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Roboter-Kakerlaken bald Realität?

Von Eva Stanzl

Wissen
Forschung kann gruselig sein: Japanische Forschende schaffen ferngesteuerte Schaben mit Kontrollmodul, wiederaufladbarem Akku und Solarzelle.
© Riken

Verbesserter Steuerungsmechanismus für Cyborg-Insekten könnte diese praxistauglich machen.


Ein Gekrabbel von Roboter-Kakerlaken im Wohnzimmer: Bei der Vorstellung kann es einem die Nackenhaare aufstellen. Belauschen sie uns, senden sie Information an eine Zentrale? Beißen sie in die Zehen oder kriechen unbemerkt unters Hemd? Lassen sie sich um die Burg nicht zertreten, egal, wie fest man auf ihnen herumtrampelt? Und wenn schon die echten Kakerlaken nichts umbringen kann, was ist dann mit den verbesserten Versionen?

Was üppigen Stoff für ein neues Genre an Horrorfilmen gibt, ist zumindest in Vorstufen bereits Wirklichkeit. Das renommierte Riken-Institut für naturwissenschaftliche Forschung in Saitama, Japan, arbeitet an der Entwicklung von Cyborg-Insekten. Bei den ferngesteuerten Tieren, die halbe Roboter sind, will man einen entscheidenden Schritt weitergekommen sein, und dieser Schritt könnte dazu führen, dass elektronische Küchenschaben, Käfer und Motten bald zum Einsatz kommen. Laut den Autoren allerdings nicht, um das Leben zum Albtraum zu machen, sondern, pragmatischer, zu unserem Schutz. Die krabbelnden Cyborgs sollen auf von Dickicht bewachsenem Untergrund die Umwelt beobachten oder in winzige Öffnungen kriechen, um nach giftigen Substanzen oder Spuren von Sprengstoff zu suchen.

Zu den Hintergründen: Die US-Militärbehörde Darpa forscht schon seit einiger Zeit an der Entwicklung von ferngesteuerten Mischwesen zwischen Insekt und Roboter. Dazu wurden zunächst die Bewegungen der Gliederfüßer kartiert. Um eine Verbindung zwischen ihnen und der Elektronik herzustellen, müssen die Tiere Torturen auf sich nehmen. Eine Idee ist, die nötige Technik bereits im Larvenstadium zu implantieren, damit sie beim flugfähigen Insekt bereits mit dem Körper verwachsen ist. Bei einem anderen Ansatz werden die Muskeln der Kerbtiere mit Elektroden stimuliert, um ihnen Richtung, Geschwindigkeit und Schrittlänge vorzugeben. Dazu müssen sie sowohl einen winzigen Akku als auch einen Sender auf dem Rücken tragen.

Rucksack und Haftung

Das japanische Team konzentriert sich auf Verbesserungen der drahtlosen Fernsteuerung der Tiere. "Damit Cyborg-Insekten zum Einsatz kommen können, muss man ihre Beinbewegungen über lange Zeit fernsteuern können", halten die Forschenden in ihrer im Fachjournal "npj Flexible Electronics" publizierten Studie fest.

"Es ist von grundlegender Bedeutung, dass die Batterie immer ausreichend aufgeladen ist. Niemand will ein Team von Cyborg-Insekten, die außer Kontrolle geraten und umherstreifen", heißt es weiter in einer Aussendung des Riken Cluster für Pioneering Research zu der Studie. Um das zu verhindern, müssten die Tiere rechtzeitig rückgesteuert werden können, um sich aufzuladen. Bei Missionen unter Zeitdruck, etwa wenn eine Explosion verhindert werden soll, sei das jedoch kaum möglich. Der Materialforscher Kenjiro Fukuda und seine Kollegen haben daher eine winzige Solarzelle erfunden, die das Insekt dabei hat und die dafür sorgt, dass die Batterie ständig aufgeladen bleibt.

Das Team experimentierte mit sechs Zentimeter langen Madagaskar-Kakerlaken. Damit die Gerätschaften auf ihnen Platz finden konnten, mussten neben den ultradünnen Solarzellenmodulen ein spezieller Rucksack und ein Haftsystem für die elektronischen Bauteile am Tier entwickelt werden. Der Rucksack wurde mit einem elastischen Polymer gedruckt und passt sich an die gekrümmte Oberfläche der Schabe an, sodass das starre Gerät mehr als einen Monat lang auf dem Brustkorb befestigt werden konnte. Das nur 0,004 Millimeter dünne Solarzellenmodul wurde auf der Rückenseite des Hinterleibs angebracht.

"Mit 17,2 Milliwatt hat unser Solarmodul eine 50-mal höhere Leistung als derzeitige Energiegewinnungsgeräte für lebende Insekten", sagt Fukuda. Die Batterie wurde 30 Minuten lang mit Licht aufgeladen und die Tiere wurden mit Hilfe der drahtlosen Fernbedienung dazu gebracht, sich nach links und rechts zu drehen.

Wenn der Mechanismus Serienreife erreicht, könnte die Welt um einige Mischwesen reicher werden. Die Frage ist, ob das die Tierquälerei an den Insekten rechtfertigt. Tierfreundlicher wären wohl Roboter-Insekten. Allerdings könnten diese, ähnlich wie ferngesteuerte Drohnen, irgendwann in den Handel kommen.