
Innsbruck. (est) Es ist ein bisschen wie in einem Tiergarten, hervorgezaubert im Mini-Format: Wissenschafter simulieren Elementarteilchen, um ihr Verhalten exemplarisch zu beobachten. Erstmals ist dies in einem Quantencomputer gelungen. Die Forscher wollen damit die Physik besser verstehen.
Zum Hintergrund: Elementarteilchen sind die Grundbausteine der Materie. Ihre Eigenschaften sind im Standardmodell der Physik beschrieben. Ein wichtiger Schritt zur Bestätigung dieser Theorie gelang mit dem Nachweis des Higgs-Boson, das der Materie Masse verleiht, im Jahr 2012 im Teilchenbeschleuniger LHC am Kernforschungszentrum Cern in Genf.
Andere Phänomene im Standardmodell sind jedoch so komplex, dass sie mit herkömmlichen Computern nur bedingt berechnet und in Beschleunigern kaum erzeugt werden können. "Deshalb existiert seit mehreren Jahren die Idee, solche Phänomene auf einem Quantensimulator zu simulieren, da hat sich ein eigenes kleines Wissenschaftsfeld gebildet", erklärt die theoretische Physikerin Christine Muschik im Interview mit der "Austria Presse Agentur". Österreichische Physiker konnten diese Idee nun erstmals umsetzen.
Die Forscher der Universität Innsbruck und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften haben Phänomene der Teilchenphysik auf einem Quantencomputer modelliert. Konkret konnten sie die spontane Entstehung von Teilchenpaaren simulieren, berichten die Physiker im Fachmagazin "Nature".
Zur Erklärung: Im Vakuum gibt es keine Teilchen. Dennoch kann die Energie des leeren Raums nicht null sein: Sogenannte Quantenfluktuationen sind Teilchen-Antiteilchen-Paare, die im Vakuum entstehen und dann gleich wieder zerfallen, was zu Energieschwankungen führt. Um diese dynamischen Prozesse abzubilden, nutzte das Team um Rainer Blatt und Peter Zoller den in Innsbruck bereits vorhandenen Quantencomputer.
Der Quantencomputer macht sich die Phänomene der Quantenphysik zunutze, um bestimmte Probleme schneller zu lösen als klassische Computer es können. Die kleinste Informationseinheit ist dabei nicht mehr das Bit, das nur zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) kennt, sondern das Quantenbit (Qubit). Es kann verschiedene Schwebezustände zwischen zwei Möglichkeiten einnehmen. Blatt und seine Kollegen erschaffen "ihre" Qubits mit in speziellen Fallen gespeicherten Ionen. Sie können mit bis zu 14 verschränkten Ionen - und damit ebenso vielen Qubits - rechnen. Für die Simulation der spontanen Entstehung von Elementarteilchen-Paaren benötigen die Physiker allerdings nur vier Ionen. Je zwei Ionen repräsentieren ein Teilchen-Antiteilchen-Paar - also ein Elektron und ein Positron.
Zunächst mussten die Forscher das Quantensystem lehren, den Naturgesetzen zu gehorchen. Mit Laserpulsen simulierten sie dann ein elektromagnetisches Feld im Vakuum. Anschließend konnten sie beobachten, wie aus der Energie des Feldes durch Quantenfluktuationen Teilchenpaare entstanden, die sich selbst sogleich wieder vernichteten. Aufblinkende und verlöschende Ionen machten den Prozess sichtbar.
Die Innsbrucker Physiker sehen ihr Experiment als "Brücke zwischen zwei Teilgebieten der Physik": Probleme der Hochenergiephysik würden dabei mit Methoden der Atomphysik studiert. Laut Peter Zoller "ergänzen einander diese beiden Zugänge perfekt". Zwar könnten Quantensimulatoren Experimente in Teilchenbeschleunigern nicht ersetzen, aber man könnte diese Experimente damit besser verstehen. Die Forscher konnten auch die Verschränkung zwischen den beiden entstehenden Teilchen untersuchen, was in einem Teilchenbeschleuniger nicht möglich ist. Kompliziertere Modelle sollen folgen.