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Doppelter Katalysator

Von Roland Knauer

Wissen
Biotreibstoff wird derzeit noch dazugemischt.
© Fotolia/nexusseven

Aus Pflanzenöl stellt ein neues Verfahren Biodiesel für herkömmliche Motoren her.


Berlin. Das Verfahren klingt fast zu einfach, um wahr zu sein: Lukas Gooßen von der Ruhr-Universität in Bochum und seine Kollegen berichten in der Zeitschrift "Science Advances", dass sie gerade einmal zwei Katalysatoren und wenig Energie brauchen, um aus herkömmlichem Biodiesel ein Gemisch herzustellen, das praktisch die gleichen Eigenschaften wie Diesel-Kraftstoff aus Erdöl hat. "Ein erster Test hat bereits gezeigt, dass ein Modellauto mit einem kleinen Dieselmotor damit fährt", freut sich der Chemiker.

Genau das klappt mit dem bisher produzierten Biodiesel nicht: Besteht dieser doch aus sogenannten "Fettsäure-Methylestern" oder kurz "Fame" (nach dem englischen Fatty Acid Methyl Ester), während Diesel-Kraftstoff aus einem Gemisch verschiedener Kohlenwasserstoffe besteht, das aus Erdöl gewonnen wird. In den Augen eines Chemikers sind das aber recht verschiedene Verbindungen. Solche Unterschiede können im Motor durchaus zu Problemen führen. So hat Fame etwa einen höheren Siedepunkt als Diesel.

Raps- oder Jatropha-Öl

Während herkömmlicher Kraftstoff beim Einspritzen in den Motor vollständig verdampft, bleibt ein Teil des Fame-Biodiesels flüssig. Diesel in Gas-Form verbrennt anschließend und liefert dabei genug Energie, um ein Auto oder ein anderes Fahrzeug anzutreiben. Das funktioniert beim Fame-Gas zwar genauso, es bleibt aber ein Flüssigkeitsfilm zurück, der ins Motoröl eindringt. Dadurch schmiert das Öl weniger gut, Motorschäden drohen. Auch der Partikelfilter ist gefährdet, der den gefährlichen Feinstaub aus dem Abgas entfernt, weil dieser mit Diesel kontrolliert abgebrannt wird.

Fame brennt dagegen oft mit zu hohen Temperaturen und beschädigt dabei den Filter. Um mit reinem Fame-Biodiesel zu fahren, müssten die Auto-Hersteller daher einen neuen Motor konstruieren. Das rentiert sich aber nur, wenn man diesen Sprit auch an vielen Tankstellen erhält. Das wiederum ist in absehbarer Zukunft wenig wahrscheinlich.

Daher begnügt sich die EU damit, dem Diesel aus Erdöl sieben Prozent Fame beizumischen. Auch wenn dieser Anteil 2020 auf zehn Prozent steigt, ist das viel zu wenig, um die Klimaziele zu erreichen, auf die sich Europa verpflichtet hat. Gleichzeitig lahmt die Einführung von Elektro-Fahrzeugen und Autos mit Verbrennungsmotoren scheinen zumindest in bestimmten Bereichen mittelfristig noch eine Zukunft zu haben. Einen brauchbaren Biodiesel für diese Fahrzeuge aber könnte das Verfahren liefern, das Lukas Gooßen und seine Doktoranden Kai Pfister und Sabrina Baader von der TU Kaiserslautern entwickelt haben.

Als Rohstoff nehmen die Forscher Rapsöl, aus dem in Europa auch der herkömmliche Fame-Biodiesel hergestellt wird. "Stattdessen könnte man aber auch Jatropha-Öl nehmen, das aus den Nüssen eines Strauches gewonnen wird, der auf armen Böden wächst, die kaum für den Anbau von Nahrungspflanzen taugen", sagt Gooßen. Dieses Rapsöl wird in Biodiesel-Anlagen mit Methanol zu Rapsöl-Methyl-Estern umgewandelt und als "RME" mit Diesel aus Erdöl gemischt. Genau diesen RME setzen die Forscher mit dem Kohlenwasserstoff Ethylen weiter um. "Diese Substanz kann etwa aus der Melasse gewonnen werden, die bei der Verarbeitung von Zuckerrohr als Abfall anfällt", nennt Gooßen eine mögliche Quelle für Ethylen.

Weitere Zutaten sind zwei Katalysatoren aus Ruthenium und Palladium sowie die für chemische und technische Reaktionen eher niedrige und damit wenig Energie verbrauchende Temperatur von 60 Grad Celsius. Das genügt, um die innere Struktur des RME zu verändern. Die entstehenden "Isomere" reagieren mit Ethylen zu einigen hundert unterschiedlichen Verbindungen, die reichlich Kohlenwasserstoffe enthalten, aus denen Diesel-Kraftstoff aus Erdöl besteht.

Bisher nur im Labor

Mit theoretischen Simulationen stimmen die Forscher die beiden Katalysatoren so aufeinander ab, dass aus den längeren RME-Ketten kürzere Verbindungen entstehen und das erhaltene Gemisch am Ende Eigenschaften hat, die Diesel-Kraftstoff aus Erdöl verblüffend ähneln. Als Silvia Berndt von der Uni Rostock das so produzierte Gemisch unter die Lupe nahm, konnte sie zeigen, dass es die europäische Norm für Diesel-Kraftstoffe erfüllt. Pfister ließ dann noch ein Modell-Auto mit einem Mini-Dieselmotor damit erfolgreich fahren.

"Jedoch funktioniert das Verfahren bisher nur im Labor", erklärt Gooßen. Für eine technische Anwendung muss die Methode noch optimiert und auch Katalysatoren gefunden werden, die ähnlich gut arbeiten, aber deutlich preiswerter als Ruthenium und Palladium sind, die beide zu den Platin-Metallen gehören und entsprechend teuer sind. Bis der neue Biodiesel also die herkömmlichen Motoren antreiben kann, dürften noch einige Jahre vergehen. Die Forscher aber haben die Tür zu einem Treibstoff weit aufgestoßen, dessen Eigenschaften sich praktisch kaum von Diesel unterscheiden.