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Die Kraft von Echinacea purpurea

Von Alexandra Grass

Wissen
Der Rote Sonnenhut erfreut nicht nur Gärtner, sondern auch Mediziner.
© Fotolia/PhotoElite

Laut Studie lässt sich mit Rotem Sonnenhut der Einsatz von Antibiotika um mehr als zwei Drittel reduzieren.


Zürich/Roggwil. Echinacea purpurea, der Rote Sonnenhut, war ursprünglich eine der wichtigsten Heilpflanzen der Prärie-Indianer Nordamerikas. Zur Anwendung kam der Saft oder der Brei aus zerstoßenem Kraut und Wurzelstücken. Heute kommt der Pflanze vor allem in der Behandlung von Infekten eine besondere Bedeutung zu. Neueste Studien zeigen, dass Echinacea Atemwegsinfektionen und damit verbundene Komplikationen bei Kindern stark vermindern und den Bedarf an Antibiotika gar um fast 73 Prozent reduzieren kann, wie Experten im Rahmen der Echinacea Scientific Conference 2018 jüngst in Zürich erklärten.

"Sechs bis acht Atemwegsinfektionen in Verbindung mit einer Komplikationsrate von 30 Prozent führen im Durchschnitt zu ein bis zwei Antibiotika-Rezepten pro Kind und Jahr", skizzierte die Schweizer Kinderärztin Mercedes Ogal bei der Konferenz die aktuelle Vorgehensweise bei Verschreibungen. Sie hatte zwischen 2016 und 2017 gemeinsam mit Kollegen eine klinische Studie mit 203 Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren begleitet. Dabei erhielt ein Teil der Kinder über einen Zeitraum von vier Monaten täglich ein Echinacea-Präparat, der andere Teil als Kontrollgruppe Vitamin C.

Gefahr von Resistenzen

Bei 90 Prozent der mit Rotem Sonnenhut behandelten Kinder wurde eine signifikant höhere Immunabwehr festgestellt, heißt es in der Studie. Dies reduzierte die Zahl der Atemwegsinfektionen um 32,5 Prozent und die Zahl der Fiebertage bei Erkrankten um 67,3 Prozent. In der Echinacea-Gruppe wurden zudem knapp 64 Prozent weniger Komplikationen festgestellt, die zumeist zu Lungenentzündungen, Sinusitis oder Bronchitis führen. In Summe führte dies zu wesentlich selteneren Antibiotikagaben.

Das macht grundsätzlich Sinn, denn der nach wie vor großzügig betriebene Einsatz von Antibiotika trägt zu einer Zunahme multiresistenter Keime bei. Die wichtigste Waffe im Kampf gegen Bakterien wird damit immer schwächer. Bei Viren sind die Keulen im Übrigen, da wirkungslos, gar nicht angebracht. Dennoch werden Antibiotika häufig auch verabreicht, um bei Infekten das Risiko, an einer bakteriellen Subinfektion zu erkranken, zu senken. Also vorbeugend. Selbst die Weltgesundheitsorganisation "WHO) warnt davor und fordert explizit die Reduktion des Antibiotika-Einsatzes.

"Echinacea wird keine Antibiotika ersetzen, die eine enorm wichtige Substanzklasse für die akute Behandlung lebensbedrohlicher Krankheiten darstellen", erklärte Andy Suter, Leiter Forschung und Entwicklung der A. Vogel Bioforce AG, auf deren Einladung die "Wiener Zeitung" zu der Konferenz gereist war. "Aber mit Echinacea können wir dieses wertvolle Medikament in Zukunft vielleicht seltener und gezielter einsetzen".

Pflanzliche Arzneimittel

Echinacea-Präparate sind zumeist als pflanzliche Arzneimittel zugelassen und unterliegen damit denselben Herstellungsanforderungen wie herkömmliche schulmedizinische Substanzen. Eine Registrierung als "traditionelle pflanzliche Arzneimittelspezialitäten" wird nur anerkannt, wenn die traditionelle Verwendung, die Unbedenklichkeit und Plausibilität der Wirksamkeit ausreichend belegt sind. Laut österreichischem Arzneimittelgesetz müssen solche Phytotherapeutika mindestens 30 Jahre im selben Anwendungsgebiet erfolgreich in Verwendung sein. Davon mindestens 15 Jahre innerhalb der EU.

Der rote Sonnenhut und seine medizinische Verwendung wurden bereits im Jahr 1737 von John Clayton in seinem "Catalogue of Plants, Fruits and Trees Vative to Virginia" beschrieben. In Europa hat Echinacea erst ab 1897 Beachtung gefunden. Der britische Homöopath John Henry Clarke beschrieb 1900 die klinischen Erfolge ausführlich in seinem in London veröffentlichten "Dictionary of Practical Materia Medica".

Besonderes Augenmerk auf die Pflanze legte in Europa der Schweizer Heilpraktiker Alfred Vogel. Er war Anfang der 1950er Jahre anlässlich einer Reise durch die USA auf Echinacea purpurea gestoßen. Der Oglala-Lakota-Häuptling Black Elk hatte ihn in die Heilkunst seines Stammes eingeführt und ihm Echinacea-Samen geschenkt. Die heutigen Arzneien des Unternehmens werden aus den Nachkommen dieser Ursprungssamen gewonnen. 80 Tonnen Pflanzen sind es jährlich, die nicht nur in der Region angebaut, sondern auch am Firmenstandort in Roggwil verarbeitet werden.

Die Wirkungsweise

Dazu werden die Pflanzen gehäckselt und in Alkohol mazeriert, um alle löslichen Bestandteile gewinnen zu können. Echinacea purpurea enthält mehr als ein Dutzend ätherische Öle, Alkaloide, Alkylamide, Flavonoide, Cichoriensäure, Polyacetylene, Polysaccharide und weitere noch nicht vollständig analysierte Substanzen. In jeder Pflanze befinden sich wasserlösliche und alkohollösliche Bestandteile. Die alkohollöslichen Komponenten sind medizinisch gesehen die wichtigsten, denn sie sind es, die das Immunsystem stimulieren.

Echinacea greift zwar Viren nicht direkt an, verhindert jedoch das Eindringen in gesunde Zellen, erklärt der Pharmakologe Rudolf Bauer von der Karl-Franzens-Universität Graz. Nachgewiesen ist auch, dass die weißen Blutkörperchen sowie die Aktivität der Fresszellen im Blut einige Stunden nach Einnahme von Echinacea zunehmen. Die Pflanzenoberteile wie Blüte, Stängel und Blätter, wirken antiviral, die Wurzel antibakteriell.