Sie gelten als "Heiliger Gral der Festkörperphysik" - Materialien, die bei Umgebungsbedingungen Strom widerstandslos leiten. Gefunden wurden sie noch nicht, meist sind dafür sehr tiefe Temperaturen oder hoher Druck nötig. Wiener Physiker haben das Verhalten verschiedener Materialien simuliert und sehen nun in Palladium zwar noch nicht den Gral, aber ein neues Hoffnungsmaterial für die Hochtemperatur-Supraleitung, wie sie im Fachjournal "Physical Review Letters" berichten.

"Wir hoffen, dass wir damit nun experimentelle Forschung anstoßen können", so der Physiker. Wenn nun eine ganz neue, weitere Materialklasse zur Verfügung stehe, um Supraleitung besser zu verstehen und noch bessere Supraleiter zu erzeugen, könnte das den gesamten Forschungsbereich nach vorne bringen.
- © TU WIENViele Materialien werden nahe am absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) supraleitend. Manche können aber auch bei vergleichsweise höheren Temperaturen Strom verlustfrei leiten. Sie werden "Hochtemperatur-Supraleiter" genannt, wobei der Begriff "Hochtemperatur" relativ ist - auch sie benötigen Temperaturen weit unter minus 100 Grad Celsius für die Supraleitung.
Für jedes Material gibt es dabei eine bestimmte kritische Temperatur, die sogenannte "Sprungtemperatur": Wird sie unterschritten verschwindet der elektrische Widerstand und Strom wird ohne Verluste geleitet. Um die Sprungtemperatur möglichst weit nach oben zu bringen, wird viel experimentiert, Materialien in unterschiedlichen Strukturen zusammengefügt oder mit winzigen Spuren anderer Elemente vermischt.
Lange Zeit galten kupferhaltige Materialien, sogenannte Cuprate, als vielversprechend, sie halten seit langem den Rekord für die höchste Sprungtemperatur bei Umgebungsdruck (bis zu minus 135 Grad Celsius). Tatsächlich werden Hochtemperatur-Supraleiter auch aus der Klasse der Cuprate bereits eingesetzt, etwa wenn es um die Übertragung großer Ströme oder die Herstellung extrem starker Magnetfelder geht.
Seit ein paar Jahren setzt man zunehmend Hoffnung auf Nickelate, die auf Nickel basieren. "Ihre Sprungtemperatur liegt bis dato nur bei etwas über 30 Kelvin (minus 243 Grad Celsius, Anm.), wird vermutlich aber noch steigen", erklärte Karsten Held vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität (TU) Wien gegenüber der APA. Deshalb sehen Experten nun das "Zeitalter der Nickelate" kommen.
Dem Physiker zufolge muss man "auf quantenphysikalischer Ebene verstehen, wie die Elektronen im Material miteinander wechselwirken", wenn man noch bessere Kandidaten für Hochtemperatur-Supraleitung finden will. Er hat mit seinem Team und Kollegen aus Japan in Computersimulationen das Verhalten verschiedener Materialien präziser als bisher am Computer simuliert.
Dabei stellten sie fest, dass Nickelate gar nicht so optimal für die Supraleitung sind. Würde man vielmehr Nickel durch das Edelmetall Palladium ersetzen, könnte das Material bei höheren Temperaturen supraleitend werden, den aktuellen Berechnungen der Physiker bei rund 80 Kelvin (minus 193 Grad Celsius).
Anhand des Modells zeigten sie, dass es ein Optimum für die Stärke der Wechselwirkung zwischen den Elektronen in dem supraleitenden Material gibt. Diese müsse stark, dürfe aber nicht zu stark sein. In einer "goldenen Zone" würde die Supraleitung besonders gut funktioniert. Und diese Zone erreicht man weder mit Nickel noch mit Kupfer, sondern mit Palladium.
"Palladium ist im Periodensystem direkt eine Zeile unter dem Nickel. Die Eigenschaften sind ähnlich, aber die Elektronen sind dort im Durchschnitt etwas weiter vom Atomkern entfernt, die elektronische Wechselwirkung ist daher schwächer", sagte Held, der die Rechenergebnisse für "sehr vielversprechend" hält.
"Wir hoffen, dass wir damit nun experimentelle Forschung anstoßen können", so der Physiker. Wenn nun eine ganz neue, weitere Materialklasse zur Verfügung stehe, um Supraleitung besser zu verstehen und noch bessere Supraleiter zu erzeugen, könnte das den gesamten Forschungsbereich nach vorne bringen. Damit könnte in der Supraleitungs-Forschung das "Zeitalter der Palladate" beginnen. (apa)