Es waren "widrige Umstände (...) in seinen Privatgeschäften", die zu einer Kundmachung in der "Wiener Zeitung" im Namen des Kaufmanns William Bolts (1738-1808) führten. Am 18. und 21. Dezember 1782 schaltete unser Blatt Informationen zu seinem Finanzgebaren. Damit sollten Investoren versichert werden, dass sein vor Triest liegendes Schiff "Kobenzel" wie geplant über das Kap der Guten Hoffnung im Süden Afrikas nach Kanton in China segeln werde können.

Um seine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, wurde in der Einschaltung Bolts Werdegang vorangestellt: "Obristlieutenant Wilhelm Bolts, vormals einer der ersten Beamten der englischen Kompagnie in Ostindien, dermalen aber seit 6 Jahren in k.k. Diensten, und Mitdirektor der von ihm zu Stande gebrachten Triester ostindischen Handelssocietät".

Mit dieser Persönlichkeit und ihren Ideen für österreichische Handelsbeziehungen beschäftigte sich die Gemeine anlässlich der Frage 2 der Nro. 438.

Zunächst begibt sich Brigitte Schlesinger, Wien 12, in die unsicheren Fahrwasser der Quellen rund um Bolts Geburt: Die Herkunft "des am 7. Februar 1738 als Sohn von Sarah und William Bolts in Amsterdam" Geborenen war "bereits zu dessen Lebzeiten ungewiss. Zwar berichtete der Gesandte Österreichs am britischen Hof, Ludovico Luigi Carlo Maria di Barbiano e Belgiojoso (1728-1801) am 1. November 1774 nach Wien, "ein von deutschen Eltern gebohrner Engländer"" sei an ihn herangetreten. In biographischen Werken wird Bolts jedoch oftmals als Niederländer ausgewiesen.

Über seine Erfahrungen auf Handelsreisen publizierte Bolts ausführlich. Ob dieses Frontispiz aus seinen "Considerations . . ." ihn selbst zeigt, ist unklar.  
- © Bilder (2): Archiv/zit. Werk

Über seine Erfahrungen auf Handelsreisen publizierte Bolts ausführlich. Ob dieses Frontispiz aus seinen "Considerations . . ." ihn selbst zeigt, ist unklar. 

- © Bilder (2): Archiv/zit. Werk

Unterschiedlich überliefert wird auch die Kontaktaufnahme zwischen dem Kaufmann und dem Wiener Hof. Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Deutsch-Wagram, zitieren jene Version, nach der Bolts die Initiative ergriff: Er habe sich an den kaiserlichen Gesandten mit der Bitte gewandt, eine durch das Haus Habsburg-Lothringen "protegierte Unternehmung gegen Indien beginnen zu dürfen". Der Diplomat sei "von der Expertise des Weltreisenden begeistert" gewesen und leitete den Vorschlag an Maria Theresias Berater weiter.

Kritische Stimme

Welche Referenzen der Händler mitbrachte, recherchierte Gesandter i.R. Dr. Josef Litschauer, Wien 10: Bolts war über "zehn Jahre in Diensten der britischen East India Company (EIC) gestanden (hauptsächlich in Bengalen, im Nordosten des indischen Subkontinents, Anm.), hatte beachtlichen Reichtum angesammelt", sich zuletzt aber mit seinen Auftraggebern überworfen.

Dazu beigetragen hat wohl sein berühmtestes und nicht unkritisches, 1772 erstmals erschienenes Werk über die britische Herrschaft in der Region (Buchtitel im englischen Original s. Bild). Dazu Ing. Helmut Penz, Hohenau/March: Seine Darlegungen "bieten eine einzigartige Quelle für Gelehrte, die sich mit der Natur der Gesellschaftsherrschaft in Bengalen befassen".

Betrachtungen zu indischen Angelegenheiten von William Bolts (London 1772). 
- © Bild: Archiv/zit. Werk

Betrachtungen zu indischen Angelegenheiten von William Bolts (London 1772).

