"An uns, ihr Frauen, ist die Reihe / Zu kämpfen jetzt für unser Recht. / Drum einger Sinn uns Mut verleihe / Zu sein nicht mehr ein schwach Geschlecht." So beginnt ein Lied, das die Frauenrechtlerin Therese Schlesinger eigens für den anstehenden Kampftag gedichtet hatte.
Es war, so Dr. Alfred Komaz, Wien 19, der "Erste Internationale Frauentag . . . am 19. März 1911", auf den sich Frauenvereine in der ganzen Monarchie wochenlang vorbereitet hatten. Die Gemeine ließ diese Kundgebung anlässlich der Frage 2 der Nro. 414 Revue passieren. An diesem Sonntag versammelten sich, so Ing. Heinrich Eder, Grödig/Sbg., etwa 20.000 Demonstrierende. Ing. Alfred Kaiser, Purkersdorf: Sie zogen "über die Ringstraße zum Rathaus." Gefordert wurde, so Neotüftler Dr. Edgar Feuerstein, Wien 1, "Gleichberechtigung von Mann und Frau". Im Fokus, ergänzt Dr. Wilhelm Baier, Graz-Andritz, stand das Ringen um "freies, geheimes und gleiches Wahlrecht für Frauen."

Dieses war, so Neo-Nussknacker Harald Mandl, Gerasdorf, 1907 eingeführt worden, "aber nur für Männer!" Das trieb die Benachteiligung der weiblichen Bevölkerung auf die Spitze. Durch Abschaffung des davor gültigen Kurienwahlrechts, das nur einer kleinen Elite Mitsprache ermöglichte, verloren sogar die wenigen Großgrundbesitzerinnen ihr (beschränktes) Stimmrecht.
Auf eine publizistische Waffe im Kampf um demokratische Beteiligung verweist Neozeitreisender Dr. Peter Autengruber, Wien 8, mit der seit 1892 existierenden "Arbeiterinnen-Zeitung". Die "Zeitschrift für Frauenstimmrecht" führt Christine Sigmund, Wien 23, an; das Organ der bürgerlichen Frauenbewegung erschien ab 1911 in Wien.
Mit Marianne Hainisch (1839-1936) nennt Gesandter i.R. Dr. Josef Litschauer, Wien 10, eine Führerin der bürgerlichen Frauenbewegung. Hainisch war "bereits 1870 für die Gleichberechtigung" eingetreten, indem sie bessere Bildung für Mädchen forderte.
Revolutionäre Wurzeln
Auch "in Linz, Graz, Salzburg, Bregenz und anderen Orten" gingen im Frühjahr 1911 "Tausende auf die Straße", notieren Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Dt.-Wagram. In Wien sprachen der Vorsitzende der Sozialdemokraten, "Viktor Adler, und die Vorreiterin der sozialistischen Frauenbewegung in Österreich, Adelheid Popp. Sie hielt eine . . . kämpferische Rede in den Blumensälen" im "Gartenbaugebäude am Parkring" (heute befindet sich an der Stelle das Gartenbaukino).
Die Abhaltung eines Frauentages, merkt Dr. Karl Beck, Purkersdorf, an, war auf "der sozialdemokratischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen" beschlossen worden. Gerhard Toifl, Wien 17, erwähnt die "deutsche Sozialistin Clara Zetkin" (1857-1933), die dabei eine tragende Rolle spielte.
Man hatte "kein verbindliches Datum" festgelegt, so Volkmar Mitterhuber, Baden; in der Monarchie fand er "in Absprache mit den deutschen Sozialdemokratinnen" am 19. März 1911 statt. An diesem Tag "gedachten die Arbeiterinnenbewegungen beider Länder der Märzgefallenen von 1848." Weiters beging man den Frauentag in Dänemark, den USA, und der Schweiz.

