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Höllenritt der kleinen Mars-Sonde

Von Eva Stanzl

Wissen

Sechs Minuten extreme Anspannung: erste Landung von ESA und Roskosmos auf dem Mars, Warten auf Signal des Moduls.


Moskau/Darmstadt. Sieben Monate dauerte die Reise, nun aber entschieden sechs Minuten: Vor allem in Europa und Russland fieberten am Mittwoch Raumfahrtexperten der ersten Landung einer Sonde auf dem Mars entgegen. Johann-Dietrich Wörner, Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA, fand dramatische Worte: "Es sind sechs Minuten des Terrors." Etwas zurückhaltender, jedoch gleichermaßen emotional, drückte sich Michel Denis, Flugdirektor von Exomars, aus: "Es ist spannend und aufregend, ich arbeite schon viele Jahre an der Mission. Eine erfolgreiche Landung würde mir viel bedeuten."

121 Kilometer über der Marsoberfläche sollte die 600 Kilo schwere Sonde "Schiaparelli" in die Atmosphäre des Roten Planeten eintreten und dann von 21.000 auf zehn Stundenkilometer abgebremst werden. Plangemäß sollte der Lander dann am späten Mittwochnachmittag um 16.48 Uhr auf der Oberfläche aufsetzen.

Vor Redaktionschluss konnte die ESA allerdings nicht bestätigen, das die Landung geglückt sei. Bei dem Manöver habe es möglicherweise sogar Probleme gegeben, sagte Andrea Accomazzo,einer der Leiter der Mission. Nachdem der Apparat die minimale Höhe über der Mars-Oberfläche erreicht habe, sei die Verbindung abgebrochen, was von Problemen bei der Landung zeugen könne. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag soll es Klarheit geben.

Unterdessen erhielt die ESA um 18:37 Uhr ein klares Signal, dass die Muttersonde Trace Gas Orbiter (TGO) sich in einen Orbit um den Mars abbremsen konnte, womit sie ihren Teil der Forschungsmission erfüllen können werde. TGO soll bis 2022 um den Mars kreisen und nach Methan in der Atmosphäre suchen. Spuren des Gases könnten ein Hinweis auf biologische Aktivität sein.

Bisher ist es nur den USA gelungen, funktionierende Forschungsrover auf dem Mars zu platzieren. Das europäisch-russische Landemanöver zählte zu den schwierigsten überhaupt. Denn die Funksignale brauchen knappe zehn Minuten, um die Erde zu erreichen. Somit konnten die Experten im ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt keinen Einfluss auf die Abläufe der Landung nehmen im Fall, dass etwas schief geht. Während der letzten sechs Minuten ihrer Reise war die Sonde ganz auf sich gestellt - alles musste automatisch ablaufen. Ihr Radarsystem war darauf programmiert, laufend den Abstand zur Oberfläche zu messen, als Signal zur Einleitung der einzelnen Lande-Etappen (siehe Grafik).

Technologie aus Österreich

"Schiaparelli" ist Teil des europäisch-russischen Exomars-Projekts, dessen Ziel es ist, Spuren von existierendem oder vergangenem Leben auf dem rätselhaften Nachbarplaneten der Erde zu suchen. Das Testmodul war am 14. März an Bord von TGO vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gestartet. Nach einer 500 Millionen Kilometer langen Reise hatte das Forschungsraumschiff in eine Umlaufbahn des Mars eingeschwenkt und die Landekapsel am 16. Oktober entkoppelt. Danach bewegte sich "Schiaparelli" unkontrolliert, jedoch exakt berechnet, auf den Mars zu. Am Mittwoch um 15.37 Uhr, also 75 Minuten vor Beginn des Landemanövers, weckte sich die kleine Sonde selbst aus einem "künstlichen Tiefschlaf", um sich ihrem Höllenritt zu stellen.

,Schiaparelli muss zunächst die Mars-Atmosphäre durchdringen. Ein Hitzeschild schützt sie davor, zu verglühen. Der Schild wird abgesprengt, sobald er seine Aufgabe erfüllt hat. Dann öffnet sich ein Fallschirm, damit der Lander zur Oberfläche hinuntersegelt", erklärte ESA-Chef Wörner im Vorfeld des Manövers: "Zu einem gewissen Zeitpunkt trennt sich auch der Fallschirm ab. Dann bremsen Triebwerke die Sonde noch weiter ab, damit sie sanft auf dem Boden aufkommt." So ist es von den Ingenieuren programmiert.

Wenn sich allerdings der Hitzeschild nicht öffnet, oder die Sonde im falschen Winkel in die Mars-Atmosphäre eintritt, ist es mit dem Verglühen bitterer Ernst. Öffnet sich der Fallschirm nicht, saust "Schiaparelli" in voller Geschwindigkeit auf den Boden zu. Etwas Ähnliches droht, wenn die Brems-Triebwerke nicht zünden: Der Lander zerschellt.

Wenn hingegen alles gut geht, kommt "Schiaparelli" in einer 100 Kilometer langen und 15 Kilometer breiten Ebene namens Meridiani Planum nahe dem Mars-Äquator auf. Die Forscher kennen die Region von Bildern des Nasa-Rovers "Opportunity". Auch das ESA-Raumschiff "Mars Express" kreist seit 2003 über dem Gebiet.

Die Sonde, benannt nach dem italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli (1835-1910), hat eine geplante Einsatzzeit von wenigen Tagen. Sie ist kein hochgerüsteter Rover, sondern ein Testmodul. Es soll Technologien ausprobieren, die für die spätere Landung eines ersten europäischen Rovers benötigt werden. Diesen will die ESA in vier Jahren auf dem Roten Planeten absetzen. Er soll mit einem zwei Meter langen Bohrer in die Tiefen des Marsgesteins eindringen, um nach Hinweisen auf organisches Leben zu suchen. Der erste derartige Versuch der ESA mit dem Mini-Landegerät "Beagle 2" war vor 13 Jahren missglückt.

Auch bei Exomars ist österreichische Technologie mit an Bord. Die Wiener Firma RUAG Space hat die Thermalisolierung für die Muttersonde, Oberflächenreflektoren und Teile des Steuerungssystems gebaut. Siemens entwickelte Geräte zur der Satellitensignal-Überwachung schützt.