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Smart in der Dritten Welt

Von Gregor Kucera

Wissen

Mobiltelefon-Hersteller rittern um vielversprechende Märkte. Ein schweres Unterfangen, denn die Kunden achten besonders auf den Preis.


Barcelona. Die beste Kamera, der schnellste Prozessor, das größte Display oder die meisten technischen Innovationen - jahrzehntelang stand die technologische Gigantomanie im Mittelpunkt der Überlegungen der Smartphone-Hersteller. Die Märkte und Kunden in den USA, Japan, Südkorea und Europa gierten förmlich danach. Doch diese Märkte sind gesättigt und so müssen die Anbieter umdenken.

Afrika, Indonesien, Indien und auch China sind jene Zielgebiete, auf denen nun der Fokus der großen Hersteller liegt. Doch erweist sich der Schritt als schwerer als gedacht: Zum einen versuchen neue Mitbewerber ebenfalls Fuß zu fassen, zum anderen spielt die Mischung aus Preis und Leistung eine deutlich größere Rolle als die technischen Bestleistungen.

Ein Handy für alles

Im Vergleich zu den bereits gut versorgten Handy-Nationen gibt es in den Hoffnungsmärkten bei den Kundenanforderungen einige zentrale Unterschiede. So gibt es in Afrika Bereiche und Anwendungen, die wesentlich stärker ausgeprägt sind als etwa in Europa - und daher besonders nachgefragt werden. Ein Beispiel wäre hier etwa das Handy-Banking. Transaktionen mit dem Mobiltelefon stellen in vielen Gebieten Afrikas die einzige Möglichkeit einer sicheren und einfachen Bezahlung dar. Und dies nicht nur bei großen Beträgen, sondern auch im Kleinen. Etwa auf Märkten oder bei Überweisungen. Und was nutzen die grafisch opulenten Spiele-Apps, wenn der Akku nach ein paar Stunden den Geist aufgibt, wenn ich mitten im Nirgendwo Handel betreiben will? Das Mobiltelefon ersetzt vielfach PC, Notebook und Kamera, ist Handelsplattform und einzige Kontaktmöglichkeit für Familien und Unternehmen.

In China wiederum lässt sich eine viel deutlichere Kosten-Nutzen-Rechnung der Konsumenten beobachten: Warum sollte man sich ein wesentlich teureres Mobiltelefon leisten, das am Ende des Tages nur geringfügig mehr kann als der Vorgänger? Ob 13- oder 9-Megapixel-Kamera mag für den mobilen Großstadtnomaden in Europa eine Rolle spielen, nicht aber für den breiten chinesischen Mittelstand. Vor allem wenn die Unterschiede ohnehin kaum sichtbar sind. Genau diesen Spagat aus leistbarer Technologie und Alltagsnutzen verstehen lokale Anbieter deutlich besser in den Vordergrund zu stellen als deren ausländische Mitbewerber. In China schafft es etwa der Hersteller Xiaomi nach Berechnungen von Marktforschern immer wieder an die Spitze beim Smartphone-Absatz. "Und sie verkaufen ganz bestimmt nicht mit Verlust", betont Gartner-Analyst Anshul Gupta.

Der Smartphone-Boom in Schwellenländern zementiert auch die Dominanz des Google-Betriebssystems Android. Der Anteil an den weltweiten Verkäufen liegt stabil bei 80 Prozent. Und daran dürfte sich so schnell nichts ändern. Dadurch ist auch erklärbar, warum es in diesen Märkten abgespeckte Versionen bekannter Smartphones gibt und diese auch wesentlich stärkere Verbreitung aufweisen. Apple füllt mit der iOS-Plattform seiner iPhones fast den Rest des Marktes aus. Konzernchef Tim Cook lehnt es aber ab, mit günstigen Geräten Marktanteilen nachzujagen und wartet lieber, bis sich mehr Menschen iPhones leisten können. In China ist diese Rechnung aufgegangen - und dürfte auch in Entwicklungsländern funktionieren, sagt Gupta. "Aber Apple wird sich lange gedulden müssen."

Das 5-Dollar-Smartphone

Ein heiß umkämpfter Markt ist derzeit auch Indien. Hier sorgte vor wenigen Tagen die Ankündigung eines 5-Dollar-Smartphones für internationale Aufmerksamkeit. Die junge indische Firma Ringing Bells warb in Zeitungen für das Android-Handy, ausgestattet mit einem vier Zoll großen Display und zwei Kameras. Mehrere Initiativen der indischen Regierung wie "Make in India" und "Digital India" unterstützen die Markteinführung. Wie hoch die Zuschüsse sind, ist jedoch unklar. Für die etablierten Hersteller wird der Markteintritt schwer.