Zum Hauptinhalt springen

Zwischen Rettung und Untergang

Von Eva Stanzl

Wissen

Die zweite Vienna Biennale im MAK beleuchtet die Risiken und Chancen der Beziehungen von Mensch und Roboter.


Kip kann eigentlich nichts. Außer zu zittern, wenn man die Stimme hebt. Dann senkt er das Haupt und bibbert am ganzen Gestell. Das erzeugt Mitleid. Freundlicher angesprochen, streckt er plötzlich den Hals aus Metall empor und hebt zutraulich wie ein Küken den papierenen Kopf. Das baut Beziehung auf. Die unterwürfige Geste ruft Empathie, jene der Hinwendung sogar Sympathie hervor. Wir finden die lampenartige Maschine irgendwie lieb.

Kip ist ein Roboter der Designer Guy Hoffmann und Owen Zuckermann. Er kann zwar nicht verstehen, was jemand sagt, jedoch den Ton des Gesagten "heraushören" und "bewerten". Weil sein Programm menschliche Reaktionen auf Aggression oder Zuneigung simuliert, wirkt er wie eine Art Spiegel für das Miteinander. Denn die Zauberformel für Design in einer digitalisierten Welt ist nicht mehr "Form folgt Funktion". Vielmehr geht es um Beziehung. Zwischen Technologien, Objekten und uns allen, die damit leben, sowie das Zusammenspiel, das wieder neue Beziehungen eröffnen kann.

"Eine robotische Lampe und eine nicht-robotische Lampe unterscheiden sich nur durch unseren Umgang damit. Die analoge Lampe kann man auf- oder abdrehen. Die robotische Lampe hingegen weiß, dass ich mich nähere, begrüßt mich mit einem Flackern und wählt die zu meiner Laune passende Lichtstimmung", erklärt Amelie Klein, Ko-Kuratorin der Ausstellung "Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine" im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) bei der Vienna Biennale 2017. Anhand von sechs thematischen Fragen zeigt die Schau, in der der lampenartige Kip zu sehen ist, was Roboter sein können. Die Bandbreite reicht von Science-Fiction-Maschinen über Fließbandarbeiter und Haushalts- und Pflegehilfen bis hin zu technoiden Zukunftsgebilden, die jede Form annehmen können.

Die zweite Vienna Biennale, die am Dienstagabend eröffnete, verschreibt sich dem digitalen Wandel. Konkret dreht sich der vielseitige Reigen aus Ausstellungen, Diskussionsrunden und Forschungsprojekten um die Wechselwirkung von Menschen und Robotern. "Es ist eine totale digitale Transformation in weiten Teilen der Welt im Gang und wir haben noch keine Vorstellung, was das bedeutet. Wir müssen entscheiden, ob diese Technologien uns oder wir ihnen dienen sollen", betont MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein, Initiator und Leiter der Biennale. Welche Auswüchse die Transformation bereits angenommen hat und wohin sie führt, wird bis Anfang Oktober in den zehn Ausstellungen vor Augen geführt. Die Antworten stehen zwischen Weltrettung und Weltuntergang - das Ziel ist ein humaner Umgang mit dem Unvermeidlichen.

Zerstören oder dienen?

Werden sie uns zerstören oder werden sie uns dienen? Das Wort Roboter tauchte erstmals 1920 in Karel Capeks Drama "R.U.R. - Rossum’s Universal Robots" auf. Die titelgebende Firma erzeugt darin Menschen-Klone aus synthetischem und organischem Material als billige, rechtlose Arbeiter. Diese roboten bis zum Anschlag - und lehnen sich schlussendlich gegen ihre Unterdrücker auf: Das künstlich geschaffene Zweck-Wesen befreit sich von seinem Herrscher und wird zur Gefahr.

Heute sind diese Grenzen weniger klar. Es gibt kaum eine technologische Neuerung, deren Konsequenzen zu Ende gedacht werden. Wer hat sich vor zehn Jahren ausgemalt, wie selten man heute sein Handy tatsächlich abschaltet oder wie tiefgreifend subtil das die Lebensqualität beeinflusst?

