Seit 62 Stunden gleitet das Unterseeboot durch die eisige Finsternis unter der Arktis. Navigationsoffizier und Kapitän schwitzen über den Ortungsgeräten. Die Musikbox wird abgestellt, es herrscht gespannte Stille, nur die Atomkraftmaschine schnurrt und die Sonar-Geräte geben ihre regelmäßigen Töne von sich. Dann beginnt der Kapitän den Countdown: "Zehn - acht - sechs - vier - drei - zwei - eins - ZIEL!"

Die USS Nautilus passiert "als erstes Wasserfahrzeug . . . den geographischen Nordpol", hält Maria Thiel, Breitenfurt, zur 1. Frage der Nuss Nro. 340 fest. Und zwar, so Maria Schoßmann, Wien 19, "am 3. August 1958 . . . um 23.15 östlicher Sommerzeit, in Europa also am 4. August". Kapitän William R. Anderson atmet auf, die Mannschaft jubelt.

Jubel nach Sputnik

"Operation Sunshine" hieß die "geschichtsträchtige Polarreise", so Volkmar Mitterhuber, Baden, die für die Nautilus am 9. Juni 1958 in Seattle begonnen hatte. Ing. Helmut Penz, Hohenau/ M.: "Am 19. Juni erreichte sie die Tschuktschensee, musste jedoch wegen zu viel Treibeis umkehren".

"Am 23. Juli setzte die Nautilus wieder Kurs nordwärts", so Herbert Beer, Wolfpassing; "am 1. August ging sie in der Nähe von Point Barrow (Alaska) auf Tauchstation". Mag. Robert Lamberger, Wien 4: "Nach 3000km Fahrt unter dem Eis" tauchte die Nautilus "am 5. August 1958 nordöstlich von Grönland auf." Dort konnte sie den legendär gewordenen Funkspruch "Nautilus Ninety North" abgeben, womit sie signalisierte, dass sie sich auf 90 Grad nördlicher Breite, also am Nordpol, befand.

Die psychologische Wirkung dieser Nachricht spricht Christine Sigmund, Wien 23, an: "Die USA hatten dringend einen Erfolg gebraucht . . . Die Sowjets hatten ihren "Sputnik" (im Okt. 1957, Anm.) in den Weltraum gesandt", der Schock saß den Amerikanern noch in den Knochen.

Über weitere Motive für die geheime Arktis-Mission dachte Dr. Alfred Komaz, Wien 19, nach: "In den 1950ern gab es noch keine wirtschaftlichen . . . Gründe, am Nordpol aufzutauchen", im Gegensatz zu heute. Ing. Mag. Hermann Schuster, Baden, verweist auf Öl- und Gasvorkommen, die die Arktis derzeit zur umstrittenen Region machen.

Michael Chalupnik, Sieghartskirchen, betont, dass bei der Polfahrt der Nautilus "militärische Zwecke" überwogen. Manfred Bermann, Wien 13: Die enormen Strecken, die sie tauchen konnte, erforderten ein Umdenken bei der "Bekämpfung von U-Booten . . . diese mussten bis dahin ja periodisch auftauchen, nachdem die . . . Akkumulatoren erschöpft waren".

Die Nautilus hatte hingegen eine viel stärkere Energiequelle. MedR DDr. Othmar Hartl, Linz: Sie war das "erste atomgetriebene Unterseeboot der Erde" und lief "1954 vom Stapel". Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Dt.-Wagram, erwähnen, dass die Mission auch eine "Werbetour für die Atomkraft" war, denn die amerikanische Bevölkerung "hatte Angst . . . vor radioaktivem Regen".

U.a. unterstützte Filmproduzent Walt Disney PR-Aktionen. 1954, so Gerhard Toifl, Wien 17, kam auch die Disney-Verfilmung von Jules Vernes Roman "20.000 Meilen unter dem Meer" in die Kinos. Darin geht es um ein U-Boot namens Nautilus mit mysteriösem Antrieb. Die literarische Vorlage erschien, so Dr. Karl Beck, Purkersdorf, 1869/70.

Ähnlich wie das fiktive Boot bot auch die 97,5m lange USS Nautilus ihrer 116-köpfigen Besatzung manchen Luxus. Dr. Günter Fostel, Wien 18: "An Bord befanden sich zahlreiche Annehmlichkeiten wie z.B. eine Waschmaschine . . . sowie Kaffee- und Cola-Automaten." Prof. Helmut Bouzek, Wien 13, ergänzt: "Eine Bibliothek mit über 600 Bänden". Ob Vernes Werke auch dabei waren?

Auf einen Konnex zwischen Dichtung und Wirklichkeit stieß Mag. Georg Schilling, Wien 18: Als die USS Nautilus 1963 in einem französischen Hafen lag, soll ihr ein direkter Nachfahre Jules Vernes einen Besuch abgestattet haben.

Ihre "letzte Reise" unternahm die Nautilus, wie Ing. Gerhard Saxinger, Wien 15, anmerkt, 1979. Franz Kaiser, Wien 11: "1986 wurde sie als Museumsschiff der Öffentlichkeit zugänglich gemacht."

Ing. Alfred Kaiser, Purkersdorf, nennt "das erste nukleare Gegenstück" der UdSSR: Die Leninski Komsomol erreichte 1962 den nördlichsten Punkt der Erde. "Als erstes über Wasser fahrendes Schiff", so Robert Porod, MBA, Frauenhofen/Horn, kam 1977 "der sowjetische Atomeisbrecher Arktika" zum Nordpol.

Perlboot als Pate

Schon als Bub war DI Wolfgang Klein, Wien 21, von der USS Nautilus fasziniert. Zu Weihnachten 1958 oder 1959 bekam er als "wichtigstes Geschenk den Bausatz von "Revell"", den er "sofort ausprobierte"!

"Sehr einfallsreich waren die Namensgeber für U-Boote nicht", stellt Prof. Brigitte Sokop, Wien 17, fest. Schon um 1800 "nannte der Amerikaner (Robert Fulton, Anm.) sein erstes, ausschließlich aus Metall gebautes U-Boot "Nautilus"."