Schon ab 1722 am Michaelerplatz, ab 1741 im "Neuen Michaelerhaus" (r.): Die lange mit dem Fragamt räumlich verbundene Redaktion. Bilder: Archiv/A. Tantner. Repros: K. Fleck
Schon ab 1722 am Michaelerplatz, ab 1741 im "Neuen Michaelerhaus" (r.): Die lange mit dem Fragamt räumlich verbundene Redaktion. Bilder: Archiv/A. Tantner. Repros: K. Fleck

Die großen europäischen Metropolen Paris und London erlebten im 17. Jahrhundert die Gründung so genannter Adressbüros, die als Stätten der Informationsvermittlung dienten und den Austausch von Gütern, Immobilien und Arbeitsgelegenheiten befördern sollten.

Diese Adressbüros können als frühneuzeitliche Suchmaschinen betrachtet werden: Geben Informationssuchende heute ihre Anfrage in den Suchschlitz bei Google ein, so frequentierten sie damals ein Adressbüro und brachten dort ihr Anliegen vor. Wer auch immer eine Wohnung suchte, eine Ware verkaufen oder Arbeit als Dienstbote aufnehmen wollte, konnte dies gegen Bezahlung einer Gebühr in ein Register eintragen lassen; wiederum gegen Gebühr wurde aus diesem Register Auskunft gegeben. Von Zeit zu Zeit wurden die Registerauszüge in Form von Annoncen in einem eigenen Anzeigenblatt - dem heutigen "Bazar" vergleichbar - publiziert.

1630 gründete Théophraste Renaudot (1586-1653) ein Adressbüro in Paris.
1630 gründete Théophraste Renaudot (1586-1653) ein Adressbüro in Paris.

In Paris war es ein Arzt namens Théophraste Renaudot (1586-1653), der 1630 eine solche Einrichtung, das "Bureau d’adresse" gründete; es fungierte nicht nur als Verkaufsagentur, Immobilien- und Arbeitsvermittlung, sondern diente darüber hinaus als Pfandhaus, als Stätte der medizinischen Betreuung für Arme sowie als Veranstaltungsort für gelehrte Vorträge. Wenig später, ab Mitte des 17. Jahrhunderts, wurden in London vergleichbare Einrichtungen initiiert, die als "intelligence offices" bezeichnet wurden und vorwiegend merkantilen Zwecken gewidmet waren.

Hilfe für Armenhaus

In der kaiserlichen Residenzstadt Wien sollte es bis Anfang des 18. Jahrhunderts dauern, bis ein Adressbüro geschaffen wurde; hier wurde es als "Frag- und Kundschaftsamt" bezeichnet und 1707 in enger Verbindung mit dem Versatzamt - dem heutigen Dorotheum - ins Leben gerufen. Beide Institutionen sollten der Finanzierung des seit 1693 erbauten Großen Armenhauses dienen und waren zunächst in der Annagasse im heutigen "Haus der Musik" gelegen. Der Tätigkeitsbereich des Fragamts war ursprünglich als der einer Verkaufsagentur definiert, man wollte die oft teuren Dienste der bisherigen Vermittler - der so genannten Zubringer und Zubringerinnen - ersetzen und verlangte von den Kunden eine Einschreibgebühr von 17 Kreuzern.

Auch zur Überwachung

In den ersten Jahren seiner Existenz sind kaum Aktivitäten des Fragamts dokumentiert; dies sollte sich erst 1721 ändern, als das Fragamt räumlich vom Versatzamt getrennt wurde und in das Haus des niederösterreichischen Regimentsrats Prokop Gervasius Graf von Gollen in der Weihburggasse übersiedelte. Ab sofort kooperierte das Amt auch mit dem "Wien(n)erischen Diarium" und veröffentlichte darin die so genannten "Negotienlisten", wobei es sich um Registerauszüge der im Protokoll des Fragamts verzeichneten Einträge handelte. Die meisten dieser Einträge betrafen den Verkauf von beweglichen und unbeweglichen Gütern sowie den Verleih von Geld; manchmal diente das Fragamt auch als Ausstellungsstätte für die zu verkaufenden Waren, so wurden einmal Leinsessel (= Lehnsessel, Anm.) aus niederländischer Produktion gezeigt, ein anderes Mal Tafelbilder.

Neu war, dass das Fragamt Arbeitsvermittlung anbot, ein Service, das sich vorwiegend an Dienstboten und deren Dienstgeber richtete und mit polizeilichen Überwachungsaufgaben verknüpft war, da von den zukünftigen Domestiken auch Führungszeugnisse und Empfehlungsschreiben verlangt wurden. Neben den "Negotienlisten" verwendete das Fragamt zur Verzeichnung und Bekanntmachung der eingebrachten Anliegen auch andere Medien: So gab es eine Anschlagstafel - die "Kundschafts-Taffel" -, die vor dem Amt aushing und auf der alle "Begehren und Anfragen", allerdings "mit verschwiegenen Namen", angebracht wurden. Weiters wurden je nach Bedarf Listen mit zu vermietenden Zimmern sowie mit arbeitswilligen Dienstboten gedruckt, die im Amt erhältlich waren.

Van Ghelen übernimmt

Noch im Jahr 1721 sollte der Drucker Johann Peter van Ghelen (1673-1754) die Übernahme des "Diarium" vertraglich zugesichert bekommen, und damit fiel ihm auch der Druck der "Negotienlisten" zu, die später separat erschienen und als "Kundschaftsblatt" bezeichnet wurden. Spätestens im April 1728 übersiedelte das Fragamt in die Räumlichkeiten des "Wienerischen Diarium" im Fleckhammer’schen Haus am Michaelerplatz gegenüber dem Hofballhaus; Ghelen lancierte eine regelrechte Werbekampagne für das "Kundschaftsblatt" und veröffentlichte darin neben den Verkaufsanzeigen von beweglichen und unbeweglichen Gütern, Stellenanzeigen und Mitfahrgelegenheiten auch Steckbriefe, Vermisstenanzeigen sowie Verweise auf neu erschienene Bücher; zuweilen erfolgten auch Berichte über naturwissenschaftliche Phänomene oder aufsehenerregende Kriminalfälle; bis in die 1770er-Jahre hinein wurden auch Termine von religiösen Andachten bekannt gegeben.

1762 drohte dem Fragamt, dessen Privileg mittlerweile im Besitz der Ghelen’schen Erben war, Gefahr vom Medientycoon Johann Thomas Trattner (1717- 1798): Dieser hatte der Hofkammer einen Plan zur Errichtung eines über die gesamte Habsburgermonarchie gespannten Netzes von "Intelligenzämtern" unterbreitet, deren Aufgaben denen des Fragamts sehr nahe kamen; überdies wollte er ein zweimal wöchentlich erscheinendes sogenanntes "Intelligenzblatt" publizieren, das vorwiegend kommerzielle Nachrichten veröffentlichen sollte. Trattner scheiterte schließlich mit seinem Ansinnen, da die Rechte des Fragamts nicht beschnitten werden sollten, außerdem gab es mittlerweile auch in anderen Städten der Monarchie wie in Prag und Brünn bereits Fragämter.