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Linienflüge nach Alpha Centauri

Von Eva Stanzl

Wissen
Aller Anfang ist schwer: Ab Februar 2018 sollen unter anderem österreichische Analog-Astronauten in Omans Wüste für künftige Mars-Missionen üben - 2013 taten sie dies wie im Bild in der Nord-Sahara.
© ÖWF/Katja Zanella-Kux

Auf dem Mond gibt es mehr Wasser als gedacht. Das könnte den Bau einer Mondbasis und die Besiedelung des Weltraums erleichtern.


In kosmischen Maßstäben sind wir ein Staubkorn. Wir leben auf unserem kleinen, blauen Planeten in einem Sonnensystem am äußeren Rande unserer Galaxie, die Millionen von anderen Sternensystemen beherbergt. Von der Ferne betrachtet, gleicht die Milchstraße einer Scheibe. Allein im sichtbaren Universum gibt es unzählige galaktische Scheiben mit Spiralarmen wie das Milchstraßensystem. Und dennoch scheint es so zu sein, dass sich das Staubkorn am Rande der Milchstraße in einem wesentlichen Merkmal von allem anderen unterscheidet: Es hat die Fantasie, Visionen zu schaffen.

Es ist einer der visionärsten Träume der Menschheit, die Erde hinter sich zu lassen und andere Planeten zu besiedeln. "Was wäre, wenn man so weit fliegen würde, wie das sichtbare Universum reicht? Gibt es Grenzen?", stellt Christophe Galfard, Theoretischer Physiker der Universität Cambridge, in den Raum. In seinem am 29. August im deutschsprachigen Raum erscheinenenden Bestseller "Das Universum in Deiner Hand" erörtert der Schüler des britischen Physikers Stephen Hawking, wie es gelingen könnte, das All zu besiedeln.

Sowohl der Körper als auch der Stand der Technik setzen dem Vorhaben derzeit unmissverständliche Grenzen. "Nach heutigem Wissen ist es unmöglich, innerhalb der Dauer eines Lebens - oder auch der Dauer von tausend Leben - von einem Bereich des Universums in einen anderen zu gelangen", betont Galfard. Doch er räumt ein: "Aber noch vor einigen Generationen war man von Europa nach Australien Monate unterwegs. Heute ist das eine Sache von einigen Flugstunden."

Wurmlöcher als Schleusen durch Raum und Zeit

Wir wissen nicht, was uns die Technologie von morgen bringen wird. Wir wissen auch nicht, wozu wir eines Tages dank der allgemeinen Relativitätstheorie imstande sein werden. Bisher hat sie uns nur GPS beschert, doch schon morgen ermöglicht sie uns vielleicht, Abkürzungen in der Raumzeit zu finden - "Wurmlöcher, die zwei voneinander weit entfernte Orte so miteinander verbinden könnten, dass man die viel zu großen Entfernungen nicht mehr überbrücken müsste, die sie sonst voneinander trennen", erläutert Galfard.

Im Vergleich dazu wirken die Pläne der US-Weltraumbehörde Nasa recht pragmatisch. Sie beginnen im eigenen Sonnensystem. Eine Mondbasis soll Voraussetzungen schaffen, um auf dem Mars Fuß zu fassen. In der Broschüre "Nasa’s Journey to Mars" beschreibt die Agentur den Auszug ins All in drei Etappen. Die erste unter dem Schlagwort "erdangewiesen" ist bereits voll im Gang. Weltraumteleskope prüfen die Positionen von Objekten im Weltraum, Sonden und Rover erkunden Topografie, Bodenbeschaffenheit, Rohstoffreserven und Wasserversorgung auf anderen Himmelskörpern. Astronauten auf der Raumstation ISS überprüfen, wie sich die Strahlung im Kosmos auf die Gesundheit auswirkt. Die Versorgung mit Energie und Nahrung wird vom Boden bereitgestellt.

Doch jede Reise zum Mars dauert Monate und fordert enorme Kosten. Wenn der Mensch langfristig im Kosmos bleiben will, müssen Weltraumsiedler unabhängig von der Erde existieren können. Die Nasa forscht an neuen solaren Antriebssystemen für flottes und energiesparendes Reisen, aufblasbaren und leicht konstruierbaren Weltraum-Wohnungen, Laser-Kommunikationsnetzen zur Datenübertragung, universellen Atomuhren zur Navigation und an Methoden, um Astronauten den Trip durch künstlichen Tiefschlaf zu erleichtern. Die erste bemannte Testfahrt ist für 2021 geplant.

Um die Kosten nicht alleine schultern zu müssen, arbeitet die Nasa mit Privatfirmen zusammen, die Cargolasten mit verwandelbaren Modulen und wiederverwertbarer Infrastruktur ins All bringen sollen. "Astronauten im fernen Weltraum müssen autark leben. Dazu benötigen wir langfristig automatisierte Systeme", heißt es.

Kühne Träume? Bisherige Spitzenleistungen geben Anlass zu Optimismus. Immerhin krabbelt der Rover "Curiosity" seit einigen Jahren auf dem Mars herum und funktioniert dabei wie am Schnürchen. Auch das Raumschiff "Rosetta" reiste plangemäß jahrelang durch das All zu einem entfernten Kometen, setzte dort ein Forschungslabor ab und funkte Daten über den Brocken zur Erde. Zudem sind die Amerikaner bereits über den Mond spaziert, von dem nun bekannt wurde, dass er mehr Wasser besitzt als gedacht.

