In vollem Galopp jagt ein Soldat auf seinem Pferd vorbei, um eine wichtige Nachricht zu überbringen. Andernorts schleppt ein schwer bepacktes Tier Waffen an die Front. Wiederum woanders blickt ein mit aller Härte abgerichtetes Schlachtross in den Lauf eines Vorderladers. Der Einsatz von Armeepferden, die über den Ausgang eines Gefechts entscheiden konnten, war einst unverzichtbar - und kostspielig. Nicht zuletzt deshalb fiel im 18. Jahrhundert die Idee, eine medizinische Anstalt für Kriegs- und Nutzpferde zu schaffen, auf fruchtbaren Boden. Zu dieser Einrichtung recherchierte der Tüftlerkreis anlässlich der Orchidee der Nro. 438.

Unvergleichlich besser hatten es die Hündchen, die auf den Schößen Wohlhabender Platz nahmen.
- © F. G. Waldmüller: Mädchen mit Hund in Ischl, 1835/Belvedere"Die Gründungsphase der Wiener Veterinärmedizin", so Maria Thiel, Breitenfurt, "hing eng zusammen mit den europaweiten Prozessen der Institutionalisierung der Tiermedizin." Dazu kam eine generelle "Reformierung des Medizinwesens". Zu diesem Stichwort erwähnt Mag. Robert Lamberger, Wien 4, die Neuorganisation der Spitäler und insbesondere die Eröffnung des um- und ausgebauten Wiener Allgemeinen Krankenhauses 1784.
Schon genannte Zeitreisende Thiel kommt zurück zur Tierheilkunde: Zusätzlich wollte man der Bedrohung durch "permanent wütende Tierseuchen" begegnen. Um krankes Vieh hatten sich traditionell sogenannte "Tierheiler", etwa "Abdecker, Sauschneider oder Hirten" sowie auch Schmiede, gekümmert. Sie brachten wohl Erfahrung im Umgang mit Vierbeinern mit, aber eine spezielle Ausbildung hatte es lange nicht gegeben.
DI Gerhard Raimann, Alland, fährt fort: "Auf Befehl von Maria Theresia" wurde die "k.k. Pferde-Curen- und Operationsschule" unter der "Leitung des Fahnenschmieds Ludwig Scotti" in Wieden (heute Wien 4) gegründet und 1767 eröffnet. DI Karin Endler, Wien 23, erklärt zu seiner Berufsbezeichnung: Ein "Fahnenschmied war eine in der Reiterei sowie bei allen berittenen oder bespannten Militäreinheiten (also z.B. von Pferden gezogene Wägen, Anm.) ... übliche Bezeichnung für einen gelernten Schmied."

Der kranke "Tschockerl", Hund eines wohlhabenden Wieners, wurde 1874 gleichzeitig mit anderen hier abgebildeten Vierbeinern, im Tierspital gepflegt.
- © Bild: Illustr. Wr. ExtrablattPriv.-Doz. Dr. Monika Huber, Arbesbach, dazu: Die Bildungsstätte sollte "zur Behandlung von Militärpferden und zur Ausbildung von Fahnenschmieden" dienen. Sie gilt als Vorläufer der heutigen Veterinärmedizinischen Universität in Wien.
Gesund geschlachtet
Zurück ins 18. Jahrhundert führt Dr. Karl Beck, Purkersdorf (der übrigens als langjähriger Katzenbesitzer das Fachgebiet zu schätzen weiß): Als Nachfolgeinstitution wurde "1777 ... das k.k. Thierspital und Thier-arzneyschule unter Johann Gottlieb Wolstein (1738- 1820) eröffnet."
Dr. Alfred Kopecek, Wien 2, fügt an, dass das "Ziel des neuen Tierspitals ... nicht nur Pferde- ..., sondern auch die Nutztiermedizin" allgemein war.
Allerdings, so Prof. Mag. Anton Roither, Nußdorf am Attersee, (willkommen in der Gemeine!), versorgte es dennoch "in erster Linie (Armee-)Pferde."

