Die Astronomie ist eine lautlose Wissenschaft. Sie gibt den Ohren Urlaub. Die Erdachse quietscht nicht; das Firmament dreht sich in erhabener Ruhe. Selbst die hoch droben dahinziehenden Satelliten geben keinen Laut von sich, obwohl sie doch mit 40.000 km/h um die Erde jagen. In Spielfilmen schießen Raumfahrzeuge hingegen mit dramatischem Getöse am Betrachter vorbei. Sogar seriöse TV-Dokumentationen sparen nicht mit spacigen Sounds. Dabei passt in Wahrheit nur ein einziger Klang zum Kosmos: Stille.

Die Milchstraße über dem Matterhorn, vom Stellisee aus gesehen. - © Andrea Comi / Getty
Die Milchstraße über dem Matterhorn, vom Stellisee aus gesehen. - © Andrea Comi / Getty

Schallwellen breiten sich in elastischen Medien aus. In unserem Alltag ist das vor allem die Luft. Hier überwinden diese Druck- und Dichteschwankungen um die 340 Meter pro Sekunde. Im idealen Vakuum wären Schallwellen chancenlos. Allerdings ist das kosmische Vakuum nicht perfekt: Das interstellare Medium besteht aus mindestens 100, mitunter sogar Milliarden Atomen pro Kubikmeter. Es kann, wenngleich sehr schwach, wenigstens die allerlängsten Schallwellen weiterleiten. Deren Frequenzen sind freilich viele Milliarden mal tiefer als der hörbare Schall.

Sehr hohe Temperaturen vorausgesetzt, reisen Schallwellen im Kosmos tausende Male schneller als auf Erden. Das belegt der alternde Orionstern Beteigeuze. In seiner heißen Umgebung beträgt die Schallgeschwindigkeit rund 40.000 km/h. Die aus seinem Inneren aufsteigenden Gasblasen überwinden mitunter die Schwerkraft des aufgeblähten Riesensterns. Sie treffen mit Überschallgeschwindigkeit auf das interstellare Medium. In den so entstehenden Schockfronten wird das Gas abgebremst, verdichtet und erhitzt: Infrarotfotos halten die leuchtenden Bögen fest.

Extrem hohe Temperaturen herrschten nach dem Urknall. Das Universum dehnte sich zunächst in geradezu inflationärem Tempo aus. Quantenfluktuationen wurden wie mit einem Diaprojektor in größere Dimensionen projiziert. So kam es im heißen Urknallplasma zu geringfügigen Dichteschwankungen. Von den dichteren Zonen gingen baryonische akustische Oszillationen aus: Diese Schallwellen zogen in alle Richtungen fort – mit einer Geschwindigkeit, die nur 40 Prozent unter der des Lichts lag.

Musik des Urknalls
Nach 380.000 Jahren war die Temperatur deutlich gefallen, das Universum zum ersten Mal durchsichtig. Die Schallgeschwindigkeit sank rapide. Diesen Moment hält die kosmische Hintergrundstrahlung fest, lyrisch "Nachglimmen des Urknalls" genannt. Die einstigen Schallwellen, von Romantikern gelegentlich als "Musik des Urknalls" bezeichnet, hinterließen darin ihre Signatur – in Form geringfügiger Temperaturvariationen.

Auch für Johannes Kepler war der Raum, vermeintlich, von Musik erfüllt. In Linz berechnete er die schnellste und langsamste Tagesbewegung jedes Planeten auf seiner Ellipsenbahn – und zwar von der Sonne aus betrachtet. Dann setzte er die beiden Werte in Verhältnis zueinander. Auf der Suche nach harmonischen Klängen teilte er außerdem die Saite eines Monochords mit einem beweglichen Steg. Er meinte, hier die gleichen Längenverhältnisse wie bei den Planeten zu messen. Nach einigen Rundungen passte zum Beispiel die Quinte (Verhältnis 3:2) zum Mars, die große Terz (5:4) zum Saturn, die kleine Terz (6:5) zum Jupiter. Kepler glaubte ganz begeistert, Einblick in Gottes Bauplan genommen zu haben.

Lichtschwankungen lauschen
Schall braucht ein Medium zur Ausbreitung. Elektromagnetische Wellen wie Funk oder Licht meistern kosmische Weiten ohne solche Hilfe. Im Prinzip lassen sich alle Signale elektronisch in Hörschall umwandeln – selbst die 2015 erstmals nachgewiesenen Gravitationswellen.
Schon lange zuvor gelang die Umwandlung von Sternenlicht. Oberhalb der turbulenten Erdatmosphäre funkeln Sterne nicht. Weltraumteleskope fangen dennoch rasche, periodische Helligkeitsschwankungen im Subpromillebereich ein. Zumindest in der äußersten Zone eines Sterns wird die Energie nicht mittels Strahlung, sondern durch Konvektion transportiert. Ähnlich wie im Kochtopf steigen heiße Gasblasen auf, kühlere sinken ab. Dieses "Brodeln" erzeugt Schwingungen, die tief in den Stern hinein reichen und sich aufschaukeln. In Vibration versetzt, dehnen sich Sterne rhythmisch ein klein wenig aus, um gleich wieder zu schrumpfen – was zur periodischen Ab- und Zunahme ihrer Temperatur und somit der Leuchtkraft führt.

Seismologen bedienen sich der Erdbebenwellen, um die Struktur des Erdkörpers zu erforschen. Astroseismologen nützen die genannten Helligkeitsvariationen, um fremden Sonnen unter die Oberfläche zu schauen. Die Methode erlaubt etwa recht präzise Aussagen über Größen und Massen: Ähnlich Orgelpfeifen schwingen Riesensterne langsamer als Zwergsonnen.

