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Webb blickt in die Evolution des Kosmos

Von Eva Stanzl

Wissen
Sternengeburten im Carinanebel.
© via REUTERS

Vom Planetennebel bis zu Wasser im All: Die Nasa hat noch weitere Aufnahmen des James-Webb-Teleskops präsentiert.


Nach dem ersten Foto eines Galaxienhaufens aus dem jungen Universum hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa noch weitere Aufnahmen des James-Webb-Teleskops präsentiert. "Jedes Bild ist eine neue Entdeckung, jedes gibt der Menschheit einen Einblick in das Universum, den sie noch nie zuvor gehabt hat", sagte Nasa-Chef Bill Nelson am Dienstagnachmittag bei der Präsentation im Goddard Space Center im US-Bundesstaat Maryland.

Die Veröffentlichung der Aufnahmen markiert den offiziellen Beginn der wissenschaftlichen Arbeit mit dem bisher größten und leistungsfähigsten Teleskop im All. Es sei eine "Chance, die nur einmal im Leben kommt" und werde "unser Verständnis des Universums verändern", betonte der Chef der beteiligten Europäischen Weltraumagentur ESA, Josef Aschbacher. "Wir übergeben das Teleskop an die Wissenschaft", sagte Peter Rumler, James-Webb-Projektleiter bei ESA, zur "Wiener Zeitung": "Normalerweise sage ich ja als Ingenieur: Wenn etwas schiefgeht, wird es interessant. Aber jetzt ist es schon ein gutes Gefühl und ich bin froh, dass alles funktioniert."

Tanzendes Planeten-Quintett

Mit einem Spiegeldurchmesser von 6,5 Metern ist das James Webb Space Telescope (kurz: Webb oder JWST) das größte Spiegelteleskop im Weltraum. Es ist am 25. Dezember 2021 als Nachfolger des Hubble-Teleskops gestartet und hat mit 1,5 Millionen Kilometern die vierfache Distanz von der Erde zum Mond zurückgelegt. Die ersten Bilder, die auf der Webseite und dem Twitter-Kanal der ESA zu finden sind, zeigen fünf Motive.

Der Carinanebel ist einer der größten und hellsten Objekte am Nachthimmel. Er ist 7.600 Lichtjahre von der Erde entfernt, heller als der Orionnebel und befindet sich im südlichen Sternbild Carina. In der Gasformation bilden sich neue Sterne. Das Foto gibt somit Aufschlüsse über die Evolution des Universums.

Der Südliche Ringnebel oder NGC 3132 ist ein planetarischer Nebel aus Gas und Staub, der verlöschende Sterne auswirft. Das Zusammenspiel zweier Sterne bestimmt sein Aussehen, er umgibt einen sterbenden Stern. NGC 3132 hat einen Durchmesser von einem halben Lichtjahr und befindet sich 2.000 Lichtjahre entfernt am Südsternhimmel im Sternbild Segel des Schiffs.

Der 1.150 Lichtjahre entfernte Gasplanet Wasp-96b ist ebenfalls am Südhimmel zu finden, diesmal im Sternbild des Phönix. Der Exoplanet ist größer und heißer als unser Saturn. Seinen Heimatstern umkreist er innerhalb von 3,4 Tagen. In seinem Spektrum sei Wasser gefunden wurden und es gebe Hinweise auf Wolken und Nebel in der Atmosphäre, teilte die Nasa mit. Die Beobachtung sei die bisher genaueste ihrer Art und zeige die Fähigkeit des Teleskops, Exoplaneten-Atmosphären zu untersuchen.

Das 290 Millionen Lichtjahre entfernte Stephansquintett befindet sich im Sternbild Pegasus, das in Mitteleuropa am abendlichen Herbsthimmel zu sehen ist. Es ist die erste kompakte Galaxiengruppe, die durch den der französischen Astronom Édouard Jean-Marie Stephan 1877 als solche erkannt wurde. Vier der fünf Galaxien befinden sich in einem kosmischen Tanz wiederholter Begegnungen in Schlingen und Schweifen, die unter dem Einfluss zerstörerischer gravitationsbedingter Gezeiten entstanden sind. Die fünfte Galaxie gehört nicht zur wechselwirkenden Gruppe.

Der Galaxienhaufen SMACS 0723 im Sternbild Fliegender Fisch ist 4,6 Milliarden Lichtjahre entfernt. Wie berichtet, handelt es sich um eines der ältesten bekannten Objekte im Kosmos. Galaxienhaufen im Vordergrund vergrößern und verzerren das Licht der dahinter liegenden Objekte und ermöglichen einen Einblick in extrem weit entfernte, nur schwach leuchtende Galaxien. "Im Hintergrund sind Galaxien in einem Zustand nur 600 Millionen Jahre nach der Entstehung des Universums vor 13,8 Milliarden Jahren zu sehen", erklärt Manuel Güdel von der Universität Wien, der an der Entwicklung des "Mid Infrared Instrument" beteiligt war. Da das JWST im Infrarot-Bereich beobachtet, "gibt es tiefe Einblicke in die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien".

Feuchter Exoplanet aus Gas

"Wir sehen Bilder an von Objekten, die vor 13 Milliarden Jahren entstanden sind", sagt der in Wien geborene Raumfahrtingenieur Rumler. "Es ist erstaunlich, dass wir das Licht, das so lange zu uns braucht, überhaupt beobachten können. Mit einem Teleskop 100 Mal so empfindlich wie Hubble schauen wir zu Anfängen zurück."

Rumler rechnet mit weiteren spektakulären Fotos. "Schon am Anfang ist die Qualität hoch. Schon jetzt sehen wir mit Hilfe von Spektroskopie, welche Elemente in Planeten-Atmosphären vorhanden sind und dass der Exoplanet Wasp-96b eine Wasserlinie hat. Wir haben also den Beweis gefunden, dass es außerhalb unseres Sonnensystems Wasser gibt. Ich hoffe, dass wir den Beweis finden, dass es auf anderen Planeten Leben gibt."

Wenn Webbs Aufnahmen die Erde erreichen, sind sie in Rohformate verpackt, die bearbeitet werden müssen. "Frequenzen werden ihren Farben zugeordnet, die Bilder verschiedener Instrumenten zum Gesamteindruck kombiniert", sagt Rumler, der federführend am "Microshutter Array" mitgearbeitet hat, das dazu beiträgt, dass "50 bis 100 Sterne gleichzeitig" beobachtet werden können.