Ökonomische undpolitische Interessen

Mit aufwendigen Analysen haben die US-Forscher Ralph Milliken und Shuai Li in Raumsondendaten nach Signaturen von Wasservorkommen auf der Mondoberfläche gesucht. Das Ergebnis: "Vulkanisches lunares Auswurfmaterial scheint wasserreich zu sein, was nahelegt, dass für den Mond-Mantel dasselbe gilt", so Milliken. Eine Mondbasis mit eigener Wasserversorgung scheint somit ebenso realistischer zu werden wie die Nasa-Pläne, "menschliche Präsenz ins Sonnensystem auszudehnen".

Für die USA wäre das ein doppelter Erfolg, denn mit der Kolonisierung des Alls verfolgen sie auch ökonomische und politische Interessen. Damit Amerika seine Führungsrolle auf Erden und im All ausbauen kann, stellen Privatunternehmen die Technik bereit. Auf der Erde schafft das zunächst einmal Arbeitsplätze. Später hofft man, verwertbare Rohstoffe im Kosmos zu finden. Wem diese Ressourcen dann gehören, steht noch nicht fest. Denn die Eigentumsrechte im Weltraum wurden im Kalten Krieg geregelt, als die Supermächte fürchteten, im Wettlauf zum Mond könnte der Gegner den Trabanten unterjochen. Laut einem internationalen Abkommen hat derzeit niemand Eigentumsrechte auf anderen Himmelskörpern.

Den US-Unternehmer Elon Musk scheint das kaum zu kümmern. Der Pionier der Elektroautos will mit 1000 Riesenraketen zum Mars, dort eine Großstadt bauen und auf dem Roten Planeten eine Million Menschen ansiedeln. Da aber jede Reise mit alter Raketentechnik an die zehn Milliarden Dollar kosten würde, plant er recycelbare Raketen aus leichtem Kohlefaserstoff, die den Ticketpreis auf 100.000 Dollar senken sollen. Bis zu 200 Menschen sollen in diesen Passagierflugzeugen der neuen Art Platz nehmen können - wenn sie nur Handgepäck mitnehmen. Und wer weiß? Vielleicht geht die Reise ja irgend wann auch zum nächst gelegenen Sternensystem Alpha Centauri.

Als Gründer der Firma SpaceX, die Satelliten in die Erdumlaufbahn bringt, ist Musk ein Gewinner der Trump-Präsidentschaft. Obwohl die Klimapolitik des US-Präsidenten den Interessen des Tesla-Gründers widerspricht, will auch Donald Trump den Weltraum erobern. Während Musk aber eine humanitäre Aufgabe darin sieht, will Trump die Vormachtstellung der Staaten gegenüber China und Russland sichern. Seinen Vorstoß, die Nasa-Superrakete SLS schon 2018 statt 2021 mit Astronauten zum Mond zu bringen, hat die Behörde aber zurückgepfiffen, um die Leben der Astronauten nicht zu riskieren. Wenn er nicht wiedergewählt wird, könnte der krisenumwitterte Präsident somit als Weltraumfeldherr ein Staubkorn bleiben. Ein Staubkorn in einem Schlaraffenland, das dieser wunderbare Planet eben ist. Warum schützen wir ihn nicht? Warum wollen wir die Erde, die alle Bedingungen für Leben erfüllt, für den lebensfeindlichen Weltraum verlassen, der nichts bietet - keine Luft, kaum Wasser, extreme Hitze und Kälte, keine Atmosphäre und weder Essen noch Trinken? Warum wollen wir im Zelt leben, statt das eigene Haus aufzuräumen?

"Es liegt in unserer Natur,zu fliegen"

Für den Star-Physiker Stephen Hawking sind diese Entwicklungen zwar gesellschaftlich destruktiv, aber unvermeidlich. Über dem eigenen Schicksal stehende Überlegungen stellt er in "Expedition New Earth" an, eine im August anlaufende BBC-Dokumentationsreihe. Hawking zufolge bringen Klimawandel, Überbevölkerung, Epidemien und Asteroideneinschläge den Untergang. "Die Chancen auf eine Katastrophe innerhalb eines Jahres sind gering, doch innerhalb von 1000 bis 10.000 Jahren ist ein Desaster sicher", warnt er. Die Menschheit müsse die Sterne erreichen: "Es liegt in unserer Natur, zu fliegen." Schwarze Löcher seien gar nicht so schwarz: Wer aufgesaugt wird, könnte in einem anderen Universum wieder herauskommen.

Hawking warnt Weiters, dass uns Außerirdische den Tod bringen könnten: Wenn wir ein Signal von Planeten wie Gliese 832 C erhalten, sollten wir daher gut überlegen, ob wir antworten. Auch Roboter könnten uns umbringen: "Eine mächtige künstliche Intelligenz wird das Schlimmste oder das Beste für die Menschheit sein - wir wissen es noch nicht. Aber immerhin killen sie unsere Jobs."

Spinnerei? Nein, Vorstellungskraft. So wie bei den Visionären, die in den 1950er Jahren die Mondlandung planten. "Wenn Sie ins Universum fliegen würden, würden Sie sehen, wie Galaxien kollidieren und Supernovae für einen Augenblick heller sind als ihre Geschwister", sagt Galfard: "Sie würden den Segen erfahren, eine Show nicht-menschlicher Schönheiten zu beobachten. Irgendwann wären Sie zehn Milliarden Lichtjahre entfernt, aber ihr Geist wäre vielleicht schon weiter." Und vielleicht spiele der Körper bei dieser Reise irgendwann keine Rolle mehr.