Wien. "Wer nur für diese Welt arbeitet, der arbeitet umsonst, doch wer sich um das Jenseits abmüht, der gewinnt auch diese Welt hinzu," betont der Imam in seiner Freitagspredigt und unterstreicht damit die spiritualistische Ausrichtung der Moschee. Er predigt in der Zentrale der Union Islamischer Kulturzentren (UIKZ) in der Wiener Pelzgasse im 15. Bezirk. Die UIKZ ist einer der größten islamischen Dachverbände im deutschsprachigen Raum.

Die UIKZ nahm an den letzten Wahlen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) teil und konnte sich dabei als dritte Kraft hinter den türkisch-islamischen Vereinigungen ATIB (Türkisch-Islamische Union) und Islamische Föderation, die zu der politischen Partei Milli Görüs gehört, behaupten. Wie alle islamischen Organisationen in der Diaspora hat es sich die UIKZ zum Ziel gesetzt, den muslimischen Nachwuchs in religiöser Hinsicht zu erziehen und zu unterstützen. Daher gibt es auch in der Wiener Zentrale Koran-Kurse, Seminar- und PC-Räume und vor allem günstige Unterkünfte für Studenten aus der Türkei.
Die vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeugen von der gezielten Jugendarbeit der UIKZ. Unter den Anwesenden sind Handyshop-Besitzer oder angehende Informatiker. Auf die Frage, warum gerade die UIKZ die Sympathien des jungen Mert, eines 24-jährigen Informatik-Studenten, gewinnen konnte, antwortet dieser lapidar: "Weil es ein besonderes Vorrecht ist und nicht jedem zufällt." Viele Moscheebesucher sind Sympathisanten des Süleyman Hilmi Tunahan, des geistigen Inspirators der UIKZ. Die Werke des Ideengebers werden oft als "vollkommen" angesehen. Doch wer war Süleyman?
Süleyman Hilmi Tunahan wurde 1888 im heutigen Nordosten Bulgariens geboren und war somit einer von Millionen "Macir" (vom arabischen "Muhadschirun" - zu Deutsch: Auswanderer): die Macir mussten im Zuge der osmanischen Niederlagen im Balkan nach Istanbul und Anatolien migrieren. Als islamischer Gelehrter und später auch als offizieller Imam der 1924 in der türkischen Republik gegründeten Religionsbehörde "Diyanet" betreute er verschiedene historisch bedeutende Moscheen in Istanbul. Gleichzeitig lehrte er aber auch privat und im Geheimen den Koran, da der islamische Religionsunterricht in der Türkei bis 1948 nicht auf dem Lehrplan stand, die Gesetzeslage aber ebenso private Initiativen von religiösen Stiftungen und Verbänden unterband, die den Koran oder Arabisch lehren wollten.
Stark verankert in der türkischen Diaspora
Süleyman gehörte einem alten, bedeutenden Sufi-Orden, dem Naqschbandiya-Orden, an und war dort der 33. beziehungsweise 34. "Murschid" (Sufi-Lehrer). Wohl aufgrund seiner eigenen Migrationserfahrung sprach er insbesondere die Menschen der ersten türkischen Binnenmigrationswelle an, die sich aus der Schwarzmeerregion auf Istanbul ausgebreitet hat. Auf diese Verbindung ist auch die starke Verankerung der Lehren Süleymans in der türkischen Diaspora zurückzuführen, die überproportional stark aus der Schwarzmeerregion stammt.
Auch wenn die Ehrerbietung, die dem geistigen Stifter der UIKZ entgegengebracht wird, groß ist, lehnen die UIKZ-Mitglieder die Bezeichnung "Süleymancilar" (zu Deutsch: Die Leute des Süleyman) als abwertend ab und verweisen auf ihre sunnitisch-hanafitische Ausrichtung. Sie würden sich selbst als Laienbewegung im Sinne Tunahans sehen, betonen sie.
Doch es gibt auch Kritik an der UIKZ, etwa auf der im Internet befindlichen "Islam Landkarte", die unter Leitung von Ednan Aslan von der Islamischen Religionspädagogik an der Uni Wien erarbeitet worden ist. Dort wird die UIKZ als tendenziell anti-laizistisch, national ausgerichtet und politisch aktiv bewertet. Freilich war die UIKZ nicht der einzige islamische Dachverband, der auf der "Islam Landkarte" Kritik erntete. Besonders scharf reagierte auf die Landkarte die "Islamische Föderation", der dort "die Etablierung einer islamischen Rechts- und Gesellschaftsordnung" vorgehalten wird. Umgehend beschwerte sich die Föderation via Aussendungen und wies die Darstellung ihres Verbandes zurück.
Aslan hält an seinen Einschätzungen fest und beschreibt die UIKZ als nur scheinbar passiv; vielmehr sei sie "sehr aktiv", allerdings würden Nicht-Muslime die Art ihrer Aktivität nicht sofort identifizieren können. Lange Zeit wurde die UIKZ als streng konservativ, aber unpolitisch gesehen, speziell von deutschsprachigen Medien. Doch Aslan nennt konkrete Beispiele für die politischen Aktivitäten der Bewegung in der Türkei: So gäbe es seit den späten 60er Jahren bekannte und bekennende Schüler Tunahans im türkischen Parlament. Im Augenblick hätten sie mit Mehmet Denizolgun, einem Neffen Tunahans, einen wichtigen Verbindungsmann zur konservativen AKP des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Salih Barut, Zuständiger für Pressearbeit bei der UIKZ-Zentrale, entgegnet darauf, dass es ja ein wichtiger Bestandteil der Demokratie sei, dass man sich engagiert. So stünde es jedem frei, sich politisch einzubringen, als Organisation würde man allerdings eine apolitische Haltung bewahren. Die UIKZ stünde des weiteren im regen Austausch mit der IGGiÖ, wie auch der Lokalpolitik und wolle die integrativen Akzente in nächster Zeit ausbauen und intensivieren.
Die "Islam Landkarte" sieht die integrativen Bestrebungen, wie etwa das "UIKZ Multi-Kultur-Festival", das 2011 in Wien stattgefunden hat, vor allem als Indiz für den großen Reformdruck, unter dem die UIKZ stehen würde. Tatsächlich würde dem interkulturellen Dialog nur wenig Stellenwert eingeräumt werden. Andererseits ist die deutsche Mutterorganisation VIKZ - die UIKZ bezieht ihre Imame vor allem von dort - die einzige islamische Organisation, die bereits in den 80ern mit der theologischen Ausbildung ihrer Imame in Deutschland begonnen hat, wie Barut herausstreicht.