Ende des 19. Jahrhunderts war die Welt besessen von ihrem Nachbarplaneten. Das Marsfieber brach aus, nachdem 1877 der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli (1835-1910) Linien auf der Oberfläche des Himmelskörpers erkannt hatte, die er "canali" nannte. U.a. der US-Amerikaner Percival Lowell (1855-1916), ein Geschäftsmann mit Begeisterung für Astronomie und einem eigenen Observatorium in Arizona, prägte die Vorstellung, dass es sich dabei um Kanäle, also künstliche Bauten eines intelligenten Mars-Volkes handeln könnte. Erst im fortgeschrittenen 20. Jahrhundert kam die ernüchternde Erkenntnis, dass man wohl optischen Täuschungen erlegen war. Um 1900 aber entspann sich in den Feuilletons eine rege Debatte um das Leben auf dem Mars. Die "Wiener Zeitung" brachte am 21. Februar 1895 den (aus der "Kölnischen Zeitung" übernommenen) Beitrag eines nicht namentlich genannten Fachmannes. Es folgen Auszüge aus dem Artikel, wiedergegeben in der originalen Schreibweise:
Flach wie Ho(h)lland
Ich nehme an, daß die Nivellirungs-Arbeit durch die Atmosphärilien (Eis, Wasser, Luft), die auch unsere Erde dereinst eben machen wird, auf der Oberfläche des "Mars" so weit fortgeschritten ist, daß nur noch Höhenunterschiede von wenigen Fuß vorhanden sind. Ebenso sind die "Mars"-Meere nur noch seicht (...).

Ich nehme ferner an, daß das Verhältnis von Wasser zu Luft ein größeres ist als auf unserer Erde, daß namentlich aber bei dem der geringeren und leichteren Atmosphäre entsprechenden niedrigen Siedepunkte des Wassers (vielleicht 60 Grad C.) die Atmosphäre viel feuchter ist als die unsere. (...)
Auf der anderen Seite darf man bei dem großen Wassergehalte der "Mars"-Atmosphäre wohl annehmen, daß die Niederschläge zu Schnee und Eis in den sehr ausgedehnten Polargegenden ganz unverhältnißmäßig groß sind und daß sich namentlich auf dem Südpol außerordentlich (...) hohe Eisgebirge anhäufen, die beim Abschmelzen in der Sommerzeit eine starke Strömung nach dem Aequator in dem nur wenige Fuß tiefen Meere hervorbringen.

Unter solchen Verhältnissen ist es klar, daß während der Eisschmelze alle diejenigen Landflächen, die in der kälteren Jahreszeit nur eben aus dem Wasser hervorsehen, überschwemmt werden, und es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß die muthmaßlichen Bewohner des "Mars" bereits seit Millionen von Jahren angefangen haben, sich durch Deicharbeiten nicht allein vor Verlust von Boden zu schützen, sondern auch dem seichten Meere wieder Boden abzugewinnen, und zwar einfach in der Weise, daß sie alles Land, das im Niveau des mittleren Meerstandes oder noch darunter liegt, mit Dämmen oder Deichen von geringer Höhe umgeben haben, ähnlich wie es mit großen Theilen von Holland (Hohlland) der Fall ist.