Ruppige Ober, lange Wartezeiten, falsch aufgenommene Bestellungen und die leidige Pflicht, bei all dem auch noch Trinkgeld geben zu müssen - mit diesen unerfreulichen Seiten eines Lokalbesuchs sollte nun endlich Schluss sein. Wie? Ganz einfach: Mit mechanischen Garçons!
Als im Frühling 1895 am Zoologischen Garten in Berlin das erste Automatenbuffet Europas aufsperrte, drängte das neugierige Publikum zu den imposant aussehenden Verkaufsapparaten, die wie von Zauberhand Getränke oder Leckerbissen ausspuckten.
Es dauerte nicht lange, bis diese Art von Gaststätten auch in anderen Städten Fuß fasste. Als die "Wiener Zeitung" am 1. März 1898 in der Rubrik "Vermischtes" meldete, dass München demnächst ein ständiges "Automatisches Restaurant" erhalten soll, hatten sich derartige Einrichtungen neben Berlin u.a. bereits in Hamburg und Wien bestens bewährt.

Auch München soll – nach Berlin, Hamburg oder Wien – ein Automatenrestaurant bekommen, so die "WZ" am 1. März 1898 unter der Rubrik "Vermischtes".
- © WZ-Faksimile: M. SzalapekOb Kaffee, Bier, Wein und Cognac oder belegte Brötchen, warme Würste und vieles mehr - gegen Einwurf von (...) Münzen spendeten die Maschinen das Gewünschte. Das Prinzip: Hier wurde nicht bedient, hier hieß es sich (...) selbst bedienen.
Schon 1897 hatte die Donaumetropole ein derartiges Lokal kennengelernt. Damals wurde das Automatenbuffet "Quisisana" in der Ausstellung "Venedig in Wien" eröffnet und lockte, direkt neben dem nigelnagelneuen Riesenrad, zahlreiches Publikum an. Die Gäste wussten die dienstbereiten Kästen zu schätzen. Kaum rollten 20-Heller-Stücke in einen Schlitz, flossen die Getränke aus Hähnen oder wurden hinter Glas wartende Imbisse wie Kaviar- oder Schinkenbrote freigegeben.
Aus dem Prater-Kuriosum entwickelte sich bald eine feste Einrichtung. Vor Weihnachten 1897 eröffnete eine Filiale in der Kärntnerstraße 57. In den folgenden Jahren schossen Automatenbuffets in allen größeren Städten wie die Schwammerl aus dem Boden.

Im Prater eröffnete 1897 Wiens erstes mechanisches Restaurant "Quisisana".
- © Bild (gemeinfrei): "Wr. Bilder" 1897Sogar Technik-Skeptiker Franz Joseph beehrte eines der futuristischen Etablissements, nämlich 1906 in Reichenberg (tschech. Liberec) auf der "Deutschböhmischen Ausstellung". Was hielt der 75-jährige Kaiser wohl von den mechanischen Helfern? Oder vom Motto "Bediene Dich selbst"?
Oft boten die Buffets ihren Gästen ein weiteres Novum. So besaß das erwähnte Münchner Maschinen-Café auch etliche Musikautomaten. Ein Jüngling namens Valentin Ludwig Fey, später als Karl Valentin (1882- 1948) berühmt, machte sich laut eigenen Angaben einen Spaß daraus, "jedesmal ein Zehnerl in das elektrische Klavier einzuwerfen", sobald ein Gast eine andere Musik spielen ließ, "so daß es immer zu greulichen Dissonanzen kam".
Unheimliche Szenen spielten sich ab, als 1905 ein nächtlicher Brand in besagtem Münchner Lokal ausbrach. Mitten im Flammenmeer stimmte eine automatische Orgel ihre Melodie an. Die mechanischen Klänge mischten sich mit den Hilfeschreien der Gäste einer im selben Gebäude befindlichen Pension. Menschen wurden zum Glück keine verletzt. Die Maschinen aber verbrannten.
München wurde ebenso wie Wien der Automaten-Cafés irgendwann überdrüssig. Die Magie der anfangs prächtig im Jugendstil verkleideten Geräte verblasste, die Anonymität zog zwielichtige Gestalten an. Der Wiener Autor Anton Kuh (1890-1941) bezeichnete die "spiegelschimmernden Stätten der Verkommenheit" 1918 in einem Feuilleton als "Schlußakt-Lokalitäten des Polizeiberichtes".
Während die mechanischen Kantinen hierzulande in den 1930ern langsam aus der Mode kamen, wurden sie anderswo zum Renner: In den USA perfektionierte man das Konzept des günstigen und vor allem schnellen Essens. "Im Automatenrestaurant", so der "rasende Reporter" Egon Erwin Kisch (1885-1948), "verschlingen die New Yorker binnen fünf Minuten ihre Mahlzeit".

Maria Leitner (1892-1942) prangerte 1926 Ausbeutung in US-Schnellrestaurants an.
- © Foto (gemeinfrei): RijksmuseumAls Geschirrabräumerin schleuste sich 1926 die in Alt-Österreich geborene Journalistin Maria Leitner (1892-1942) bei "Horn & Hardart", einer der größten "Massenabfütterungsanstalten" des Big Apple, ein. Dass hinter den Speiseautomaten menschliche "Automaten" bis zum Umfallen schufteten, blieb von außen unsichtbar.Menschen sind jedoch keine perfekten Maschinen, wie Anton Kuh feststellte; "sie können nicht so rasch und klaglos funktionieren, weil in ihrem Gehäuse ein Defekt ist: ein Stückchen weichgetriebener und löschblattpappiger Seele."
Kopfnuss: Welcher Dichter erfand das Wort Roboter für Maschinenmensch? (Geknackte Kopfnuss auf der nächsten Seite)