Wien. Als Arbeitskräfte wurden Migranten ab den 60er Jahren dringend gebraucht, als Mitbewohner musste man sich erst an sie gewöhnen. "Wohnen ist der Bereich, wo es am meisten Konflikte gibt", meinte Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz am Rande der zweitägigen Tagung über "Wohnen und die regionale Dimension der Integration" an der Donau-Uni Krems.

44 Prozent aller Streitigkeiten gehen auf Lärm zurück, berichtete Josef Cser von Wohnpartner, einem Nachbarschafts-Service im Wiener Gemeindebau. Oft spielen sich die Spannungen zwischen jenen, die schon etabliert sind, und jenen, die zuziehen, ab. Viele Konflikte würden ethnisiert. "Die Leute kommen oft zu uns, und sagen: Die Türken machen schon wieder Lärm, oder Der Türke stellt schon wieder das Mistsackerl in den Gang." Die Wurzel solcher Probleme sei aber gar nicht die ethnische Zugehörigkeit.

Konfliktarbeit ist einer der Arbeitsbereiche der Wohnpartner. Cser betont: "Wir sind keine Exekutivgewalt, sondern eine Serviceeinrichtung. Lösungen können nur errungen werden, wenn sie nicht erzwungen werden." Dass die Wohnpartner an Konflikte ohne vorgefertigte Lösungen herangehen, sei besonders für die Politik gewöhnungsbedürftig gewesen: "Wir erarbeiten die Lösungen gemeinsam mit den Menschen." Besonders stolz sind die Wohnpartner auf ihre Mediation. "Am häufigsten kommen nachhaltige Einigungen durch jene Gespräche zustande, die die Betroffenen selbst miteinander führen." Das zentrale Wort für die Wohnpartner sei daher Empowerment.

Gerade zwischen türkischstämmigen und autochthonen Bewohnern krisle es manchmal etwas. "Jeder ist überzeugt, dass der andere ihn nicht mag." Wie sich über Gespräche nun herausgestellt hat, prallen dabei verschiedene Traditionen aufeinander. "In der Türkei ist es üblich, das neu Zugezogene willkommen geheißen werden; in Wien ist es üblich, dass man sich selber vorstellt. Jeder stand auf dem Standpunkt: Der andere ist unhöflich, der grüßt nicht." Die Anlaufschwierigkeiten könnten nun dank der neuen Aktion "Willkommen Nachbar" überwunden werden, bei der die Mieter die Neuen willkommen heißen.

"Konflikte ergeben sich dann, wenn man das Gefühl hat, dass die Herkunft geringgeschätzt wird", betonte Gudrun Biffl, Leiterin des Departments Migration und Globalisierung in Krems. Besonders große Angst erzeugt im deutschsprachigen Raum der Begriff "Parallelgesellschaft". Biffl hält ihn für unglücklich. Er werde nur negativ verwendet und sei eindeutig diskriminierend. "Ist das Lycée etwa eine Parallelgesellschaft? Der Begriff wird häufig nur für die türkische Minderheit verwendet, dabei ist die ex-jugoslawische Community viel größer und hat die gleichen sprachlichen Schwierigkeiten."