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Wie künstliche Intelligenz gescheiter werden könnte

Von Eva Stanzl

Wissen

Neue Mathematik könnte Maschinenlernen einen Schritt weiterbringen, so fix wie der Mensch wird sie aber dennoch nicht.


Lissabon/Wien. Dummer Computer, kennt nur Null und Eins? Mitnichten. Mathematiker haben eine Methode entwickelt, mit der künstliche Intelligenz Objekte schneller und präziser erkennen könnte, als es heute möglich ist. Roboter&Co sollen keine Dinge mehr verwechseln, sondern genau wissen, wen oder was sie vor sich haben, stellt das Champalimaud-Forschungszentrum für das Unbekannte in Lissabon im Fachmagazin "Nature Machine Intelligence" in Aussicht.

In den vergangenen Jahren haben maschinelle Augen fast explosionsartig schnell gelernt, immer besser zu sehen. Elektronische Systeme können Gesichter und Bewegungen erkennen und sogar einzelne Fische in Aquarien ausmachen, obwohl sich alle ähnlich sehen und bewegen. Dahinter stehen Computer-Modelle von Netzwerken von Nervenzellen, neuronale Netze genannt, die menschliche Gehirn-Funktionen simulieren. Doch während der Mensch aus Erfahrung punktgenau erkennt, was er sieht, müssen Maschinen zahllose Bilder sammeln, in Pixel-Matrizen aufsplitten, abspeichern und immer dann durchforsten, wenn es darum geht, die Muster von Nasen oder Augen zu erkennen.

Könnte man Maschinen ein Wissen über die Wirklichkeit einprogrammieren, das sie zielgerichteter "schauen" lässt? Dieser Frage ging das Team um Studienleiter Mattia Bergomi nach. Das Ziel ist eine künstliche Intelligenz, "die nicht wie ein mittelmäßiger Schachspieler alle Züge sieht, die möglich sind, sondern wie ein Spitzen-Schachspieler nur die guten Züge wahrnimmt. Wenn wir ein neuronales Netzwerk trainieren, Verkehrsschilder richtig zu verstehen, müssen wir ihm beibringen, nur auf geometrische Figuren wie Kreise oder Dreiecke zu schauen", erklärt Bergomi.

Der Schlüssel ist eine mathematische Theorie namens "topographische Datenanalyse" (TDA), die 1992 vom italienischen Mathematiker Patrizip Frosini, dem Ko-Autor der Studie, erfunden wurde. TDA beschreibt eine erweiterte Geometrie, die Objekte nicht mit Linien und Winkeln in rigide Formen von Dreiecken, Quadraten oder Kegel einteilt, sondern diese über die Form selbst definiert. Für einen Topologen wären eine Kaffeetasse und ein ringförmiger Donut das gleiche Objekt. Das eine kann ins andere durch Dehnen oder Quetschen verformt werden.

Heutige neuronale Netzwerke sind keine Topologen. Sie erkennen ein Objekt nicht, wenn sie es aus einem anderen Winkel betrachten. Aus diesem Grund müssen sich Maschinen jede Konfiguration separat merken, was bei hoher Fehleranfälligkeit einer Menge Zeit und Geld bedarf. Laut den Forschern könnte Topologie Maschinen ein Wissen über interne Strukturen ermöglichen. TDA könnte das mathematische Werkzeug darstellen, mit dem künstliche Intelligenz über Nummernabfolgen die Topologie komplexer Objekte erkennt. "Durch diesen Filter könnten Maschinen erkennen, was Daten darstellen", so Bergomi.

Könnten dann selbstfahrende Autos Unfallsituationen besser einschätzen, Roboter elegant den Tisch abräumen oder Computer empathiebetonte Gespräche führen? Nicht ganz. "Für das Maschinelle Lernen ist die Methode ein wichtiger Schritt. Sie aber als Durchbruch zu bezeichnen, wäre unvorsichtig", sagt dazu Thomas Eiter vom Institut für Logik und Computation der TU Wien. "Sie senkt die Trainingszeit eines neuronalen Netzes, weil sie die Zahl der Lernbeispiele reduzieren und die Qualität der Bilderkennung verbessern kann. Sie hilft aber nicht unmittelbar, "intelligentere" Systeme zu erhalten".