Man kann die Lichtschwankungen auch künstlich stark zusammenstauchen und in Töne verwandeln. Um etwa 19 Oktaven nach oben transponiert, klingt es mitunter, als würde ein himmlischer Organist mehrere Tasten auf einmal drücken. Denn Sterne vibrieren gleichzeitig in mehreren Frequenzen. Auch unsere Sonne schwingt wie eine Glocke, wenngleich in fünfminütigem Rhythmus und somit hunderttausend mal langsamer.

Radio Natur
Könnten unsere Ohren kurzwellige Radiosignale wahrnehmen, hörten sie etwa die Sonne und das Milchstraßenzentrum rauschen. Auch den Jupiter: Der Riesenplanet wird alle 42 Stunden von der Io umrundet. Durch Jupiters Magnetfeld schießend, provoziert dieser vulkanisch aktive Mond polarlichtartige Erscheinungen und mischt auch kräftig bei der Entstehung von Jupiters Radiowellen mit. Im Kopfhörer eines geeigneten Kurzwellenempfängers klingen diese Signale teils wie Meeresbrandung, teils wie Popcorn.

Nach einer Supernova-Explosion bleibt von einem massereichen Stern meist ein ultradichter Neutronenstern übrig. Dessen Masse übertrifft jene unserer Sonne, ist aber auf Stadtgröße komprimiert worden. Deshalb wirbelt eine solche Sternleiche oft dutzende bis hunderte Male pro Sekunde um ihre Achse. Extreme Magnetfelder produzieren Synchrotronstrahlung, die in zwei gegen-überliegenden Kegeln abgestrahlt wird. Überstreicht ein solcher Kegel die Erde, pocht oder knattert es im Lautsprecher des Radioteleskops.

Unsere Sonne jagt elektrisch geladene Teilchen ins All. Manchmal schwillt dieser Sonnenwind zum Sturm an. Die vier Cluster-Satelliten der ESA zeichneten jüngst die magnetischen Wellen auf, die dabei im Erdmagnetfeld entstehen. In Schall konvertiert, lauscht man unheimlich anmutenden Klängen; die Tonhöhe steigt mit der Sturmstärke.
Lieblicher klingt ein allmorgendliches Längstwellengemisch, das an Vogelgezwitscher erinnert. Isao Tomita und Pink Floyd eröffneten damit ihre Songs "Dawn Chorus" respektive "Cluster One". Längstwellen (VLF) schwingen 3000 bis 30.000 mal pro Sekunde. Das menschliche Hörvermögen reicht etwa von 16 bis 20.000 Hertz. Ein Gutteil der VLF-Frequenzen ist also ohrentauglich – sofern man diese elektromagnetischen Wellen mit passenden Empfängern zuvor in Schall verwandelt.

Flüsternde Nordlichter
Sternschnuppen dringen mit 40.000 bis 259.000 km/h in die Erdatmosphäre ein. In Höhen zwischen 120 und 80 Kilometern ionisieren sie Luftmoleküle, machen daraus elektrisch leitendes Plasma. Dieser Plasmaschweif reflektiert die Funksignale von fernen, hinter der Erdkrümmung versteckten Sendern. Das Naturhistorische Museum in Wien fängt dann kurzzeitig Signalechos der GRAVES-Radarstation nahe dem französischen Dijon auf.

Unter freiem Himmel nehmen Beobachter in raren Fällen ein Zischen, Surren, Summen oder Knistern beim Anblick einer Sternschnuppe wahr – gleichzeitig mit dem Verglühen derselben. Das wäre eigentlich schon wegen der langsamen Schallgeschwindigkeit ausgeschlossen. Eine mögliche Erklärung: Synästhesie. Dabei verwandelt das Gehirn einen Sinnesreiz in einen anderen – etwa ein schnelles Aufblitzen in ein vermeintliches Geräusch.

Außerdem produzieren leuchtkräftige Sternschnuppen selbst elektromagnetische VLF-Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie könnten Gegenstände nahe am Beobachter in mechanische Schwingung versetzen. So entsteht Hörschall gleicher Frequenz. Verdächtigt wurden schon Telefonleitungen, Brillengestelle, Bäume oder Grashalme.

Extrem helle Sternschnuppen blitzen während ihres sekundenschnellen Verglühens Dutzende Male auf. Möglicherweise erwärmen diese Lichtblitze geeignete Materialien am Boden. Das wiederum ruft kleine Druckoszillationen in der sie umgebenden Luft hervor – also Schallwellen. Neben Blättern oder Gras eignen sich dazu, mutmaßlich, dunkle Kleidung und krauses Haar ganz besonders gut: Im besten Fall wird die Lautstärke von Blätterrauschen oder Geflüster erzielt.
Während viele Menschen schon froh wären, das Nordlicht einmal zu sehen, haben es ein paar wenige tatsächlich gehört! Ursache für das gelegentliche Zischen, Knistern, Pfeifen oder Klatschen mögen abermals elektromagnetische VLF-Wellen sein. Für die Umwandlung in Schall könnten Starkstromleitungen verantwortlich zeichnen oder die Entladungen statischer Elektrizität in einer Inversionsschicht, etwa 75 Meter hoch über dem Boden. Bislang wurde die nächtliche Stille aber nur sehr selten von zischenden Sternschnuppen oder pfeifenden Nordlichtern durchbrochen.

Links zu Klangbeispielen:
www.klang.himmelszelt.at