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Offizieller Entlassungsgrund war, so Mag. Elisabeth Huberger, Wien 22, dass "er sich angeblich mit dem Handel von Diamanten bereichert hatte". Es folgte, wie Dr. Manfred Kremser, Wien 18, herausfand, ein "mehrjähriger Rechtsstreit mit der EIC", in dem Bolts zwar einen Teil seines Vermögens zurückerlangte, "aber im Oktober 1773 war er Bankrott". Und "eine Rückkehr nach Indien war ihm von Seiten der EIC untersagt worden, weshalb er den Gang ins Exil wählte." Frankreich und Portugal verweigerten ihm die gewünschte Protektion - daher nahm "er mit dem Wiener Hof Kontakt auf".

Zum Interesse Maria Theresias am Überseehandel kommt Helmut Erschbaumer, Linz: Nach dem Siebenjährigen Krieg und dem Verlust fast ganz Schlesiens "konzentrierte sich die Donaumonarchie auf ost- und südeuropäische sowie überseeische Absatzgebiete." Getauscht werden sollten "Quecksilber, Kupfer, Eisen, Stoffe und Glaswaren . . . gegen Tee, Gewürze, Reis, Salpeter, Farbhölzer, Porzellan und Musseline-Stoffe".

Um diese "Kolonialbestrebungen umzusetzen", gründete die Herrscherin, wie DI Karin Endler, Wien 23, notiert, die "Triestiner Ostindische Handelskompagnie".

Blockade auf Madeira

Bolts hatte zuvor, so Dr. Alfred Komaz, Wien 19, "1775 am Wiener Hof seinen Plan präsentiert". Er erhielt "die Bewilligung, für zehn Jahre Schiffe unter kaiserlicher Flagge für den Handel mit Asien ausrüsten zu dürfen". Wien stellte Güter und Soldaten. Das "Patent enthielt ausdrücklich auch die Privilegien, kaiserliche Niederlassungen und Stützpunkte in Übersee" zu errichten sowie mit Sklaven zu handeln. Dr. Harald Dousek, Wien 2, fand heraus, dass "das Antwerpener Bankhaus Proli . . . bei der Finanzierung des Unternehmens" half.

Jetzt konnte es also losgehen. Aber, wie zuvor erwähnter Tüftler Dr. Komaz festhält, man hatte "österreichischerseits . . . Wert darauf gelegt, dass vor allem England nicht zu früh von diesem neuen Konkurrenten im Asienhandel erfahre". Doch durch Indiskretion gelangte die Information sogar an Zeitungen.

Bolts kaufte auf den Britischen Inseln einen Frachter. Als er damit, wie Michael Chalupnik, Sieghartskirchen, erwähnt, "im März 1776 den Hafen von Liverpool verließ", geschah das noch unter der Bezeichnung "Earl of Lincoln". Erst "auf offener See wurde dann die österreichische Flagge gehisst und das Schiff in "Joseph und Theresia" umgetauft".

Es segelte zunächst, erläutert Dr. Wilhelm Richard Baier, Graz-Andritz, bis nach Livorno in Italien, das "in den Herrschaftsgebieten von Leopold, Großherzog der Toskana", einem Sohn Maria Theresias, lag.

Nach der Beladung erfolgte die Weiterfahrt. Dazu fand bereits zitierte Tüftlerin Mag. Huberger eine Notiz im "Wienerischen Diarium" (das ab 1780 "Wiener Zeitung" hieß) vom 12. Oktober 1776: Das Schiff sei am 24. September "mit günstigem Winde . . . unter Segel gegangen".

Schon erwähnter Zeitreisenmedicus Dr. Kremser zog ebenfalls das "Diarium" als Quelle heran und erfuhr daraus von "den ersten Schwierigkeiten" bei einem Zwischenstopp in Madeira. Der Frachter habe, so vermeldete unser Blatt am 1. Februar 1777, von seiner "Ladung von verschiedenen Waaren . . . nicht das geringste . . . absetzen können, indem der Statthalter von Madera (sic!) keinen Tausch" gestattet hatte. Geschichtsfreund Dr. Kremser vermutet, dass diese Blockade "unter dem Druck englischer Agenten - im Auftrag der EIC" - erfolgte.

Unglück oder Absicht?

