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Wetterfrösche im Corona-Blindflug

Von Eva Stanzl

Wissen

Die Pandemie hat auch Auswirkungen auf die Wetterprognose, weil Flugzeug-Messdaten fehlen.


Die Coronavirus-Pandemie sorgt bei vielen für Verunsicherung: Wirtschaftsforscher müssen ihre Konjunktur-Prognosen fast täglich revidieren, Virologen rätseln, wie ansteckend der listige Erreger nun wirklich ist, und Pensionisten fragen sich, ob sie überhaupt noch auf die Straße dürfen. Doch auch die akademischen Wetterfrösche blicken dank Corona in zunehmend trübere Kristallkugeln: Den Meteorologen fehlen nämlich täglich Millionen Datensätze, die mithelfen, Regen, Schnee und Sonnenschein genau vorherzusagen. Schuld ist die Tatsache, dass die Luftfahrt wegen Grenzschließungen und Reisewarnungen am Boden bleibt.

"Wenn noch weniger Wetterdaten von Flugzeugen geliefert werden und dies über einen längeren Zeitraum, dürfte die Zuverlässigkeit von Vorhersagen abnehmen", betont Lars Peter Riishojgaard, Fachgruppenleiter der Weltwetterorganisation in Genf. Christoph Wittmann, Leiter der Fachabteilung Modellentwicklung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien, bekräftigt: "Aufgrund der Flugausfälle ist definitiv ein Einfluss auf die Wettermodelle zu erwarten."

Die Zahl der Flugzeug-Wetterdaten ist in Europa um 65 Prozent und weltweit um 42 Prozent zurückgegangen, berichtet das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) im südenglischen Reading. In den kommenden Wochen bis Monaten müsse auf ähnlich viele Flugzeugmeldungen verzichtet werden.

Der Flugverkehr ist nach den Satellitenmessungen die zweitwichtigste Datenquelle für Wetterprognosen. An der Spitze jedes Passagierflugzeugs befinden sich meteorologische Sensoren, die Temperaturen, Feuchtigkeit, Windstärke, Windrichtung, Inversionen, Luftfeuchtigkeit und Gewitterwahrscheinlichkeit vom Airport bis zum Flugniveau von bis zu zwölf Kilometern Höhe messen. Das Ergebnis ist ein Querschnitt der Wetterverhältnisse und der Stabilität der Atmosphäre, der in die Modelle einfließt.

"Wenn zwischen 1500 und 10.000 Höhenmetern etwa der Temperatur-Unterschied besonders markant ist, ist die Atmosphäre labiler und die Wahrscheinlichkeit auf einen Wetterumschwung größer", nennt der Meteorologe Nikolas Zimmermann vom unabhängigen internationalen Wetterdienst Ubimet in Wien ein Beispiel für den Stellenwert der Luftfahrt. Zudem lasse sich anhand der Flugzeug-Daten die Richtigkeit der flächendeckenden Satellitenmessungen überprüfen.

Das ECMWF, das unter anderem Zehntagesprognosen für Europa in einem Raster von zehn mal zehn Kilometern errechnet, räumt ein, dass seine Modelle derzeit um 15 Prozent weniger präzise sind. "Ein längerfristiges Wettermodell muss den Ist-Zustand so gut wie möglich kennen. Bei Ungenauigkeiten sinkt die Qualität, je weiter man in die Zukunft rechnet", erklärt Zimmermann.

Damit die Modelle für Ostern aus Sonne nicht Regen machen, lassen nationale Wetterdienste auf Anweisung des europäischen Dachverbands Eumetnet derzeit wieder mehr Wetterballons steigen. Die zumeist mit Helium gefüllten Ballons sind mit Messgeräten und Radiosonden ausgestattet. Sie steigen bis in die Stratosphäre in 35 Kilometer Höhe auf und funken Messwerte zu Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit an Bodenstationen. GPS-Empfänger übermitteln die Position der Sonde.

Ein Pionier der Wetterballons war der französische Meteorologe Léon-Philippe Teisserenc de Bort. Ab 1896 führte er über 200 Ballon-Experimente durch. Das Wissen um die Troposphäre und Stratosphäre als Schichten der Erdatmosphäre stammt aus dieser Zeit. Nun werden Wetterballons wieder modern. "Wir haben die Zahl der Aufstiege mit Radiosonden in Wien verdoppelt. Zusätzlich zu den Terminen um 0 und 12 Uhr Greenwich-Zeit kommen jetzt 6 und 18 Uhr dazu. In anderen Staaten gibt es ähnliche Regelungen", sagt Thomas Wostal vom ZAMG.

Am Boden kaum spürbar

Für Normalverbraucher ändert sich aber kaum etwas. "Fehlende Flugdaten sind interessant für Modellrechnungen, Turbulenzprognosen oder wenn es um die Gewitterwahrscheinlichkeit bei einer Expedition in die Arktis geht. Aber in Österreich machen Bodenstationen das Manko wett und können Meteorologen Lücken mit Erfahrung überbrücken", sagt Zimmermann.

"Der Einfluss der Flugzeugdaten spielt sich im Regionalmodell im statistischen Bereich ab", erläutert Wittmann: "Für Normalanwender wird der Effekt nicht merkbar sein. Dennoch ist es sinnvoll, auch in Regionalmodellen die fehlenden Flugzeugdaten zu kompensieren, weil wir die Vertikalprofile von Starts und Landungen benötigen. Glücklicherweise helfen die zusätzlichen Radiosonden." Wir können also davon ausgehen, dass das Wetter zu Ostern so sein wird wie vorhergesagt.