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Zika-Forschung mit Präzision

Von Alexandra Grass

Wissen
Der Weg zum Impfstoff ist ein aufwendiges Verfahren.
© Valneva

Der Wiener Standort des Impfstoffherstellers Valneva widmet sich dem Zika-Virus. Ein Blick hinter die Kulissen.


Wien. Nur durch eine Schleuse mit Zugangsberechtigung und mit entsprechender Schutzbekleidung darf jener Raum im dritten Stock der österreichischen Niederlassung des Impfstoffherstellers Valneva am Campus Vienna Biocenter betreten werden, in dem mit dem Zika-Virus hantiert wird. Dort werden auf zuvor kultiviertem Virussubstrat (Vero-Zellen) die aktiven Erreger aufgetragen, um sie im weiteren Arbeitsverlauf mit einigen Reinigungs- und Filterprozessen zu einem inaktiven Rohimpfstoff verarbeiten zu können.

Am Ende des Tages halten die Forscher einen hochreinen Impfstoff in der Hand, der das Potenzial besitzt, vor Zika zu schützen. Die mehrfachen Tests an Mäusen würden zeigen, dass die Tiere im Blut die dafür nötigen Antikörper in ausreichender Menge bilden und bei Kontakt mit dem Erreger das Virus auslöschen können, schildert Valneva-Forscher Mario Nebenführ bei einem Laborrundgang mit der "Wiener Zeitung".

Risiko- versus massentauglich

Was sich recht einfach anhört, ist ein technisch und wissenschaftlich hoch ausgereifter Prozess, der aus der Produktion des bereits erfolgreich gegen die Japanische Enzephalitis eingesetzten Impfstoffes Ixiaro des Unternehmens übernommen werden konnte. Bei beiden Erregergruppen handelt es sich um sogenannte Flaviviren, wobei Zika und die Japanische Enzephalitis zusätzlich noch der ähnliche Übertragungsweg eint - beide werden nämlich über Moskitos weitergegeben.

Zugute kam dem Unternehmen hinsichtlich der Entwicklungen rund um Zika auch die Produktprofilvorgabe der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wie Geschäftsführer Thomas Lingelbach im Gespräch erläuterte. Denn anvisiert werden grundsätzlich zwei Einsatzgebiete. Erstens gehe es um den Schutz der durch Zika am meisten Gefährdeten, nämlich Schwangeren und Frauen, die in absehbarer Zeit eine Schwangerschaft beabsichtigen. Inzwischen gilt es ja als erwiesen, dass das Virus bei einer Infektion von Schwangeren zu schweren Schädelfehlbildungen der Kinder führen und weitere neurologische Schäden auslösen kann. Zweitens soll, so die Vorgabe der WHO, parallel an einem Massenimpfstoff geforscht werden.

Die Konzentration Valnevas liegt in ersterem Weg, der "exakt das Profil unseres Ixiaros" darstelle. Das Resultat ist demnach eine hochreine inaktivierte Vakzine, die allerdings bei Einmalgabe vermutlich den Nachteil einer geringeren Schutzdauer mit sich trägt und daher vorwiegend für die Notfallsituation geeignet sei. Für eine längere Wirkung müsste, so wie etwa bei der FSME-Impfung, eine regelmäßige Auffrischung stattfinden. Ein Lebendimpfstoff hingegen mit funktionsfähigen Erregern würde einen viel längeren - mitunter sogar lebenslangen - Schutz bieten, bei geringeren Gesamtkosten, erklärte Lingelbach.

Sechs Monate Anlaufzeit

Die Kosten sind es auch, die Valneva nun vor eine weitreichende Entscheidung stellen, wenn es um den weiteren Weg des Impfstoffes geht. Die Forscher wissen jetzt, dass dieser in der Maus eine wirksame Immunantwort auslöst. Der nächste Schritt würde über klinische Studien am Menschen mit einem extrem hohen Kostenaufwand führen. Das Problem dabei: Valneva steht praktisch allein auf weiter Flur. Während nämlich Konkurrenzunternehmen in den USA mit Zuwendungen und Zuschüssen - sowohl von öffentlicher als auch privater Seite - überhäuft und klinische Tests bereits heuer begonnen würden, müsse sein Unternehmen die Kosten alleine stemmen, betonte der Geschäftsführer.

Weltweit würden derzeit nur drei bis vier Hersteller mit ihren Forschungen gleichauf liegen. Valneva sei aber das einzige Unternehmen, das den Fortschritt auf Basis einer Plattform geschafft habe, "die bereits als validiert betrachtet wird". Die Entscheidung falle dennoch schwer, "ob wir weiter in die Zika-klinische Entwicklung investieren sollen - wissend, dass unter Umständen ein anderes Produktprofil später für die Routineimpfung gewählt wird", betonte Lingelbach.

Der Weg zum fertigen Impfstoff war übrigens ein ungewöhnlich schneller. Erst am 2. Februar dieses Jahres hatte das Unternehmen den Start seiner Forschungsarbeit an Zika bekannt gegeben. Schon am 7. Juli war die erfolgreiche Generierung der Vakzine bekannt gegeben worden. In den nächsten Monaten könnte - die behördlichen Genehmigungen vorausgesetzt - mit den Vorbereitungen für die klinischen Tests gestartet werden. Ginge es dabei nicht um das nötige Kleingeld. Das könnte aber vielleicht doch noch aus den USA kommen. Zumindest hat Valneva in einer konzertierten Aktion Institutionen und Behörden in den von Zika betroffenen Ländern - also Nord- und Südamerika - ihren Kandidaten angeboten und um Unterstützung gebeten. Ein entsprechendes Feedback wird für September oder Oktober erwartet, dann soll auch endgültig die Entscheidung über die mögliche Fortführung des Prozesses am Wiener Standort fallen.

In den USA ist das in Wien börsennotierte Biotechunternehmen nicht unbekannt. Erst im März kam ein Deal über 42 Millionen Dollar mit der US-Regierung zustande. Geliefert wird Ixiaro, Abnehmer ist das US-Verteidigungsministerium. Im Juli hat die Europäische Investitionsbank einen Kreditrahmen über 25 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt. Damit soll die Impfstoffentwicklung im Allgemeinen forciert werden.

Borreliose in der Pipeline

In der Pipeline des Unternehmens steckt nämlich noch ein weiterer, wohl vielversprechender Impfstoffkandidat - gegen die Lymeborreliose. Während Europa vom Zika-Virus bisher nur tangiert wurde und derzeit die Sorge davor wohl wesentlich größer zu sein scheint als die tatsächliche Bedrohungslage, sind die durch Zecken übertragenen Borrelien Dauergäste nicht nur in Österreich. Jede vierte Zecke ist Träger dieser Erreger, die viele unterschiedliche Infektionsverläufe hervorrufen können. Einen Schutz davor gibt es bis heute nicht. Mit Jahreswechsel soll ein möglicher Impfstoffkandidat in die erste Phase der klinischen Untersuchung eintreten.