Roboter haben Sensoren, die Daten messen und Software, die sie interpretiert und Reaktionen generiert. "Der Roboter überwindet das Gefängnis des Bildschirms und durchdringt den dreidimensionalen Raum", erklärt Amelie Klein. Das smarte Glas, die Wisch-Bewegung mit dem Daumen, die Drohne, das selbstfahrende Auto, intelligente Kleidung, Assistenzroboter - all dies ist Alltag. "Die Gefahr lauert weniger in der Technologie als in der dahinterstehenden Ideologie. Wenn sie uns Menschen zu Waren macht, müssen wir dagegen ankämpfen", warnt Klein.

Auf einem Display neben ihr ist eine App zu sehen, die alle Handymasten, Kabel und Funkverbindungen in der Umgebung des Museums zeigt. Diese geballte Infrastruktur hält alle Smartphones in Funktion. Nicht jeder Provider meint es gut mit uns, ist ein naheliegender Gedanke: Vielleicht sitzt irgend wo jemand, der aus unseren Daten eine Superintelligenz baut? Wir wissen es nicht. "Walking Everything" heißt ein Animationsvideo der Künstlergruppe Universal Everything in der Schau. Zu sehen ist das Gegenteil eines Blechtrottels. Es ist ein gehendes, amorphes Wesen, das sich laufend verändert: Der Roboter nimmt jede Form, Struktur und Materie an.

"Wir arbeiten für Euch! Das bedingungslose Grundeinkommen kommt!" Mit dieser Botschaft holt der "Basic Income Robot" die Betrachterin in die Ebene zurück. Der Pappkamerad thematisiert die Zukunft der Arbeit, die weniger wird, je mehr Roboter sie übernehmen. "StadtFabrik: Neue Arbeit. Neues Design" heißt eine Biennale-Schau, die als Lösung für jeden ein Drittel Erwerbsarbeit, ein Drittel Selbstversorgung und ein Drittel Selbstverwirklichung unterbreitet, wodurch man wohl weniger konsumiert - und mehr teilt. Die Umstellung wird also enorm.

"Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine" im MAK, entwickelt mit dem Vitra Design Museum und dem Design Museum Gent, befragt Verschmelzungen von Technik und Mensch.

"Artificial Tears. Singularität und Menschsein", ebenfalls im MAK, stellt die Frage, was uns zu einem besseren Menschen macht. "ich weiß nicht - Wie die Beziehungen zwischen den Dingen wachsen" im MAK Design Labor zeigt 18 künstlerische Positionen abseits technologischer Aspekte.

"StadtFabrik", das Kooperationsprojekt zwischen departure und MAK, widmet sich den Bereichen kreative Arbeit, soziale Arbeit und nachhaltige Arbeit.

"Was wollen wir? Dimensionen eines digitalen Humanismus" in der MAK-Säulenhalle entwirft Eckpunkte einer wünschenswerten digitalen Zukunft.

"LeveL - the fragile balance of utopia" in der MAK Galerie führt in einer Installation vor Augen, wie fragil die Balance sein kann.

Alle zu sehen bis 1. Oktober.

"How will we work?", AIL Angewandte, beschäftigt sich mit heutigen Arbeitsbedingungen, bis 27. September, August geschlossen.

"Work it, feel it!", Kunsthalle Wien Karlsplatz, zeigt in zehn Positionen, wie sich Technik auf den Körper auswirkt, bis 10. September.

"Care + Repair": In der Nordbahn-Halle beim Wasserturm startet das Architekturzentrum Wien ein Forschungsprojekt zum Thema Nachhaltigkeit, bis 31. Juli. "Design for agency. Handlungsmacht gestalten" im MAK Forum zeigen Studierende der Angewandten bis 2. Juli ihre Entwürfe.

www.viennabiennale.org

Vienna Biennale