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Kometen brachten das Wasser nicht

Von Eva Stanzl

Wissen

Untersuchungen der Raumsonde Rosetta zeigen, dass das Wasser auf Komet Tschuri schwerer ist als jenes auf der Erde. Forscher gehen nun davon aus, dass unser H2O von Asteroiden kommt oder im Erdinneren lagert.


Bern/Wien. Seit Jahrtausenden sind Kometenschweife Blickfänge am Nachthimmel. Für Wissenschafter sind ihre Kerne wie Zeitkapseln. Denn die Brocken aus Gestein, Eis und Staub enthalten Material, das sich seit den Anfängen des Sonnensystems kaum verändert hat. Eine genaue Kenntnis der Zusammensetzung dieser Himmelskörper könnte unser Bild seiner Geschichte vervollständigen. Viele Forscher gehen davon aus, dass ein schweres Bombardement  800 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren das Wasser zur Erde gebracht haben könnte. Die Frage ist nur, waren es Kometen oder etwas anderes?

Es ist nicht einfach, ein derartiges Objekt im Detail zu analysieren. Zehn Jahre war die europäische Raumsonde Rosetta unterwegs, bevor sie im August den Kometen 67P-Tschurjumow-Gerasimenko erreichte, dem sie nun auf seinem Weg zur Sonne folgt.

Wasserstoff im Gas

Seit der Annäherung der Sonde an Tschuri, wie der Himmelskörper genannt wird, analysiert das von Schweizer Forschern entwickelte Instrument "Rosina" (Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis) die vom Kometen abgegebenen Gase. Eines der ersten Ergebnisse des Geräts war, dass der Komet nach Stall und faulen Eiern riecht. Nun interessieren sich die Forscher um die Physikerin Katrin Altwegg von der Universität Bern für das Wasser in "Tschuris" Ausdünstungen. Mit spektakulären Ergebnissen wartet das Team im Fachmagazin "Science" auf.

Wie sich zeigt, brachten Kometen das Wasser nämlich nicht zur Erde. Nach den neuen Erkenntnissen ist es wahrscheinlicher, dass es von Asteroiden stammt, die näher an der Erdumlaufbahn sind. Ein anderer Teil des Wassers könnte aus den Anfängen der Erde selbst stammen, gespeichert als Kristallwasser in Mineralien und auch an den Polen, so die Forscher.

Das Instrument "Rosina" wurde zum Teil in Wien konstruiert und besteht aus einem DFMS (Double Focusing Mass Spectrometer) und dem Flugzeit-Massenspektrometer RTOF. Damit lassen sich die Zusammensetzung der kaum vorhandenen Kometenatmosphäre und die Wechselwirkungen der Teilchen analysieren. Zusätzlich kann "Rosina" die Geschwindigkeit und Temperatur austretender Gase bestimmen. "DFMS fokussiert auf Details in einer Masse. Es saugt austretende Gase an und trennt verschiedene Arten von Molekülen. So können wir alle Isotopen-Verhältnisse von Wasser unabhängig voneinander messen", sagt Altwegg, Projektleiterin für "Rosina", zur "Wiener Zeitung".

Zur Erklärung: Die Isotope eines Elements verhalten sich chemisch nahezu identisch. Jedoch enthalten ihre Atomkerne gleich viele Protonen, aber verschieden viele Neutronen. Somit stellen sie zwar das gleiche Element dar, besitzen aber eine andere Masse.

Der Schlüssel zur Herkunft des Wassers sind verschieden schwere Wasserstoff-Atome. Die meisten Wassermoleküle enthalten eine leichte Variante von Wasserstoff, andere eine schwere, Deuterium genannt. Ihr Verhältnis ist je nach Herkunft des Wassers unterschiedlich. Das Wasserstoff-Isotop Deuterium hat die doppelte Masse von normalem Wasserstoff und genau das findet sich im Wasser von 67P-Tschurjumow-Gerassimenko.

"Schweres Wasser ist für die gemessenen Moleküle charakteristisch - normales Wasser wie jenes auf der Erde nicht", betont Altwegg. Somit hätten Kometen von der Herkunft 67P-Tschurjumow-Gerasimenkos uns das Wasser nicht gebracht. "Diese Himmelskörper wurden vermutlich über ausgedehntere Regionen gebildet als angenommen, was zu verschiedenen Isotopenverhältnissen im Wasser führte."

Tschuris Laufbahn verrät Astronomen, dass er aus dem Kuipergürtel stammt. Die ringförmige Region, die sich außerhalb der Neptunbahn erstreckt und 70.000 Objekte mit mehr als 100 Kilometer Durchmesser und viele kleine Himmelskörper, gilt als Entstehungsort für Kometen. Weiter außen, am Rande des Sonnensystems, befindet sich die Oortsche Wolke. Einer Theorie zufolge könnten auch aus dieser Ansammlung astronomischer Objekte durch den Einfluss von Gravitationsfeldern Kometenkerne ins innere Sonnensystem geraten.

Altwegg und ihr Vorgänger in Bern, Hans Balsiger, stellten allerdings bei Messungen des aus der Oortschen Wolke stammenden Halley-Kometen vor rund 30 Jahren fest, dass dessen Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff deutlich über dem der Erde liegt. Die Kometen-Theorie für das Wasser auf der Erde verlor Anhänger. Einige Forscher holten sie aber wieder aus der Mottenkiste, als 2011 Messungen des Kometen 103P/Hartley2 aus dem Kuipergürtel ein der Erde sehr ähnliches Verhältnis von schwerem zu leichtem Wasserstoff aufzeigten.

Entstehung von Leben

"Bisher wurden 13 Kometen gemessen. Nur ein einziger hat irdisches Wasser", betont Altwegg, deren Ton eine gewisse Genugtuung verrät: "Auf allen anderen Kometen ist das Wasser doppelt bis dreifach so schwer wie auf der Erde. Um aber so viel Wasser, wie wir haben, zu bekommen, würden wir zehn Millionen Kometen benötigen." Für die Erde heiße das, dass das Wasser vermutlich von Asteroiden kommt.

Die Rosetta-Sonde hat bereits 6,5 Milliarden Kilometer im All zurückgelegt. Sie wird den Kometen Tschuri bis August 2015 begleiten, wenn er seine sonnennächste Position erreicht. Die Berner Forscher wollen nun Spuren von organischem Material untersuchen, um herauszufinden, ob Kometen die Entstehung von Leben beschleunigt haben.