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Die Landung hinter dem Mond

Von Eva Stanzl

Wissen
Als Landeplatz ist der Aitken-Krater, hier von Apollo 17 aufgenommen, geplant.
© James Stuby/Nasa

China will als erste Weltraumnation auf der erdabgewandten Seite des Trabanten aufsetzen.


Wien. Wer von der Erde aus den Mond betrachtet, sieht stets dieselbe Seite. China will als erste Weltraumnation auf der für irdische Augen verborgenen Rückseite des Mondes landen. Bis Mittwoch hatte die China National Space Administration zwar noch keinen Landezeitpunkt für die Sonde "Chang’e 4" bekanntgegeben. Doch der Staatssender CGTN berichtete, dass ihre Ankunft für heute, 3. Jänner, erwartet werde. Als Landeplatz sei der Aitken-Krater, der 1970 nach dem US-Astronomen Robert Grant Aitken benannt wurde, geplant.

Wenn das Manöver gelingt, wäre es nicht nur für Chinas Raumfahrt ein historischer Erfolg. Noch nie zuvor hat ein Landegerät auf der Mondrückseite aufgesetzt. China gelang erst 2013, Jahrzehnte nach den USA und Russland, mit der Sonde "Chang’e 3" eine Landung auf dem Erdtrabanten. Die "Chang’e 4"-Mission, am 7. Dezember 2018 gestartet wurde und aus einem Lander mit einem Rover besteht, stellt eine Premiere dar.

Egal, wo wir uns auf der Erde befinden, der Mond zeigt uns immer dasselbe Gesicht: hellere und dünklere Flecken, eine charakteristische Landschaft. Die der Erde abgewandte Seite schaut in die schwarze Unendlichkeit des Universums. Was hat es mit der Mondrückseite auf sich? Blickt sie wirklich niemals zur Sonne, ist rund um die Uhr dunkel und kalt?

Die Antwort ist nein. Dank der Mondphasen kennt auch der Mond Tag und Nacht. Bei Vollmond ist auf dem Trabanten Mittagszeit und die Erde steht zwischen ihm und der Sonne. Bei Neumond ist auf ihm Nacht und er steht zwischen uns und unserem Stern. Dennoch sehen wir dabei nur "unsere" Seite. Denn der Mond umrundet die Erde in 29,5 Tagen und dreht sich in derselben Zeit um die eigene Achse. Wären die Rhythmen verschieden, gäbe er irgendwann auch sein zweites Gesicht preis. Verhindert wird dies durch die irdischen Gezeitenkräfte. Sie binden die Rotation der Mondachse an jene 29,5 Tage, die der Trabant für seinen Weg um den Blauen Planeten braucht. Allerdings ist die Mondbahn um fünf Prozent geneigt (Libration); daher bleiben tatsächlich nur 41 Prozent seiner Oberfläche verborgen.

Stoff für die Fantasie

Weil sie sich nicht direkt beobachten lässt, regt die geheimnisumwobene Mondrückseite die Fantasie an. Jeder Mensch ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er nie jemandem zeigt, schrieb der amerikanische Schriftsteller Mark Twain. "The Dark Side of the Moon" heißt das erfolgreichste Album der britischen Band Pink Floyd. Es hinterfragt, was sensible Menschen in den Wahnsinn treiben kann. Erste Fakten lieferte Ende 1959 die russische Mondsonde Lunik 3. Ihre Funkbilder erfassten 70 Prozent der erdabgewandten Seite, die eine unerwartete Ansicht bot. Auf diesen ersten Bildern sticht eine dunkle Tiefebene namens Mare Moskwa ins Auge - der Rest erscheint quasi getupft. Anders als auf der Vorderseite sind die dunklen, von erstarrter Lava bedeckten Tiefebenen klein und zahlreich, machen aber nur wenige Prozent der Oberfläche aus. Daher hat die Rückseite allgemein ein höheres Rückstrahlvermögen. Neben weniger Mondmeeren und großen Einschläge gibt es auch weniger Mondgebirge und -rillen.

Der Aitken-Krater hat einen Durchmesser von 138 Kilometern und liegt am Rande des Südpol-Aitken-Beckens. Zu den Herausforderungen bei der Landung zählt die Tatsache, dass das Gelände auf der Rückseite weniger flach als jenes auf der Vorderseite ist.

Da die Mondrückseite frei ist von irdischem Störlicht und Funkverkehr, wäre sie ein idealer Ort für besonders empfindliche astronomische Messungen. Der Nachteil ist die Kommunikation zur Erde, da keine direkte Funkverbindung zur Rückseite des Mondes aufgebaut werden kann. Dieses Problem versucht China mit einem Übertragungssatelliten zu lösen, der eigens in die Umlaufbahn des Mondes geschickt wurde. "Der gesamte Prozess ist ziemlich kompliziert und es wird viele Risiken geben", sagte Yu Guobin, ein Sprecher des Raumfahrtprogramms, im Staatsfernsehen.

Nach der Ankunft soll ein Roboterfahrzeug Boden und Strukturen um den Landeort untersuchen. Es ist mit einer Panoramakamera und Messgeräten ausgestattet. Schon im kommenden Jahr könnte eine Folgemission, "Chang’e 5", Mondgestein zur Erde bringen.