Es geschah "am 10. Juni 1732" in "den Elbe-Auen bei Brandeis, Mittelböhmen", 20km nordöstlich von Prag, geht Michael Chalupnik, Sieghartskirchen, gleich in medias res. Damals ereignete sich ein tödlicher Unfall, den die Gemeine anlässlich der kleinen Nuss Nro. 439 akribisch aufrollte. Was war geschehen?
Kaiser Karl VI. hielt sich mit Entourage in Prag auf und wollte sich in der Umgebung waidmännischen Vergnügungen widmen. Mag. Thomas Krug, Wien 1: Auch Adam Franz Fürst zu Schwarzenberg war bei einer "Hirschjagd nahe Brandeis an der Elbe (Brandýs nad Labem)" mit von der Partie. Ing. Alfred Kaiser, Purkersdorf, weiter: Dabei kam es "zu einem verhängnisvollen Fehler". Der Kaiser und der Fürst stellten sich "nur 80 Schritt (ca. 60m, Anm.) voneinander entfernt" auf, und zwar so unglücklich, dass sie einander in der Schusslinie standen. Die Treiber scheuchten Hirsche auf.

Das Palais Schwarzenberg, nun Wien 3, hatte der 1732 verunglückte Fürst ausbauen lassen.
- © Bild (gemeinfrei): RijksmuseumGöttliche Vorsehung?
Prof. Brigitte Sokop, Wien 17, weiter: Als eines der Tiere "zwischen ihnen durchbrach, schoss der Kaiser und traf" - aber nicht den Hirschen, sondern "den Fürsten in den Unterleib."
Da Schwarzenberg auch Herzog von Krumau war, erinnerte sich Helmut Erschbaumer, Linz, anlässlich der Thematik "an die zahlreichen Ausflüge zu meiner "Lieblingsstadt"", tschech. Český Krumlov. Zum Unglück notiert der Tüftler: Der Fürst fiel "zu Boden, schrie vor Schmerzen und wurde in einem kleinen Bauernwagen ins Schloss Brandys gebracht. Schwer erschüttert und dem Zusammenbruch nahe, verließ der Kaiser die Jagd". Er wollte den Sterbenden "dann noch besuchen". Dieser "aber lehnte das ab".
Auch den kaiserlichen Chirurgen schickte Schwarzenberg fort. Wie Alice Krotky, Wien 20, berichtet, mit folgenden Worten: "Der Herr soll nach Prag zurückkehren, denn seine kaiserliche Majestät erschrak sicher sehr und es wird nötig sein, ihn zur Ader zu lassen." Weiters bat er, der Kaiser möge sich seiner Frau, seines Sohnes sowie seiner Untertanen annehmen. Herbert Beer, Wolfpassing, zitiert weiter: "Es ist die Entscheidung des Himmels, dass ich von Seiner Hoheit erschossen wurde." Zu diesem heute befremdlich wirkenden Satz merkt Tüftler Beer an: Es spiegelt sich darin "Loyalität und hohes Standesbewusstsein".
Wie eine knappere Überlieferung der letzten Worte lautet, berichtet Mag. Elisabeth Huberger, Wien 22: "Stets sei es seine Schuldigkeit gewesen, für den Kaiser sein Leben hinzugeben".Ein Grillparzer-Titel kommt dabei Dr. Alfred Komaz, Wien 19, in den Sinn: "Ein treuer Diener seines Herrn"!
Um welches Kaliber es sich bei Karls Opfer handelte, erläutert Maria Thiel, Breitenfurt: Adam Franz zu Schwarzenberg (geb. 1680) "war als Oberststallmeister des Kaisers einer der höchsten Hofbeamten, ihm unterstanden die herrschaftlichen Pferdeställe und die Spanische Hofreitschule". Er war "einer der mächtigsten Fürsten seiner Zeit".
In Wien ist der Name u.a. durch das nahe dem Belvedere gelegene Schwarzenbergpalais nach wie vor präsent, wirft Dr. Karl Beck, Purkersdorf, ein: Es war "1716 von Schwarzenberg erworben" worden. Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Dt.-Wagram, ergänzen, dass der Bau im Wesentlichen "bis 1726 fertiggestellt" wurde.