Bolts war "mit 152 Mann Besatzung losgesegelt, darunter 25 Soldaten", wie Johann Grabner, Linz, recherchierte. Im März "1777 wurde die Delagoa-Bucht angelaufen", beim heutigen Maputo in Mozambique. "Eigentlich hätte die Fahrt bis Indien gehen sollen", doch unter dem (erfundenen?) Vorwand, "auf eine Sandbank aufgelaufen zu sein, hatte Bolts auf die Delagoa-Bucht übergesetzt und eine Niederlassung gegründet. Sie sollte vor allem dem Elfenbeinhandel dienen, wobei Bolts vorwiegend . . . eigene Interessen verfolgte."

Mag. Robert Lamberger, Wien 4: Eine "kleine Befestigung . . . wurde errichtet". Danach ging es Richtung Malabarküste an der Südspitze des indischen Subkontinents weiter.

Dort unternahm, wie Gerhard Toifl, Wien 17, betont, die EIC "alle Anstrengungen", Bolts "Aktivitäten zu vereiteln". Dennoch konnte er mit einem lokalen Herrscher die Errichtung von Handelsbetrieben vereinbaren.

"Joseph und Theresia" schickte er unterdessen auf die weiter östlich gelegenen Nikobaren. Dazu fand Ing. Alfred Kaiser, Purkersdorf, einen Text aus dem entwicklungspolitischen "Südwind-Magazin" vom Juli 2000: "Der Archipel erschien wegen seiner günstigen strategischen Lage und einem natürlichen Hafen zur Anlage einer Faktorei besonders geeignet." Lokale Herrscher "unterzeichneten mit Fingerabdruck einen "Zessionsvertrag"", also die Abtretung des Gebietes. Österreich nahm einige der Inseln "in Besitz und ernannte Gottfried Stahl zum österreichischen Residenten. Mit fünf Soldaten, einem Berg Lebensmitteln und den notwendigsten Gebrauchsgütern blieb er auf den Nikobaren zurück".

Kurzlebige Besitzungen

Zuvor erwähnter Zeitreisender Grabner ergänzt: Bis heute ist eine der Nikobaren-Inseln wohl "nach Maria Theresia benannt: Teressa".

Die Übersee-Stützpunkte der Habsburger währten nicht lange. Maria Thiel, Breitenfurt, notiert, dass jener im heutigen Mozambique "bis 1781" bestand. "Dann ging er an die Portugiesen." Dr. Karl Beck, Purkersdorf, weiter: Sie "bemächtigten sich . . . der Faktorei . . . und der Schiffe" der österreichischen Kompagnie. Diese hatte noch versucht, Waren "aus China nach Triest zu bringen", ging jedoch daraufhin bankrott und musste "im April 1785" liquidiert werden.

Auf den Nikobaren war, erläutert schon genannter Geschichtsfreund Erschbaumer, "mit dem Tod Gottfried Stahls 1783 . . . diese Episode der unrühmlichen österreichischen "Kolonialgeschichte" zu Ende, die zudem ein voller finanzieller Misserfolg war."

Bolts selbst war, so eingangs zitierte Spezialtüftlerin Schlesinger, "1781 nach Europa zurückgekehrt" und "wandte sich bereits neuen, kaum weniger abenteuerlichen Projekten zu".

Aus der "Wiener Zeitung" wissen wir z.B., dass er 1783 noch einmal versuchte, unter dem kaiserlichen Privileg eine Fahrt nach Ostindien auszurüsten. In zwei Ausgaben, am 15. und 18. Jänner 1783, wird zu den Plänen ausführlich berichtet. Ob sie jemals umgesetzt wurden, bleibt unklar.

Bereits erwähnter Nussknacker Dr. Litschauer ergänzt, dass Bolts später "vorübergehend in schwedische Dienste" trat, dann in London und Lissabon lebte und "1808 in einem Pariser Armenspital" starb.

Zu guter Letzt ein Literaturtipp: Viele der hier wiedergegebenen Informationen finden sich in einem ausführlichen Artikel von Historiker Dr. Stefan Meisterle ("Zeitschrift für Weltgeschichte", Heft 2/2008).

Zusammenstellung dieser Seite: Barbara Ottawa