Apropos 1848. Karl Finkenzeller, Wien 14, dazu: Damals, "am 28. August", wurde in Wien der erste politische Frauenverein ins Leben gerufen. Dr. Harald Jilke, Wien 2: Anlass "war die blutige Niederschlagung einer Protestbewegung (Praterschlacht am 23. August), die aufgrund einer . . . Lohnreduktion für Hilfsarbeiterinnen im öffentlichen Bauwesen stattfand." Es "starben 18 Menschen und 282 wurden verletzt". Der "Erste Wiener Demokratische Frauenverein" setzte sich u.a. für den "Zugang zur Bildung" ein. Die Initiatorin nennt Neo-Tüftler Mag. Wolfgang Stelzmüller, Wien 9: Karoline von Perin-Gradenstein (1806-1888); die Presse beschimpfte sie als "schmutzige Amazone".
Prof. Brigitte Sokop, Wien 17: "Treibende Kraft" waren Frauen auch "beim Hambacher Fest". Die demokratisch-republikanische Kundgebung fand 1832 auf dem Hambacher Schloss (nun Rheinland-Pfalz) statt.
Noch weiter blickt Ing. Helmut Penz, Hohenau/ March, zurück: Schon "während der Französischen Revolution" verlangten Frauen "unter der Devise "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" das . . . Wahlrecht."
In Österreich dauerte es, so Helmut Erschbaumer, Linz, bis zur "Ausrufung der Republik am 12. November 1918". Dann erhielten "die Frauen endlich ihre bürgerlichen Rechte".
Brand in Textilfabrik
"Bereits 1909", so Michael Chalupnik, Sieghartskirchen, "organisierten nordamerikanische Sozialistinnen erstmals einen nationalen Frauenkampftag". Auf die USA 1911 blickt auch Mag. Robert Lamberger, Wien 4: Eine Kämpferin für Frauenrechte war Rose Schneiderman(n), die unter dem Motto "Bread and Roses" bessere Arbeitsbedingungen forderte. 1911 kam es zu einer Brandkatastrophe in einer New Yorker Textilfabrik, wobei 146 Menschen umkamen, größtenteils Mädchen und junge Frauen. Bei der Gedenkveranstaltung trat Schneiderman als Rednerin auf und prangerte den unzulänglichen Brandschutz an.
Die wichtige Rolle der Textilarbeiterinnen in der Frauenbewegung allgemein hebt Herbert Beer, Wolfpassing, hervor.
Ein tragisches Ereignis in England anno 1913 erwähnt Prof. Dr. Monika Rath, Wien 7: "Die Aktivistin Emily Wilding Davison lief während eines Pferderennens auf die Rennbahn", um auf die Forderungen der Suffragetten aufmerksam zu machen. Sie kollidierte mit dem Ross König Georges V. und erlitt Verletzungen, denen sie später erlag.
Tüftlerin Prof. Dr. Rath zur damaligen Lage in England: Nachdem die Frauen bei der Wahlrechtsreform 1867 "leer ausgegangen waren, versuchten es die Suffragetten . . . zunächst mit Überzeugungsarbeit. Doch nach über 40 (!) Jahren erfolglosen Engagements radikalisierte sich ein Flügel". Nach einer gescheiterten Gesetzesnovelle 1910 setzten Aktivistinnen "auf offene Rebellion". Es gab viele Presseberichte "über Frauen, die in Polizeiwägen abtransportiert wurden, in Gefängnissen in Hungerstreiks traten und . . . unter brutalsten Bedingungen zwangsernährt wurden."
Nach Russland schaut Brigitte Schlesinger, Wien 12: "Am 8. März 1917 demonstrierten anlässlich des Internationalen Frauentages in St. Petersburg die Arbeiter- und Soldatenfrauen und lösten damit die Februarrevolution aus." Um daran "zu erinnern, wurde 1921 in Moskau der 8. März als internationaler Gedenktag vorgeschlagen."
"Lenin selbst", so Dr. Manfred Kremser, Wien 18, soll sich, "nach Aufforderung von Alexandra Kollontaj und anderen Vorkämpferinnen", dafür eingesetzt haben.
P.S. Mit der Zusatzorchidee zu China 1911 beschäftigte sich u.a. Manfred Bermann, Wien 13. Details folgen in einem Monat!
Zusammenstellung dieser Rubrik: Andrea Reisner