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"Kochrezepte" als erfolgreichste Kinder der Mathematik

Von Eva Stanzl

Wissen
Der PageRank-Algorithmus bewertet und gewichtet eine Menge verlinkter Dokumente (auch im Netz) anhand ihrer Struktur. Entwickelt haben ihn Larry Page (daher der Name) und Sergei Brin.
© Wikipedia

Formeln für "gierige Algorithmen" bis hin zur Suche im eigenen CD-Regal.


Wien. "Algorithmen sind wie Kochrezepte. Man hat bestimmte Zutaten, aus denen Speisen werden. Ähnlich sind Algorithmen die Grundrezepte zur Verarbeitung von Daten", sagt der Mathematiker John Casti, Professor für Systemtheorie an der Technischen Universität (TU) Wien. "Natürlich gibt es ganz unterschiedliche Rezepte - wie in der Küche für Salat, Steak, Kuchen oder Eis."

So, wie in einem Kochrezept geschrieben steht, was alles in welcher Reihenfolge zu verarbeiten ist, damit ein Gericht entstehen kann, schreibt ein Algorithmus kettenweise vor, was passieren muss, um zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen. Schon allein die Addition von Zahlen untereinander, die wir in der 3. Klasse Volksschule lernen, ist ein Algorithmus. Freilich beinhaltet die Mathematik nicht nur Ergebnisse, sondern auch reine Möglichkeiten. Dennoch kann wohl mit Fug und Recht behauptet werden, dass Algorithmen ihre erfolgreichsten Kinder sind.

Ans Fertigwerden denken

Börsenhandel, Wettbetrugskontrolle, medizinische Forschung, Partnerbörsen, Suchmaschinen, bildgebende Verfahren, Computergrafik, telematische Verkehrssteuerung, Handys, Navis, Statistiken: Immer mehr Bereiche beruhen auf Zahlenformeln, die für uns die Kopfarbeit erledigen. "Wer schnell und effektiv Ergebnisse erzielen möchte, ist mit solchen Computerformeln gut beraten, weil sie automatisch und effizient funktionieren. Ein Algorithmus muss nämlich nach einer gewissen Zeit und endlichen Zahl von Schritten zu einem Ergebnis kommen", erklärt Michael Drmota vom Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der TU Wien. Der Algorithmus darf nicht ständig nach allen Seiten neu zu suchen beginnen. Sondern er muss ans Fertigwerden denken.

Schlüssel zum Geheimnis

So wird das Datum, auf das alljährlich Ostern fällt, mit der Gaußschen Osterformel eruiert. Der Satz von Gleichungen von Johann Carl Friedrich Gauß (1777 bis 1855) erlaubt die Berechnung des Ostersonntags für ein gegebenes Jahr in unserem gregorianischen Kalender anhand der Zyklen der Monate und des Mondes.

Damit zwei Kugeln, die sich im Raum aufeinander zubewegen und schließlich einander durchdringen, auf einem Bildschirm dargestellt werden können, wird ein Algorithmus benötigt, der von drei- auf zweidimensional übersetzen kann. Er muss die Datensätze für die Vorder- und die Hinterseite der Kugeln beinhalten, sodass sich die Kugeln auf dem Bildschirm in Beziehung zueinander bewegen können.

Sollen datentechnische Geheimnisse verschlüsselt werden, muss in die zugrunde liegende numerische Rechnung ein Dietrich eingebaut werden, ohne den Unbefugte die Eingabe nicht rekonstruieren können. Der Hauptschlüssel ist Teil des Programms.

Suchmaschinen im Internet arbeiten hingegen anders. Sie suchen zunächst nicht direkt im Netz, sondern wenden sich an einen Index, dessen Seiten mit Schlagwörtern versehen sind, die im Internet aufgelistet sind. Der Index wird pausenlos aktualisiert von Algorithmen, die das Internet durchlaufen. Welche Seite die Suchmaschine zuerst findet, richtet sich nach deren Wichtigkeit, die wiederum danach bewertet wird, wie viele andere Seiten auf sie zeigen. Navigationsgeräte wiederum folgen einem "Greedy Algorithm", der gierig alles optimiert. Er startet von einem Punkt in alle Richtungen und sucht Schritt für Schritt nach Möglichkeiten, den Weg zu verkürzen.

Und wie durchsuche ich mein CD-Regal? "Die sequenzielle Suche von rechts oben nach links unten ist die langsamste", sagt Drmota: "Effizienter ist die systematische Einreihung nach Buchstaben von A bis Z, wie im Computer." Man könne natürlich auch die Suche auf mehrere Personen aufteilen. "Das ist eine Parallelisierung", sagt der Mathematiker. Ein Alltag voller Systematik.

Sinnvolle Ergebnisse?

Was Algorithmen allerdings nicht können, ist zu bewerten, ob ihre Handlungen sinnvolle Ergebnisse zeitigen. Der Computer-Algorithmus geht strikt nach Schema F vor. "Wenn man will, dass ein Algorithmus in Extremsituationen bewertet, was sinnvoll, gut oder schlecht ist, muss man ihn mit Bewertung ausstatten", so Drmota. Prinzipiell könne demnach ein Computer auch einen Richter ersetzen, wenn man ihm vorgebe, wie ein Richter zu denken.

Noch ist der lernfähige, sensible Computer Science Fiction. Und dass auch Programmierer nicht an alles denken und Systemfehler ihnen Striche durch die Rechnung machen, zeigt jene Panne beim US-Broker Knight Capital, die den jüngsten technischen Fauxpas an einer Börse verursachte.