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Weltmacht und Weltklasse

Von Heiner Boberski

Wissen

Unterwegs zur absolut abhörsicheren interkontinentalen Datenübertragung.


Wien. Österreich und China verstärken ihre wissenschaftliche Kooperation. Mit der am Freitag eröffneten Bodenstation "Vienna Quantum Space Text Link" wurde ein Meilenstein für gemeinsame quantenphysikalische Experimente im Weltall gesetzt. Mithilfe dieser Station auf dem Dach des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in der Wiener Boltzmanngasse sollen die dafür nötigen Technologien und Infrastrukturen entwickelt werden.

In Österreich leitet der Physiker Anton Zeilinger das Projekt, in China Jian Wei Pan, der in den 1990er Jahren Dissertant von Zeilinger in Innsbruck und später dessen Mitarbeiter in Wien war. Innerhalb von fünf Jahren soll im Rahmen des gemeinsamen Projekts Quess (Quantum Experiments on Space Scale) ein chinesischer Satellit ins All geschossen werden und die Realisierung des wissenschaftlichen Ziels ermöglichen: interkontinental zwischen zwei erdbasierten Stationen einen absolut sicheren quantenkryptographischen Schlüssel zu erzeugen. Zunächst wird dabei ein Schlüssel zwischen einer Bodenstation A und einem Satelliten hergestellt, dann ein weiterer Schlüssel zwischen dem Satelliten und einer Bodenstation B ausgetauscht. Der Satellit verknüpft die beiden Schlüssel und sendet das Resultat an die beiden Bodenstationen, woraus jede Station den Schlüssel der jeweils anderen ermitteln kann.

Das Projekt beruht auf dem quantenphysikalischen Phänomen von verschränkt präparierten Lichtteilchen. Sie bleiben theoretisch über beliebig große Distanzen wie durch Zauberhand verbunden, "spukhafte Fernwirkung" hat das Albert Einstein einmal genannt. Wird der Zustand des einen der beiden Photonen gemessen, ist sofort auch der Zustand des anderen erkennbar.

In Glasfasern ist die abhörsichere Datenübertragung aus technischen Gründen nur über relativ kurze Distanzen möglich, von Bodenstation zu Bodenstation funktionierte es auf den Kanarischen Inseln immerhin schon über 144 Kilometer, aber interkontinental ist es nur über Satelliten möglich.

Die Wiener Bodenstation sendet Photonen in Richtung Kahlenberg, Wilhelminenberg und Anninger, dort werden sie von Spiegeln reflektiert und in der Bodenstation von einem kleinen Teleskop wieder registriert. Aus Sicht von Zeilinger ist dies, weil relativ dichte Luftschichten zu durchdringen sind, mehr Herausforderung als die Verbindung mit einem in 400 Kilometer Distanz kreisenden Satelliten, wo sich nur wenige Kilometer Atmosphäre störend auswirken. "Wenn es hier funktioniert, wird es am Satelliten auch funktionieren", meint er.

Globaler Wettbewerb

Bei den Bodenstationen in China und den von Österreich koordinierten in Europa sollen möglichst wenige Wolken die Kommunikation beeinträchtigen. Geplant sind Stationen am ÖAW-Observatorium Lustbühel in Graz sowie auf der griechischen Insel Kephalonia, auf dem italienischen Festland und auf der Insel Sardinien sowie auf der zu Spanien gehörigen Kanareninsel Teneriffa.

Dass die Weltmacht China hier eine bereits 2011 unterzeichnete Vereinbarung mit Österreich eingegangen ist, beruht darauf, dass Österreich auf dem Gebiet der Quantenphysik "Weltklasse" ist, wie bei der Eröffnung unisono Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, Uni-Wien-Rektor Heinz Engl und ÖAW-Präsident Helmut Denk, dessen Amt Anton Zeilinger am 1. Juli übernehmen wird, versicherten. Zeilinger sieht das chinesisch-österreichische Projekt im Wettbewerb mit ähnlichen Vorhaben in Kanada, Singapur und Japan sowie - inoffiziell - auch in den USA.