne, die aufgetürmt sind, um als abschreckende Maßnahme verbrannt zu werden.
© reu/Thomas Mukoya

Experte warnt: "Illegaler Handel mit geschützten Tieren und Pflanzen ist die dringendste Bedrohung für die Artenvielfalt."


Streng verboten, illegal: Tausende gefährdete Tierarten werden getötet, damit ihre Zähne, Knochen und Felle für teures Geld verkauft werden können. Das Washingtoner Artenschutzabkommen (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, kurz: Cites) regelt den Handel mit Elfenbein, Kaviar, Holz oder präparierten Tieren. Seine 182 Mitgliedsstaaten haben sich dem Schutz von 36.000 Tier- und Pflanzenarten verpflichtet. Generalsekretär John Scanlon besuchte diese Woche die UN-Konferenz gegen Korruption in Wien. Am Rande der Tagung gab der oberste Artenschützer Einblick in den Kampf gegen Wilderei und Schmuggel.

"Wiener Zeitung":Wilderer haben 2016 in Afrika weniger Elefanten getötet als im Jahr davor. Gibt es weitere Fortschritte?

John Scanlon: Seit 2012 sinken die Zahlen stetig. Dennoch existiert nach wie vor ein beunruhigendes Ausmaß an Korruption. Hier in Wien haben wir Anti-Korruptionsagenturen mit Politikern zusammengebracht, um die Umsetzung der Allgemeinen Resolution zum Wildtierhandel zu prüfen. Diese haben wir bei der UN-Konvention in Johannesburg 2016 gefasst. Ihr zufolge dürfen manche Produkte aus Flora und Fauna gehandelt werden, andere nicht. Für wieder andere bedarf es spezieller Genehmigungen.

Der Handel mit Elfenbein ist streng verboten. Dennoch müssen Elefanten selbst heute wegen ihrer Stoßzähne das Leben lassen. Warum?

Kommerzieller Handel mit Elfenbein, Nashörnern, Gorillas, Meeresschildkröten und Großkatzen ist absolut untersagt. Internationale kriminelle Banden umgehen diese Verbote aber und betreiben eine Industrie des illegalen Handels. Das bescherte uns zwischen 2010 und 2012 akute Anstiege: Allein in diesen drei Jahren wurden 100.000 afrikanische Elefanten bloß wegen ihrer Zähne abgeschlachtet. Die Banden rekrutieren Wilderer und destabilisieren örtliche Gemeinschaften, indem sie die Wilderer bewaffnen. Sie bestechen Grenzbeamten und Behörden und umgehen alle Gesetze, um das Elfenbein im Ausland zu verkaufen. Die lokalen Gemeinschaften haben nichts davon.

Was tut Ihre Organisation dagegen?

Das Washingtoner Artenschutzabkommen (Cites) ist die zentrale Behörde zur Verhinderung des illegalen Handels. Dazu arbeiten wir eng mit den Vereinten Nationen, Interpol und der Weltbank zusammen und haben ein eigenes Konsortium gegründet. Nachdem die Wilderei bei Afrikanischen Elefanten 2011 einen Höhepunkt erreicht hatte, gehen die Zahlen beständig bergab. Zollbeamte beschlagnahmen immer mehr illegales Elfenbein - in Nordkenia ist die Wilderei sogar um 70 Prozent weniger geworden. Dennoch sterben immer noch zehntausende Dickhäuter in Afrika. Allein im Vorjahr haben wir 1300 Nashörner und 25.000 Elefanten verloren.

Wer verkauft das Elfenbein?

Elfenbein, das vor 1975 eingeführt wurde, darf gehandelt werden. Jedoch wird eine beträchtliche Anzahl an legalen Verkaufsstellen dazu missbraucht, um illegales, neu gewonnenes Elfenbein weißzuwaschen: Die Verkäufer machen Falschangaben zum Alter der Ware. Glücklicherweise wird die Forensik zunehmend besser darin, Alter und Herkunft dieses Materials zu bestimmen. China, der weltgrößte Markt, hat heuer nach dem Vorbild der USA den Elfenbeinhandel komplett verboten, wodurch die Preise um die Hälfte gesunken sind. Das hilft sehr, aber natürlich gibt es immer noch den Schwarzmarkt.

