Hinter dem alten Rathaus (hier auf einer Ansichtskarte) befand sich das Preßburger Kundschaftsamt. - © Hist. Ansichtskarte/Repro: M. Ziegler
Hinter dem alten Rathaus (hier auf einer Ansichtskarte) befand sich das Preßburger Kundschaftsamt. - © Hist. Ansichtskarte/Repro: M. Ziegler

Im Oktober 2016 stellten die Zeitreisen in Ausgabe Nro. 364 die "Preßburger Zeitung" vor, eine 1764 erstmals erschienene Stieftochter der "Wiener Zeitung". Nur wenigen Fachleuten ist bekannt, dass für einen kurzen Zeitraum, nämlich 1781 bis 1783, in der damaligen Hauptstadt Ungarns noch eine weitere deutschsprachige Zeitung existierte, nämlich das "Preßburger Kundschaftsblatt". Seine Ausgaben sind heute nur mehr in der Universitätsbibliothek Bratislava (1781/1782) und in der Kathedralbibliothek Esztergom (1783) aufzufinden. (Direkte Zitate aus dem Blatt sind in diesem Text fettkursiv gesetzt, Anm.)

Derlei "Kundschaftsblätter" waren typisch für die großen Städte der Habsburgermonarchie, es gab solche damals bereits in Wien, Prag und Brünn. Sie waren ursprünglich nicht dazu bestimmt, über die weite Welt zu berichten, sondern veröffentlichten in der Regel an das lokale Publikum adressierte Anzeigen. Herausgegeben wurden sie zumeist von einem so genannten Fragamt, einer Vermittlungseinrichtung für Arbeit, Waren, Immobilien und Kapital (zum Wiener Fragamt siehe Zeitreisen Nro. 307, Jänner 2012).

Seltene "WZ"-Beilage

Der Name des Betreibers des Preßburger Fragamts ist bekannt: Er hieß Anton Martin und hatte in der damals ungarischen Metropole die Leitung des Gewerbes der Sesselträger inne. Seine Pläne kündigte er in einer - nur dem Originalexemplar der Österreichischen Nationalbibliothek beigebundenen, nicht aber in der Mikrofilmausgabe oder online vorhandenen - Beilage zur "Wiener Zeitung" vom 19. Mai 1781 an: Demnach sollte das "Preßburger Kundschaftsblatt" wöchentlich mit Auszügen aus den beim Fragamt geführten Protokollen erscheinen, ein Exemplar war anfänglich um vier, dann um drei Kreuzer zu haben. Der Umfang des Anzeigenblatts betrug zunächst nur vier Seiten und Martin versicherte, dass sein Inhalt allen Klassen des Volkes, dem hohen so als dem niedern bequem und nützlich sein sollte. Abgedruckt wurden zum Beispiel Stellenangebote, etwa für einen Italienisch- lehrer oder einen Hausknecht, Schneider- und Schlosserlehrlinge offerierten ihre Dienste, Weingärten und Anti-Wanzentinkturen wurden zum Verkauf angeboten, ein Reitpferd wurde gesucht.

Ohne Setzer (links) ging einst in der Zeitungsproduktion nichts; rechts eine Ausgabe des "Preßburger Kundschafts-Blattes". - © Bilder: Nouveau Voyage... Paris, o.J. (ca. 1886)/Archiv/Dr. Anton Tantner
Ohne Setzer (links) ging einst in der Zeitungsproduktion nichts; rechts eine Ausgabe des "Preßburger Kundschafts-Blattes". - © Bilder: Nouveau Voyage... Paris, o.J. (ca. 1886)/Archiv/Dr. Anton Tantner

Manche der im Kundschaftsblatt angepriesenen Waren konnten vor Ort im Fragamt erstanden werden, in ihm muss ein reges Treiben geherrscht haben: Es war recht zentral hinter dem Rathaus im aufgelassenen Jesuitenkloster, dem heute nicht mehr existierenden Ormoschdischen Haus am Ursulinerplatz (heute Primaciálne námestie) untergebracht und beherbergte ab 1782 obendrein noch eine Leihbibliothek, deren Titel im Kundschaftsblatt aufgelistet wurden.