Wien. Das Leben für muslimische Frauen mit Kopftuch im Park ist selten unbeschwert. Immer wieder erfahren sie Beschimpfungen der nicht-muslimischen Mehrheitsbevölkerung, auch die Androhung von Gewalt ist keine Ausnahme. Weiters sind sie vielen Vorurteilen ausgesetzt: Frauen mit Kopftüchern würden sich etwa absichtlich abgrenzen, nicht Deutsch lernen wollen, den Mist liegen lassen und Tauben füttern.

Die Situation scheint festgefahren zu sein, die Diskussion findet meist nur über die Musliminnen statt, der Dialog mit ihnen bleibt aus. In der "Wiener Zeitung" beziehen nun drei muslimische Frauen Stellung zu den Vorwürfen und erzählen von ihrem Alltag im Park.

Kevser Muratovic wuchs in einem Dorf in Deutschland auf und kam mit Anfang 20 nach Wien. Zuerst wäre es in der Stadt als Muslimin mit Kopftuch einfacher als am Land gewesen, sagt sie. Als ihre beiden Kinder auf die Welt kamen, nahmen die Diskriminierungen aber wieder zu: "Ich passte mit Kindern anscheinend besser ins Klischeebild", versucht die angehende Magistra den Umschwung zu erklären.

Aufgrund ihres Aussehens werden Musliminnen noch immer wie Gastarbeiter behandelt. - © M. Begsteiger
Aufgrund ihres Aussehens werden Musliminnen noch immer wie Gastarbeiter behandelt. - © M. Begsteiger

Am meisten negative Erfahrungen machte sie in Parks im zehnten Bezirk: "Leute warfen mir Sachen an den Kopf und fragten, was wir hier wollen", erzählt die Muslimin. In den meisten Bezirken würden solche Zwischenfälle allerdings eher selten passieren.

"Wie viele Generationen müssen noch vergehen, dass man als Österreicher akzeptiert wird?", fragt die in Wien geborene Dilek Yücel. "Ich bin schließlich schon die dritte Generation, meine Sozialisation fand in Österreich statt." Die Frage "Woher kommst du?" kann sie nicht mehr hören. Die Antwort "Wien, Österreich" würde kaum jemanden zufrieden machen, erst bei der Antwort "Türkei" würde die Fragerei aufhören.

Dabei sei die Türkei, Heimat ihrer Großeltern, nichts anderes als ein Urlaubsort, wo sie nicht leben könnte. An ihre Kindheit im Park denkt sie mit sehr mulmigen Gefühlen zurück. Yücel erinnert sich an andere Parkbesucher, die ihre Hunde auf sie gehetzt hätten und dabei schallend lachten. "Ich war fünf Jahre alt und dachte schon damals, dass sie das aufgrund meiner Herkunft machen."

Der Terroranschlag 09/11 verschlechterte die Situation von Musliminnen in Österreich. Vorher wäre man nur "die Türkin" gewesen, seit damals sei man Türkin und Muslimin, die Vorurteile hätten zugenommen, alle muslimischen Frauen stecke man seitdem in eine Schublade.

Unreine Taube gegen unreinen Hund

Den Mist liegen lassen und Tauben füttern sind zwei der Vorwürfe, mit denen Musliminnen konfrontiert werden. "Brot ist im Islam eine Schöpfungsquelle, auch wenn man Essen im Überfluss hat, soll es nicht weggeschmissen werden", erklärt Yücel.

Muslime würden auch andere Tiere füttern, in der Stadt gäbe es allerdings nur Tauben. Das Liegenlassen von Mist ist für Yücel ein generelles Erziehungsproblem, sie gesteht aber ein, dass viele muslimische Migranten ihre Sonnenblumenkerne auf den Boden spuken. Genauso ärgerlich sei aber der Hundekot, sagt sie.

Kevser Muratovic stimmt zu. Im Islam ist der Hund ein unreines Tier. Er dürfe das Haus bewachen, aber auf keinen Fall in die Wohnung. Die Vorliebe der Mehrheitsbevölkerung für Hunde sei für viele Muslime daher schwer zu verstehen.

Ein Vorurteil gegenüber der Mehrheitsbevölkerung betrifft die vermeintliche Bevorzugung der Vierbeiner gegenüber Kindern: "Versuchen Sie einmal am Sonntag Kindernahrung zu bekommen, bei Hundenahrung werden Sie kein Problem haben", beschwert sich Muratovic.

Dilek Yücel schlägt vor, genauso wie das Schild "Nimm ein Sackerl für mein Gackerl" für Hundebesitzer ein äquivalentes Schild mit dem Titel "Nimm ein Sackerl für mein Kernderl" aufzustellen.

Und was den Vorwurf betrifft, dass Frauen mit Kopftuch kein Deutsch lernen wollen, so gehe es um die erste Generation, die nicht vorhatte zu bleiben, ist sich Yücel sicher. Sie kennt Fälle, in denen diese Frauen ausgelacht wurden, wenn diese ein falsches deutsches Wort verwendet hätten: "Diese Frauen sollten er- und nicht entmutigt werden", betont die Wienerin. Sonst brauche man sich dann nicht zu wundern, dass viele bei ihrer Herkunftssprache bleiben.

Carla Amina Baghajati, Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), prophezeit, dass dieses Klischee bald der Vergangenheit angehören werde. Es sei aber nicht zu leugnen, welche Versäumnisse es gegenüber der ersten Generation gab: Für nachgezogene Ehefrauen interessierte sich niemand. "Man sprach mit den ,Gastarbeitern‘ im Stile von ,Du machen flotti, flotti!‘ und war ansonsten froh, dass diese Arbeiter nur arbeiteten und nichts redeten", sagt sie. Diese Lücken können heute nicht mehr geschlossen werden, umso mehr unterstützen diese Frauen ihre Töchter in ihren Bildungskarrieren.

"Wir fallen natürlich auf, weil wir ein Kopftuch tragen", stellt Muratovic fest, aber würde man mit nicht-muslimischen Frauen auch so umgehen, wenn sie etwa ein rotes Armband tragen würden? Es müsse Vertrauen geschaffen werden, hält Baghajati fest, "am besten durch persönliche Begegnung".

Dilek Yücel schlägt vor, Parkbetreuer auch für Erwachsene einzusetzen, um diese zusammenzubringen. Es gäbe ja mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.

"Man behandelt uns immer noch wie Gäste"

Auch Baghajati ist überzeugt: Es bräuchte nur kleine Motivationsanstöße, um die Kommunikation zu fördern. Wichtig dabei sei die wertschätzende Kommunikation, unterstreicht Yücel: "Wenn ich selber wertschätzend bin, kommt Wertschätzung zurück." Das fängt schon in der Schule an, so die Lehrerin. Das Wir-Ihr-Denken werde an ihrer Schule dadurch verstärkt, dass es ein Verbot für die Kinder gibt, in den Pausen Türkisch zu sprechen. Man fördere dadurch das Gefühl "Ihr wollt uns nicht".

"Nur wie soll man je auf einen gemeinsamen Nenner kommen, wenn bereits die Jugend keine Wertschätzung erfährt? Man behandelt uns immer noch wie Gäste, aber wir sind keine Gastarbeiter mehr."