Welche anderen Tiere und Pflanzen werden geschmuggelt?

Die meiste mediale Aufmerksamkeit erhalten große, charismatische Tiere - also Tiger, Schneeleoparden und andere Großkatzen, die wegen ihren Knochen und Felle getötet werden. Der World Wildlife Prime Report 2016 listet insgesamt 7000 Arten, mit denen absolut unerlaubt gehandelt wird. Neben Elefant und Nashorn stehen da das Schuppentier wegen seiner schuppigen Haut und seines Fleisches und hunderte Ozeanbewohner, wie Mantas oder Haie. Auch eine Vielzahl an Holzarten ist gelistet. Rosenholz etwa hat den volumensmäßig größten Anteil am Schmuggel aus Flora und Fauna. Adlerholz ist das wertvollste illegal gehandelte Naturprodukt und Spitzenreiter beim Gewicht. Darin lebt ein Pilz, der sich zu Parfums und Duftstoffen verarbeiten lässt. Reptilien und Affen gehen in den illegalen Haustierhandel, exotische Pflanzen in die Zucht.

Welche ist die größte Gefahr für die Artenvielfalt?

Der illegale Handel mit Wildtieren und Wildpflanzen ist die unmittelbarste, dringendste Gefahr für die Artenvielfalt. Es gibt auch noch andere Bedrohungen - etwa der Verlust von Lebensraum oder der Plastikmüll in den Weltmeeren. Auch die Erderwärmung durch den Klimawandel gefährdet Arten weltweit. Aber sie liegt zeitlich weiter entfernt. Wir müssen uns anschauen, was gerade jetzt passiert, denn heute schaffen wir die Zukunft. Wenn wir den illegalen Handel mit geschützten Arten jetzt nicht stoppen, dann wird es in Zukunft keine Tiere mehr geben, die der Erderwärmung zum Opfer fallen können. Darauf müssen wir uns konzentrieren.

Warum widmen Sie sich als internationaler Anwalt dem Artenschutz?

Für mich ist Cites eines der besten Instrumente dafür. Zuvor wurde es nicht effektiv genug genutzt. In den letzten sieben Jahren hatten wir aber Erfolg, weil wir uns auf internationale Zusammenarbeit konzentrieren.

Themenwechsel: Ohne weiteres Gegensteuern wird der Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 über dem Niveau liegen, mit dem man den Klimawandel eindämmen könnte, berichtet die UNO zur derzeit laufenden Weltklimakonferenz in Bonn. Beim Klimaschutz erreicht die internationale Gemeinschaft also zu wenig. Welche Hebel betätigen Sie, um sich international durchzusetzen?

Wir sind eine Organisation mit klarem Fokus. Unser Ziel ist Artenschutz durch Durchsetzen von Restriktionen und Verboten bei illegalem Handel. Wir konzentrieren uns auf die Fortschritte in einzelnen Ländern, indem wir die Menschen, die dort leben, erreichen. Klimagipfel sind viel breiter definiert. Sie sind auf gesamte ökonomische Systeme und deren gesamte Energieversorgung ausgerichtet, daher schwieriger auf den Boden zu bringen.

Wie viel Geld steht Ihnen zur Verfügung?

Wir sind ein kleines Sekretariat und das soll auch so sein. Ob etwas funktioniert, hängt nämlich nicht nur vom Budget ab, sondern auch davon, wie man es einsetzt. Wir arbeiten daran, dass jeder etwas beiträgt: Jüngst haben Transportwesen und Tourismusindustrie sogar ihre eigenen Kunden und Partner dazu gebracht, Handlungen zu setzen, die uns helfen. Es muss schwerer werden für Schmuggler, durchzukommen.

John E. Scanlon, geboren 1961 in Australien, ist seit Mai 2010 Generalsekretär des Washingtoner Artenschutzabkommens Cites. Seine Karriere startete Scanlon als Anwalt und Partner einer international tätigen Kanzlei in der australischen Stadt Adelaide. Danach leitete er im Umweltministerium in Canberra die Sektion für Umwelt, Kulturerbe und Minderheiten, bevor er als leitender Stratege in das Umweltprogramm der
Vereinten Nationen wechselte.

Mehr zum Thema Artenschutz in unserem Dossier.