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Ist Forschung an Stammzellen o.k.?

Von Cathren Landsgesell

Wissen
Herlinde Pauer-Studer und Jürgen Knoblich.
© Simon Rainsborough

Bei den 4. "Future Ethics" diskutierten die Philosophin Herlinde Pauer-Studer und der Molekularbiologe Jürgen Knoblich.


Wien. Nachdenklichkeit statt Konfrontation: Zu einer erhitzten Debatte kam es bei den 4. "Future Ethics", einer gemeinsamen Veranstaltung von Diakonie Österreich und "Wiener Zeitung", am Dienstagabend nicht. Bei der Diskussion zum Thema Stammzellenforschung im Albert-Schweitzer-Haus in Wien schlugen die Moralphilosophin Herlinde Pauer-Studer von der Universität Wien und der Molekularbiologe Jürgen Knoblich ebenso wie das Publikum nachdenkliche Töne an.

Ob die Verwendung von menschlichen embryonalen Stammzellen in Forschung und Therapie ethisch gerechtfertigt ist oder nicht, stellte sich als komplexe Frage heraus. Vielleicht lag es daran, dass Herlinde Pauer-Studer gleich zu Beginn der Diskussion die Latte hoch legte: "Das Argument, die Embryonen würden ja nicht zu Forschungszwecken erzeugt, zieht hier ebenso wenig wie das Argument, die Forschung stifte einen potenziellen therapeutischen Nutzen", sagte die Philosophin. "Es geht viel grundsätzlicher um den Status des Embryos."

Die Forschung

Stammzellen haben besondere Fähigkeiten: Wenn sie sich teilen, können sie spezialisierte Zellen bilden, wie etwa Hautzellen oder neuronale Zellen im Gehirn. Und sie bilden bei ihrer Ausdifferenzierung auch neue Stammzellen, aus denen wiederum spezialisierte Körperzellen gebildet werden können. Embryonale Stammzellen sind in der Lage, jede Körperzelle zu bilden. Nach der embryonalen Phase ist das nicht mehr möglich.

Adulte Stammzellen sind auf bestimmte spezialisierte Zellen festgelegt. Embryonale Stammzellen sind daher für die Forschung besonders attraktiv: Aus ihnen kann man - in der Theorie - ganze Organe wiederherstellen, man kann Medikamente testen, Grundlagenforschung in vielen medizinischen Bereichen betreiben und vieles mehr. Als Alternative zu den embryonalen Stammzellen gibt es seit einigen Jahren auch sogenannte pluripotente adulte Stammzellen, die allerdings aus therapeutischer Perspektive nicht gleichwertig sind. Sie können nicht für Therapien eingesetzt werden, da sie mitunter alt sind oder mit Viren verunreinigt sein können.

Einige Wissenschafter sehen daher Länder, die Therapien mit embryonalen Stammzellen nicht zulassen, im Nachteil gegenüber Ländern, die das tun, wie etwa Großbritannien oder Norwegen. "Die ersten Stammzelltherapien werden daher aus den skandinavischen Ländern kommen", so Knoblich.

Er forscht am Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) in Wien selbst mit Stammzellen im Bereich der Neurologie. Er stellt mit ihrer Hilfe die Gehirnentwicklung eines etwa drei Monate alten Embryos nach. Gerade im Bereich der neurologischen Forschung sei Stammzellenforschung unerlässlich sagt er. Die Zellkulturen können neurologische Tierversuche mit Katzen oder Schimpansen ersetzen; helfen, Medikamente viel gezielter zu entwickeln; zu einer höheren Erfolgsquote von klinischen Studien beitragen und damit die Entwicklungszeiten von Medikamenten verkürzen. Für ihn stellt sich die Frage nach einem möglichen Verzicht auf die Forschung nicht. Wohl aber nach ethischen Regeln. "Ich sehe das pragmatisch", so Knoblich.

Das Recht

Mit der Frage nach dem Status des Embryos müssen sich Forscher in Österreich nicht auseinandersetzen, wenn sie nicht wollen. Die Forschung an importierten embryonalen Stammzellen ist hierzulande nämlich ohne Einschränkung erlaubt. Die Stammzellen stammen aus "überzähligen" Embryonen aus der In-vitro-Fertilisation. Dabei werden in der Regel mehr Eizellen befruchtet als letztlich eingesetzt.

Für Knoblich ergeben sich daraus keine ethischen Fragen, denn "diese Embryonen würde man andernfalls entsorgen". Ein Argument, das Herlinde Pauer-Studer dem Utilitarismus zuordnete. "Damit kommt man nicht weit" erklärte sie. Auch mögliche Therapien könnten die Forschung nicht letztgültig rechtfertigen.

"Sie brauchen statt dessen eine deontologische Ethik", sagte die Philosophin. "Das heißt, eine Ethik, die die gesellschaftlichen Prinzipien, auf die man sich im Konsens geeinigt hat, widerspiegelt." Ein solches Prinzip könnte etwa "Menschenwürde" oder "personales Recht" sein, das man dem Embryo zuspräche. Die Gesellschaft müsse einen Konsens finden für dieses Grundprinzip, das im Hinblick auf den Status des Embryos gelten soll.

Ob die gemeinsame ethische Basis in einer pluralistischen Gesellschaft so leicht zu finden ist, bezweifelte das Publikum, das hoffnungsvoll war in Bezug auf mögliche Therapien. Die gemeinsame Basis zu finden, bleibt die Aufgabe einer zukünftigen Ethik.