Wien. "Sei Bluat war so lüftig und leicht wie der Wind. Ja, er war halt: a echt’s Weanakind." So endet das berühmte Fiakerlied, das vielen als "heimliche Hymne Wiens" gilt. Unter den Nazis war es verboten. Nicht jedoch, weil der Ausdruck wienerischen Heimatstolzes dem großdeutschen Anschlussgedanken widersprach. Der Grund: Gustav Pick, der Autor des Fiakerliedes, war Jude.

Bis 1938 waren im Wiener Kabarett und der Wiener Revue jüdische Komponisten, Texter und Musiker überdurchschnittlich stark vertreten. Das diesjährige "Wean Hean" Wienerliedfestival - organisiert vom Wiener Volksliedwerk - widmet ihnen einen Schwerpunkt.

Etliche Volkssänger, Komiker und Musiker tummelten sich um die Jahrhundertwende in den Kaffeehäusern und Singspielhallen Wiens. Etablissements wie das Kabarett "Hölle" oder das "Budapester Orpheum" waren Talentschmieden für Künstler wie Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Hugo Wiener, Armin Berg. Ob jemand Jude war, spielte bis in die Zwischenkriegszeit noch eine geringe Rolle, wichtiger war die Einstellung zu Nation und Heimat. Im Ersten Weltkrieg hatten sich noch jüdische Künstler, wie Robert Musil, Stefan Zweig, Franz Werfel und Oskar Kokoschka für den Krieg freiwillig gemeldet oder ihre Kreativität in den Dienst militaristischer Propaganda gestellt. Damit entsprachen sie dem Zeitgeist. So auch der berühmte Hermann Leopoldi, einer der meistgefeierten "Klavierhumoristen" der 20er Jahre, Komponist und Interpret unzähliger Schlager und Wiener Lieder.

Leopoldi hieß eigentlich Hersch Kohn, entstammte einer jüdischen Meidlinger Musikerfamilie und wurde 1938 ins KZ Dachau und dann ins Lager Buchenwald deportiert. Er hatte Glück, seine Frau konnte ihn freikaufen, und er emigrierte in die USA. Weniger Glück hatte Fritz Löhner-Beda, Leopoldis langjähriger Textdichter. Er überlebte den Nazi Terror nicht, genauso wie unzählige andere jüdische Musiker, Komponisten und Schriftsteller. Kein Wunder, dass die meisten Überlebenden im Exil nicht gerade das Bedürfnis hatten, in ihre alte Heimat zurückzukehren.

Hermann Leopoldi kam zurück - und wurde jubelnd in Wien empfangen. Es schien, als hätten die Österreicher vergessen, warum er emigriert war, "Sagen’s Herr Kohn wann kommen’s z’rück", heißt es denn auch in einer Textzeile des Liedes "An der schönen roten Donau", in dem Leopoldi mit der anbiedernden Verdrängungsmentalität der Österreicher abrechnet. "Wann kommen’s z’rück?" - als ob er nur mal auf Urlaub gewesen sei. Weiter heißt es in dem Lied: "Wir ham schließlich kan Charakter, doch wir ham ein gold’nes Herz." Schon bald schrieb Leopoldi aber wieder wie gewohnt typisch "österreichische" Schlager über Weinseligkeit und Schmähtandlerei und wurde dafür bis zu seinem Tod 1959 vom österreichischen Publikum gefeiert.