Das Schwarzenbergdenkmal am gleichnamigen Platz erinnert hingegen, so Dr. Manfred Kremser, Wien 18, an einen berühmten Nachfahren des 1732 Verunglückten, nämlich den Feldherrn Karl Philipp zu Schwarzenberg (1771- 1820), dessen Truppen 1813 "in der Völkerschlacht bei Leipzig" einen Sieg gegen Napoleon errangen.
Zurück zu 1732: Nach ca. 12-stündigem Todeskampf starb der Fürst "am 11. Juni . . . um drei Uhr nach Mitternacht", so Dr. Harald Jilke, Wien 2; die Leiche wurde "ins Palais Schwarzenberg auf dem Hradschin" in Prag gebracht und die Kugel entfernt. Diese "ist . . . im Krumauer Schloss aufbewahrt". Die Beisetzung fand "am 25. Juni 1732" in der Familiengruft in der Wiener Augustinerkirche statt. Sein Herz wurde "in der Kapelle der St. Veitskirche in Krumau begraben", die "Eingeweide . . . in Wittingau" (tschech. Třeboň).
"Diarium" als Quelle
Der einstigen Berichterstattung widmete sich schon zitierter Tüftler Dr. Komaz: Unser Blatt, damals "Wienerisches Diarium", notierte am 11. Juni 1732, dass Karl VI. bereits am 6. des Monats nach Brandeis gereist war. Am 18. Juni präzisierte es, der Regent habe sich am 10. mittags "zu einer Jagd nacher Brandeis erhoben" und sei "Abends wieder in Dero Residentz zuruck gekehret". Kein Wort vom Unfall.
In Zeiten von Zensur wäre das kein Wunder. Für Journalisten war es äußerst heikel, den Kaiser "anzuschießen". Schwächen oder Fehler des Regenten waren tabu. Und immerhin ging es um ein Menschenleben, das dieser auf dem Gewissen hatte . . . Doch es gilt weiterzublättern. In der Nummer vom 21. Juni wurde Gesandter i.R. Dr. Josef Litschauer, Wien 10, fündig. Darin wird über die Tragödie berichtet (s. Teil-Faksimile oben). Dr. Litschauer hebt den Satz hervor, dass Schwarzenberg "etwas aus dem ihme angewiesenen Posto gewichen" sei, d.h. dass er seine Position verändert hatte. Damit wird angedeutet, dass er selbst Schuld trug. Die Version des Hofes (und in solchen Angelegenheiten musste sich das "Diarium" ebenso wie andere Blätter an Vorgaben von oben halten) war darauf bedacht, Karl VI. zu entlasten.
Ing. Helmut Penz, Hohenau/March, ergänzt: Aufgrund der hohen Stellung der Beteiligten, konnte eine Kommission "zu keinem anderen Schluss kommen", als dass es ein "unglücklicher Zufall" war.
Letzter Wunsch
Karl war sich "sehr wohl bewusst, dass er den Tod des Fürsten verschuldet hatte" und bemühte sich um Wiedergutmachung, merkt Brigitte Schlesinger, Wien 12, an: "Keinen ganzen Monat nach der Tragödie" wurde Schwarzenbergs Sohn, der zehnjährige Joseph I. Adam, zum Ritter des Goldenen Vlieses ernannt - ein "noch nicht dagewesener Fall" in der Geschichte des Ordens.
Einen letzten Wunsch des Sterbenden zitiert Gerhard Toifl, Wien 17: "Nach meiner Ankunft im Himmel werde ich Gott bitten, dass er dem Kaiser eine lange Regierung und einen Nachfolger gönnt." Ein solcher (gemeint war natürlich "ein männlicher" Erbe) blieb jedoch aus. Nach dem Tod Karls VI. folgte ihm 1740 "Tochter Maria Theresia . . . auf den Thron."
P.S. Über Schwarzenbergs Witwe Eleonore wird hier berichtet!
Zusammenstellung dieser Rubrik: Andrea Reisner