In der "Roß-Artzney-Kunst", einem über tausend Seiten umfassenden Werk, konnten Verzweifelte ab 1678 nach Linderung für kranke Klepper suchen. "Die Würm" plagen dieses Tier - tödliche Biester, die "Gedärme durchfressen". Abhilfe soll u.a. Quecksilber oder "warm Blut von einer Ganß" schaffen.
- © Dieses und die folgenden drei Bilder: Georg S. Winter: Curioser Stallmeister oder vollständige Roß-Artzney-Kunst, 1691/Digitalisat: SLUB Dresden, gemeinfrei. Kolorierung: Philipp AngelovDie Einrichtung war in der Rabengasse, heute Beatrixgasse, Wien 3, untergebracht. Dr. Alfred Komaz, Wien 19, dazu: "Die Lage der Schule in der damaligen Wiener Vorstadt ermöglichte ... städtischen und ländlichen Nutztierbesitzern (also in der Hauptsache von Pferden, Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen, nicht aber von Haustieren im heutigen Sinne) in und um Wien das (relativ) problemlose Erreichen dieser Anstalt." Außerdem war der Standort von Vorteil, da er unweit der Landstraße lag, über die "Wien mit Schlachtrindern aus Ungarn versorgt wurde". Damit konnten Viehhändler "allenfalls kranke oder wunde Tiere hier abgeben und behandeln lassen. Der Viehmarkt und (ab ca. 1850, Anm.) die Schlachthäuser befanden sich ja bekanntlich in St. Marx."
Übrigens wurde das Institut bereits 1801 dem Hofkriegsrat unterstellt. Helmut Erschbaumer, Linz, weiter: 1816 setzte "ein kaiserliches Dekret die Professoren des Thierarzney-Instituts" denen "der Universität gleich."
Schmiede und Affen
"Das Tierspital bedeutete eine Novität", stellt Ing. Alfred Kaiser, Purkersdorf, fest: Es wurden nicht nur kranke Tiere verarztet, sondern auch "Lehrer und Schüler mit Patienten" versorgt. Damit folgte man "dem Konzept einer Verbindung von Lehre und Forschung". Mag. Elisabeth Huberger, Wien 22, wirft ein: "Ab 1841" konnte man dort "den Titel "Magister der Thierheilkunde"" erlangen.
Schon erwähnter Geschichtsfreund Ing. Kaiser weiter: Zum Studium "waren vorerst nur Studenten oder Absolventen der Humanmedizin, die sich zusätzlich zum "Tierarzt" ausbilden ließen, sowie Schmiede zugelassen. Erst ab 1849 auch Absolventen" anderer Schulen.
Üblicherweise, so Manfred Bermann, Wien 13, waren die Leiter des Thier-arzney-Instituts Humanmediziner. Von "1812 bis 1848" war es "sogar ... der medizinisch-chirurgischen Fakultät der Universität Wien unterstellt."

Hier werden "Purgationen" vorgenommen, Einläufe etwa aus Kräutersud, Milch oder Wein.
- © S.ob.An dem Standort in der Vorstadt Landstraße "erfolgte ... auch die Eröffnung eines Hundespitals", wie Dr. Manfred Kremser, Wien 18, festhält. Brigitte Schlesinger, Wien 12, dazu: "Um 1800 hatte das aufsteigende Bürgertum begonnen, Hunde in Wohnungen zu halten" - ein Luxus, den sich bis dato nur der Adel leisten konnte. "Mitte des 19. Jahrhunderts waren es schon über 1.000 Hunde", die jährlich in der Klinik unterkamen.
Ein großes Übel war die grassierende Tollwut, die anno 1874 übrigens auch einen gewissen Tschockerl, den vierbeinigen Freund eines reichen Wieners, befiel. Der Kranke erhielt zwar rasch einen Platz im Thierspital, verendete aber an dem schrecklichen Leiden. Damals widmete ein Wiener Blatt dem Patienten eine Titelgeschichte - die dafür erstellte Zeichnung kann rechts betrachtet werden.
Tüftlerin Schlesinger weiter: "Ab den 1850er-Jahren finden sich" auch in "der "Wiener Zeitung" ... Annoncen", die dazu ermuntern, ""Hunde, Katzen, Pferde und Affen" ins Hundespital zu bringen." Primaten als Heimtiere zu halten, galt als Statussymbol. Freilich zeigt ein aufmerksames Studium der Protokolle, dass "Affen und Katzen" nur selten als Patienten aufgenommen wurden.
Militärschüler bevorzugt

Der Beulen verursachenden "Pestilenz", die den Schimmel befallen hat, rückte man einst mit Aderlass zu Leibe.
- © S. ob.Nach der Revolution 1848 wurde die Anstalt von der Universität Wien getrennt und war für kurze Zeit eigenständig. Ing. Helmut Penz, Hohenau/March, notiert: Damit standen nicht mehr nur kriegsbedingte Interessen der Pferdemedizin im Fokus. Allerdings blieben die "Militärschmiede ... eine der einflussreichsten Studentengruppen am Institut."
Das Spital wurde 1852, wie Gerhard Toifl, Wien 17, recherchierte, "erneut dem Militär unterstellt und trug fortan den Namen "Militär-Thierarzney-Institut"". Das hatte beträchtliche "Auswirkungen auf die Ausbildung", denn "Militärschüler wurden zunehmend bevorzugt ... Die Unzufriedenheit bei den Zivilhörern führte immer wieder zu Protesten, bis es schließlich in den frühen Jahren des 20. Jh.s zu Demonstrationen kam", die im März 1914 in "einer blutigen Auseinandersetzung" gipfelten.

Ist es bei solchen Nöten ein Wunder, dass ein feinsinniges Ross wie auf diesem Bild von der "Melancholia" erfasst wurde?
- © S. ob."Trotz dieser Konflikte", so Geschichtsfreund Toifl weiter, hatte "die Schule 1896 die Erhebung von einem Institut zu einer Hochschule" erreicht.
Gesandter i.R. Dr. Josef Litschauer, Wien 10, informiert: Die Anstalt erhielt "1908 ... das Recht zur Verleihung des akademischen Grades "Doctor medicinae veterinariae" (Promotion)". Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Deutsch-Wagram, fügen abschließend an: Bis heute ist sie "die einzige Fachuniversität ihrer Art in Österreich".
P.S. Details zur Zusatzorchidee rund um den erwähnten Leiter des k.k. Thierspitals Johann Gottlieb Wolstein folgen im März.
Zusammenstellung dieser Seite: Christina Krakovsky