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Es grünt so grün

Von Alexandra Grass

Wissen
© TeamDaf - stock.adobe.com

Rasen sind klimaschädlich: Mähen, Düngen und Bewässern beeinflussen die Energiebilanz.


Perth/Uppsala/Wien. Saftig grüne Rasenflächen sind ein globales Phänomen. Praktisch über den ganzen Erdball verstreut, sind sie vorwiegend in Städten und deren Umland zu finden. Die feinen Grashalme sprießen in den Vorgärten ebenso wie in Parkanlagen oder auf Fußballplätzen. Städter sind stolz auf ihre grünen, meist kurz gemähten Fleckchen vor dem Gemeindebau oder dem Einfamilienhaus. Der Rasen ermöglicht die Natur unmittelbar vor der urbanen Haustüre.

In Schweden sind gar 52 Prozent der Grünflächen gemähtes Gras. In den USA bedecken Rasen 1,9 Prozent der Gesamtfläche. Diese Daten hochgerechnet, werden weltweit im Durchschnitt 23 Prozent aller Städte von den grünen Halmen bedeckt. Das ergibt eine Rasenfläche in der Größenordnung von 0,15 bis 0,8 Millionen Quadratkilometern. Die genaue Zahl ist abhängig davon, was exakt als städtisch definiert wird, erklären Maria Ignatieva von der University of Western Australia in Perth und Marcus Hedblom von der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala in ihrer in "Science" publizierten Studie.

Gießen, gießen, gießen

Saftiges Grün steht für Natur, Gesundheit und Erholung. Von Städteplanern und der Politik werden die positiven Eigenschaften für das Ökosystem immer wieder in den Vordergrund gerückt. Rasen produzieren Sauerstoff, nehmen Kohlendioxid auf, verbessern die Luftqualität, reduzieren die Bodenerosion und verbessern die Grundwassererneuerung. Der vielleicht sogar wichtigste Effekt für die Städte- und Landschaftsplanung dürfte aber in der Ästhetik liegen. In Entwicklungsländern, die in Trockenzonen liegen, argumentieren Stadtplaner gar, dass Rasenflächen die Qualität des urbanen Lebens aufwerten.

Aufgrund immer längerer Hitzewellen und damit verbundener Trockenperioden stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die grünen Teppiche tatsächlich nachhaltig sind. Zwar wird auch argumentiert, dass Rasen das Städteklima positiv beeinflussen, doch andererseits fließen 75 Prozent des jährlichen Wasserverbrauchs in den USA in die Bewässerung jener Flächen, die das Gemüt erfreuen sollen. Wer den eigenen Garten den Sommer über grün halten will, weiß über das aufwendige wasserintensive Prozedere Bescheid. Und ausgerechnet in Regionen wie den Wüstengebieten Nordamerikas oder Arabiens sind Rasenflächen besonders beliebt. Der Wohlstand wird damit schon im Vorgarten sichtbar.

Dünger im Grundwasser

Außer Acht gelassen werden häufig auch die nötigen Dünge-, Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel, die nach getaner Arbeit in den Untergrund und damit ins Grundwasser gespült werden. In den USA wurden im Jahr 2012 in Privathaushalten und in Gärten 27 Millionen Kilogramm Pestizide eingesetzt.

Zwar holt das Gras das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Luft, vor allem dann, wenn es häufig gemäht wird. Doch andererseits beeinflussen Rasenmähen, Düngen und Bewässern wiederum die Energiebilanz. Letzten Endes wird wesentlich mehr Kohlendioxid freigesetzt als aufgenommen, skizzieren die Forscher. Nachhaltigkeit sieht demzufolge anders aus.

Die Schlossgartenkultur

Die Alternative zu solchen einheitlich grünen Teppichen liegt wohl in der Natur selbst. Anstelle des beliebten englischen Rasen könnten wieder vermehrt Gräser unterschiedlicher Art, aber auch Kräuter und Wiesenblumen gepflanzt werden. Samenmischungen bringen sogar exotische Farben in Gärten und erfreuen auch die dort lebenden Nützlinge. Solche Grünflächen müssen nicht nur weniger gemäht, sondern auch weniger gedüngt und bewässert werden, da die Wurzeln bei einigen Gewächsen zumeist viel tiefer in das Erdreich ragen.

Dass in den Köpfen der Menschen nach wie vor der monotone Rasen als Nonplusultra der städtischen Natur gesehen wird, dürfte auch kulturell bedingt sein. Die geometrischen Gartenformen, wie sie seit Mitte des 17. Jahrhunderts zum Beispiel das Schloss Versailles und nachfolgend auch viele andere Schlossanlagen prägen, sprechen schlechthin für die wahre Ästhetik. Immer häufiger haben sich diese Monokulturen über die Grenzen der Gärten hinaus ausgedehnt und die "echte" Natur in Beschlag genommen.

Nach Alternativen wird immerhin schon seit dem Ende des 19. Jahrhundert gesucht. Über einige Jahrzehnte hinweg hatten britische Forscher gar Werbung für städtische Wiesen anstelle von pflegeintensiven Rasen gemacht. Die Städteplaner waren offenbar dennoch anderer Ansicht.

Um Alternativen und damit auch neue Normen zu kreieren, müssen die Menschen direkt herangeführt werden, betonen die Forscher. Dazu bräuchte es öffentliche Aufklärung ebenso wie die Schaffung von Musterflächen - möglicherweise sogar eine Kombination beider Anbauarten, um eine neue Vegetation, aber auch eine neue Ästhetik in das Stadtbild einzufügen.