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Halb Leben, halb Elektroteile

Von Eva Stanzl

Wissen
"Roberto" ist noch wenig menschlich. Er ist in der Ausstellung "Roboter. Maschine und Mensch?" zu sehen. Die Schau startete am Freitag und läuft bis 14. Juli 2013 im Technischen Museum Wien.
© TMW

Den Menschen nachzubauen mag interessant sein, ist aber wenig sinnvoll.


Wien. Kann eine Maschine gebaut werden, die so ist wie ein Mensch? Lange waren Roboter reine Vision. Heute schrauben sie Autos zusammen, saugen Staub, putzen Kanäle, entschärfen Minen, warnen vor Bränden, führen chirurgische Operationen durch, spielen Fußball und fliegen zum Mars. Viele können mehr als wir: Roboter, die besser sehen als Menschen, machen sich in der medizinischen Diagnostik nützlich. Roboter verarbeiten Information strukturierter als wir, schlagen sie uns daher im Schach.

Dennoch bestehen sie in ihrem Innersten nur aus Chips, Drähten und Schrauben. Keine Spur von Leben. Das könnte sich allerdings bald ändern. Britische Forscher um Orr Yarkoni von der Universität Newcastle haben ein Prinzip entwickelt, mit dem lebende Zellen mit elektronischen Komponenten kommunizieren können. Ihre Arbeit, die im Fachmagazin "Bioinspiration & Biomimetics" veröffentlicht wurde, könnte zu einem "Bio-Hybrid-Roboter" mit einem lebendigen Innenleben führen.

Maschinenteile und Zellen

Zellen, die Bausteine des Lebens, kommunizieren anders als maschinelle Bauteile. Die Wissenschafter können diese Polaritäten nun verbinden. Sie veränderten Zellen aus Eierstöcken von Hamstern so, dass diese einerseits auf sichtbares Licht reagieren und andererseits Stickoxide erzeugen.

Stickoxid ist ein Botenstoff, der im menschlichen Körper unter anderem Gefäßerweiterungen bewirkt. Kommt er jedoch mit einer Elektrode aus Platin in Kontakt, erzeugt er ein elektrisches Signal.

Das System der Forscher empfängt ein optisches Signal durch Licht. Dieses wird von Stickoxid chemisch vermittelt und zum elektronischen Empfänger übertragen. Wie stark die Kommunikation ausfällt, hängt von der Intensität des Lichtes ab.

Die Technologie überwindet Hürden, die andernfalls eine Kommunikation zwischen lebenden Zellen und elektronischen Bauteilen verhindern. Zelluläre Prozesse sind häufig zu langsam, um sich mit elektrischen Signalen auszutauschen. Zudem kann elektrische Ladung den Zellen schaden oder sie sogar abtöten. Werden Stickoxide als Vermittler eingesetzt, sind alle nötigen Anforderungen erfüllt. Der Botenstoff zählt zu den wenigen Signalmolekülen, die überall in der Zelle ihre Gasform beibehalten.

Laut den Forschern können sich die Zellen des Systems auch selbst erneuern und eingehende Signale miteinander kombinieren. Umgelegt auf eine nächste Roboter-Generation stellen sie Maschinen in Aussicht, die weitgehend autonom agieren und etwa das Verhalten von Tieren imitieren.

Eugenijus Kaniusas, Leiter der Forschungsgruppe Biomedizinische Sensoren der Technischen Universität Wien, ist jedoch skeptisch: "Aus Jux und Tollerei einen halblebendigen Roboter zu schaffen, mag interessant sein. Aber ansonsten greift die Forschung eher gewisse Probleme in der Gesellschaft auf." Er sieht eher medizinische Anwendungen: "Mit Hilfe von Signalen zwischen Zellen und Elektronik könnte die Behandlung von erkrankte oder degenerierende Muskeln verbessert werden." Auch bei Wirbelsäulenverletzungen, die zur Folge haben, dass gewisse Muskeln nicht mehr benutzt werden können, sei die Methode nützlich. Etwa könnten künftig die Bio-Signale abgebenden Elemente in den Körper eingesetzt werden.

Zurück zur Vision menschenähnlicher Maschinen. Künstliche-Intelligenz-Forscher waren noch in den 1960er Jahren der Ansicht, das Gehirn funktioniere wie eine Maschine. Es sei voller abstrakter Regeln, die mit Daten aus der Umwelt aufgefüttert und dann ein Ergebnis ausspucken würden. Folglich müsse man nur einen Computer genau genug programmieren, damit er so intelligent wie ein Mensch sei, fühlen und Entscheidungen treffen könne.

Aus heutiger Sicht fehlt der alten Vorstellung der Körper. Intelligenz und Denken sei ohne Körper nicht vorstellbar, ist Rolf Pfeifer, Professor für Informatik an der Universität Zürich, sich sicher. In seinen Räumen tummeln sich laufende und schwimmende Kreaturen aus Plastik, Metall, Motoren und Sensoren: Stumpy, Wanda und Puppy etwa heißen ein Tanzroboter, ein Roboterfisch und ein Hündchen aus Blech. Pfeifer untersucht mit diesen selbst entwickelten Billigst-Robotern, wie der Körper das Denken beeinflusst. "Das Gehirn und das Nervensystem sind immer Teil eines biologischen Organismus, der mit der Umwelt interagieren, in ihr überleben und sich reproduzieren muss", sagte er jüngst in einem Interview mit dem ORF. Im Schach schlagen können Computer uns nur, weil das Spiel eine kontrollierte Umgebung ist, deren gesamte Information bis ins letzte Detail programmiert werden kann. Auch Internet-Suchmaschinen folgen diesem Prinzip. Natürliche Intelligenz ist jedoch etwas völlig Anderes, ist Pfeifer überzeugt.

Unvollständiger Denkapparat

Menschen passen sich an eine sich schnell verändernde Umwelt reibungslos an. Selbst im Chaos können sie Ziele verfolgen. Statt aus einer Ansammlung von logischen Regeln entstehen menschliche und tierische Intelligenz aus dem Tun, und ohne Körper gibt es keine Handlung. Körperliche Erfahrungen tragen auch zur Konstruktion der sozialen Wirklichkeit bei, etwa wenn Mimik Gefühle ausdrückt: Wenn wir traurig sind, senken wir den Kopf.

In der Artificial Intelligence geht es nicht mehr um die Nachbildung menschlichen Denkens, sondern um Fertigkeiten wie Gehen, Greifen oder Fühlen. Das Ziel, echte umfassende menschliche Intelligenz künstlich zu erschaffen, rückt in die Ferne. Denn solange wir das Gehirn nur zum Teil verstehen, wäre dessen Nachbildung zum Scheitern verurteilt: "Man muss sich fragen, ob man so ein universelles Ding reproduzieren soll, das dann alles nicht so gut können wird wie der Mensch", warnt Pfeifer. Die Umsetzung der Vision könnte somit noch eine Weile dauern.