Als der Tiergarten Schönbrunn nach dem Zweiten Weltkrieg seine Pforten wieder öffnete, hielt das Publikum nach manchem Liebling vergeblich Ausschau. So fehlten die Elefanten "Pepi" und "Mädi". Laut Bericht der "Österreichischen Volksstimme" war "Mädi" im Mai 1944 gestorben, ""Pepi" musste im Oktober 1939 wegen zunehmender Bösartigkeit . . . erschossen werden". Das "Neue Österreich", die von VP, SP und KP herausgegebene Zeitung, überbrachte die gute Nachricht, dass u.a. das Flusspferdpaar noch lebte und im Krieg sogar ein Junges, Vally, bekommen hatte. Ihre Behausung musste die Dickhäuterfamilie allerdings u.a. mit einem Tapir teilen. "Auch in Schönbrunn herrscht eben Wohnungsnot", so der Bericht.

Diese und andere zeitgenössische Artikel sandte Mathilde Lewandowski, Payerbach, zur kleinen Nuss Nro. 351 rund um den Wiener Tiergarten in Kriegszeiten ein. Das historische Material erhielt die Tüftlerin von Dr. Gerhard Heindl, Historiker des Zoos, der schon bei Recherchen zur September-Zeitreise um Schönbrunns erstes Flusspferd weiterhalf - Chapeau!

Geflügelzucht geplant

Verzweifelter Aufruf des Zoos in der "WZ", Nov. 1945. - © WZ-Faksimile: Iris Friedenberger
Verzweifelter Aufruf des Zoos in der "WZ", Nov. 1945. - © WZ-Faksimile: Iris Friedenberger

Zu den Anfängen der einst kaiserlichen Einrichtung notiert Herbert Beer, Wolfpassing: Sie "geht auf Franz Stephan von Lothringen", Gatte Maria Theresias, zurück. Der Tiergarten wurde 1752 eröffnet. Er ist "einer der ältesten, wenn nicht sogar der älteste . . . Europas".

Bei den Recherechen zur Ära des Ersten Weltkriegs stieß Tüftler Beer auf einen dramatischen Vorfall, von dem die "WZ"-Spätausgabe "Wiener Abendpost" am 10. Mai 1918 berichtete: "Vor dem Käfig des Eisbären in der Schönbrunner Menagerie gab gestern abend ein Mann aus einer Browning-Pistole auf den Eisbären fünf Schüsse ab. Das Tier wurde . . . erheblich verletzt. Der Mann wurde . . . festgenommen. Er gab an, . . . Landsturmschütze zu sein. Zur Prüfung seines Geisteszustandes wurde er ins Garnisonspital Nr. 1 gebracht." In anderen Quellen heißt es, er habe dem Tier die vermeintliche Fleischration geneidet. "Tatsächlich lebte der Eisbär aber von Fischköpfen", ergänzt Peter Sobek, Wien 11, der allgemein zur damaligen Situation erläutert: "1914-1918 ging der Bestand um mehr als die Hälfte zurück." Das weitere Schicksal des Tiergartens: "1921: . . . Umwandlung . . . in eine Geflügelzuchtanstalt geplant", was "durch Spenden" abgewendet wurde. Schließlich: "Weiterführung als staatliche Einrichtung".

Hilfe auf Russisch

"Der Zweite Weltkrieg hatte ebenfalls schwerwiegende Auswirkungen auf den Zoo", stellt Dr. Josef Litschauer, Wien 10, fest: "Etwa 200 Bomben explodierten in den Tiergehegen. Von ursprünglich 3500 Tieren befanden sich zu Kriegsende noch ca. 1500 im Tiergarten. Viele waren getötet worden, andere entkamen . . . Wieder andere waren gestohlen und geschlachtet worden."

"Warum die Fliegerangriffe gerade auf Schönbrunn, das Palmenhaus, den Tiergarten" zielten, fragte sich Prof. Dr. Monika Rath, Wien 7 - "Galten sie vielleicht der nahen Fasangartenkaserne", die "ab 1938 . . . SS-Kaserne" war und "seit 1967 Maria-Theresien-Kaserne" heißt?

Christine Sigmund, Wien 23: "Am 9. April 1945 kamen die ersten russischen Soldaten über die Gloriette." Der Krieg war vorbei. Aber der Tiergarten, dessen Leiter Otto Antonius an diesem Tag Suizid begangen hatte, kämpfte u.a. mit Personalmangel. Wie Tüftlerin Sigmund recherchierte, sollen sich "acht Tierpfleger und drei Tierpflegerinnen" um "1500 Tiere" gekümmert haben.

Dazu kam laut Gertrud Pflügler, Fels/Wagram, Futtermangel. "Karl (Karli) Rebernigg (1880-1958, Anm.) hatte seinen Zirkus . . . während der letzten Kriegswochen im Tiergarten Schönbrunn untergestellt." Der Zirkusdirektor, "der perfekt Russisch sprach, ging mit den Tierpflegern zum russischen Kommandanten und schilderte die Not so drastisch, dass der Mann Mitleid hatte und befahl, für Schönbrunn "Soldatenrationen" auszugeben."

So wurden, wie Dr. Karl Beck, Purkersdorf, fortsetzt, "die Tiere unter Mithilfe der Roten Armee verköstigt."

Als Wiens Westen mit dem Zonenabkommen zum britischen Sektor wurde und die sowjetische Hilfe aufhörte, wandte sich der seit Juli 1945 amtierende Leiter des Tiergartens, Dr. Julius Brachetka (1916-2011), im November mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit. Publiziert wurde er in der "Wiener Zeitung" (Tüftlerin Lewandowski schickte ihn). Es sei bisher schon ein Wunder gewesen, die täglich nötigen 240kg Fleisch und 800kg Heu aufzutreiben. Für den Winter sei man dringend auf Heuspenden angewiesen. Brachetka schrieb später in seinem Buch "Schönbrunn und sein Tiergarten" (1947): Man unternahm "Schritte bei allen inländischen Stellen (...) bis zum damaligen Kanzler Dr. Renner (...). Hilfsbereit waren wohl alle, tatsächlich helfen konnte aber nur (...) die russische Besatzungsmacht." Mit ihrer Unterstützung brachte man die Tiere über den kritischen Winter 1945/ 46. Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Dt.- Wagram: "Später halfen die britischen Besatzungstruppen beim Wiederaufbau."