Zu drei schillernden Wiener Bauten, die in der maroden k.u.k. Monarchie um 1900 entstanden, machte sich die Gemeine auf Spurensuche. Anlass dazu bot die Frage 2 der Nro. 402.
Bei dem ersten Meisterstück handelt es sich um die Kirche am Steinhof, die das Gelände des späteren Sozialmedizinischen Zentrums Baumgartner Höhe überragt. Dazu Volkmar Mitterhuber, Baden: "Die ursprünglich vom Kronland Niederösterreich eingerichtete "Landesirrenanstalt"" befindet sich seit 1922 "im Eigentum der Stadt Wien ... Die weitläufige Anlage der sechzig Pavillons umfassenden Heilanstalt" liegt "auf den Hängen des Gallitzinberges" in Wien-Penzing.
"Treibende Kraft" bei der Entstehung des Sanatoriums ab 1904 war, so Harry Lang, Wien 12, "der Referent für Wohlfahrtswesen Leopold Steiner". Den Architekten ergänzt Brigitta Born, Bernhardsthal: Otto Wagner (1841-1918).
Das teils unter Denkmalschutz gestellte Areal sorgte in den letzten Jahren regelmäßig für Schlagzeilen. Meinungen zu Neubebauung und Nutzung gehen weit auseinander.
Attest: Zweckdienlich
Zur dortigen Kirche am Steinhof notiert Dr. Karl Beck, Purkersdorf, die Bauzeit: 1904 bis 1907.
Dr. Peter Schilling, Wien 18, merkt zur Inneneinrichtung an: Wagner wollte "Funktion und Form ... in Einklang bringen. Bis in kleinste Details folgt er seinem ... programmatischen Kernsatz: "Artis sola domina (est) necessitas", d.h. Die einzige Herrin der Kunst ist die Nützlichkeit." Diesem Motto treu ließ sich der Meister "bei der Planung von Ärzten und Pflegern beraten".
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Zeitreisenmedicus Dr. Manfred Kremser, Wien 18, zählt einige der vorbildlichen Hygienevorkehrungen auf: "Statt Weihwasserbecken gibt es Wasserspender mit dünnem Strahl; auch eigene
Toilettenanlagen wurden eingebaut; die Betstühle haben keine scharfen Kanten ..., sie sind mit Kupferblechen geschützt, damit sie täglich feucht gereinigt werden können".
Die Einweihung "am 8. Oktober 1907" erwähnt Wolfgang Woelk, Gotha/D: Als Redner war Franz Ferdinand (1863-1914) geladen. Ing. Alfred Kaiser, Purkersdorf: "Zwischen dem Erzherzog ... und Wagner gab es allerdings ... gestalterische Meinungsverschiedenheiten."
Franz Ferdinand war nicht der einzige, der den üppigen Maria-Theresianischen Stil bevorzugte. Dafür hatte Wagner, der seinen Bau als "erste moderne Kirche Europas" pries, freilich wenig Verständnis. Nach einem Schlagabtausch erwähnte der Thronfolger den Architekten nicht in seiner Ansprache. Michael Chalupnik, Sieghartskirchen: Wagner "bekam vom Kaiserhaus keine Aufträge mehr".
Dem Zankapfel stattete Prof. Brigitte Sokop, Wien 17, einen Besuch ab und übermittelte eine Foto des Gotteshauses (s. Abb. oben).
Widerstandsfähige Flora

Zu einem anderen Bauprojekt aus dem Fin de Siècle notiert Gerhard Toifl, Wien 17: In der Zeit, in der "der Wienfluss reguliert" wurde, hatte Otto Wagner "die Vision, die Wienzeile zwischen dem Karlsplatz und Schönbrunn zu einem Prachtboulevard umzugestalten."
Dessen Verwirklichung blieb Utopie, aber einige Bauten wurden doch umgesetzt, darunter das "Majolikahaus". Zum Begriff erklärt Brigitte Schlesinger, Wien 12: ""Majolika" stammt aus dem Italienischen und bezeichnet die spanische Insel Mallorca", auf der traditionell Keramik produziert wird. Der Begriff hat sich für die Technik "Fayence", also Töpferei "mit Zinnglasur", eingebürgert.
Das im "Atelier Wagner" entworfene sechsgeschossige Zinshaus entstand, so Alice Krotky, Wien 20, "1898-1899 im Ensemble". Herbert Beer, Wolfpassing: Zwei der Gebäude "befinden sich in der Linken Wienzeile (Nr. 38 und 40, Anm.) im Bereich des Naschmarktes". Dr. Alfred Komaz, Wien 19, ergänzt: "Das dritte Haus dieser "Modellgruppe"", in dem "Otto Wagner selbst wohnte", liegt ums Eck "in der Köstlergasse Nr. 3".
Gesandter i.R. Dr. Josef Litschauer, Wien 10, fügt an: "Mit dem Entwurf des Majolikahauses war innerhalb des Ateliers Gustav Roßmann betraut ... Der bunte florale Fliesendekor wurde nach einem Entwurf von Wagners Schüler Alois Ludwig ... von der Wienerberger Ziegelfabrik angefertigt." Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Dt.-Wagram, dazu: Die Hausverkleidung "mit witterungsunempfindlichen Platten ... ist die einzige Realisierung der von Wagner propagierten polychromen Fassaden". Er führte sie "auf eigene Kosten" aus.
Glänzende Fassade

Den dritten in der Fragestellung erwähnten Bau aus der Feder eines anderen Architekten nennt Dr. Harald Jilke, Wien 2: Die französische Botschaft am Schwarzenbergplatz, Wien 4. Manfred Bermann, Wien 13, schlug nach: Die offizielle Adresse lautet Technikerstraße 2, weil der Eingang "nicht an der dem Platz zugewandten Seite liegt".
Maria Thiel, Breitenfurt: Den Entwurf fertigte Georges-Paul Chédanne (1861-1940) an. Dem Chefarchitekten des französischen Außenministeriums wurde, so Mag. Karin Frühwirt, 1901 die Planung übertragen. Mag. Robert Lamberger, Wien 4: Die Baubewilligung erfolgte drei Jahre später.
An den dekorativen Details arbeiteten "verschiedene französische Künstler" mit, wie Martha Rauch, Wien 14, festhält; stilistisch orientierten sie sich am "Art Nouveau". Prof. Dr. Monika Rath, Wien 7, merkt an: Das Palais ähnelt "vornehmlich den Häusern der "Avenue Victor Hugo" in der französischen Hauptstadt."
Die verspielte Fassade verwirrte. Ing. Helmut Penz, Hohenau/March: Man behauptete fälschlicherweise, dass "die Pläne der für Istanbul und Wien" vorgesehenen Botschaften vertauscht worden seien - "der Stil des Art Nouveau" wirkte in Wien "fremdartig, offenbar "orientalisch"".
Bezugsfertig war das Palais 1909, die letzten Möbel wurden im Juli 1914 geliefert - ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, wie Christine Sigmund, Wien 23, erläutert: "Der Erste Weltkrieg war soeben ausgebrochen." Die Fassade zierte ein goldenes Bildnis als Symbol für "die österreichisch-französische Freundschaft ..., von der nun nichts mehr zu bemerken war." Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs bezog 1955 "ein französischer Botschafter" wieder den - inzwischen auch in Wien liebgewonnenen - Bau.
Zusammenstellung dieser Rubrik: Christina Krakovsky