
Erdäpfel sind bekanntlich Nachtschattengewächse. In den Zeitreisen fallen sie aber ausnahmsweise unter die Kategorie der Orchideen, um genau zu sein der Zusatzorchidee der Nuss Nro. 366. Zur Einstimmung auf das schmackhafte Thema listet Michael Chalupnik, Sieghartskirchen, Ausdrücke für die Frucht auf: "Tartüffeln, Erdbirne, . . . Hollandeier, Erdtoffeln, . . . Potaken, Pantüffeln, Bulwen, Grumbeere" etc. Einen Namen, der bei uns noch manchmal zu hören ist, ergänzt Klaus-Peter Josef, Tulln: "Bramburi", was soviel heißt wie "aus Brandenburg kommend".
Der lange Weg der Frucht nach Europa begann in einem Dorf in den Anden, so Volkmar Mitterhuber, Baden: "1537 entdeckten die spanischen Eroberer die Kartoffel im Andendorf Sorocota und nutzten sie als Proviant für die Fahrt nach Spanien . . . 1588 kam die Kartoffel durch . . . Carolus Clusius (1526-1609) nach Deutschland". (Übrigens: Auch nach Wien, wo er 1573-88 kaiserlicher Botanicus war und seit 1876 im 9. Bezirk eine Gasse nach ihm benannt ist, brachte er den Erdapfel.) Anfangs wurde die Kartoffel, so Tüftler Mitterhuber, aber eher "als Zierpflanze in fürstlichen Lustgärten" genutzt.
Erdapfel-Pionier Plautz
Bald zog die Nahrhaftigkeit der Knolle Interesse auf sich. Dr. Friedrich Pifl, Wien 19, merkt an, dass ab "1770 Hungersnöte in Europa" herrschten. Auch das k.k. Reich war betroffen.
"Im 17. und 18. Jh.", so Christine Sigmund, Wien 23, brauchte man Unsummen "für die Kriegsführung, so wurde halt beim Volk gespart bzw. wurde das Volk geschröpft . . . Die Bauern mussten der Obrigkeit so viel abliefern", dass ihnen oft selbst nicht genug blieb.

"Die ersten Erdäpfel im Gebiet des heutigen Österreich", so Dr. Edwin Chlaupek, Wien 3, "wurden auf Initiative des Abtes Kaspar Plautz um 1620 im Bereich des Stiftes Seitenstetten angebaut. Erst Maria Theresia erkannte dann die Bedeutung . . . für die Ernährung der Bevölkerung."
Brigitte Schlesinger, Wien 12: "Eine richtige Einführungskampagne . . . gab es in Österreich nicht, denn Maria Theresia soll . . . in der Kartoffelfrage eher unschlüssig gewesen sein. Da die Knolle nämlich nicht zehentpflichtig war, hatte die Gutsherrschaft nichts davon. Es gab sogar geistliche Gutsherren, die . . . gegen die Kartoffel predigten."
Um sie in Preußen unters Volk zu bringen, so Gemeine-Mitglied Schlesinger, erließ Friedrich II. 1756 "den ersten der sog. Kartoffelbefehle mit dem Auftrag, "denen Herrschaften und Unterthanen .. . anzurathen, dass sie noch dieses Früh-Jahr die Pflantzung . . . unternehmen"." Man erzählt, "dass Friedrich II. seine Bauern regelrecht ins Kartoffelglück prügeln ließ."
Initiatoren waren hierzulande, so Dr. Karl Beck, Purkersdorf, "Herrschaftsbeamte, Pfarrherren, Handwerksgesellen, fortschrittliche und weitgereiste Bauern, aber auch Industrielle wie der Niederländer von Thys, der im Auftrag Maria Theresias in Klagenfurt eine Tuchfabrik errichtet hatte und die ersten Versuche mit Kartoffeln in Kärnten angestellt haben soll."
"Speziell im Waldviertel", so Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Dt.- Wagram, "wurde der Anbau in der Ortschaft Pyhrabruck (nicht weit von Gmünd, Anm.) . . . befohlen. 1761 machte Johann Eberhard Jungblut, ein luxemburgischer Pfarrer, die Kartoffel im Weinviertel bekannt." Einen Durchbruch, so Ing. Alfred Kaiser, Purkersdorf, "schaffte die Knolle im bayrischen Erbfolgekrieg zwischen Preußen und Österreich 1778-79, der besser als "Kartoffelkrieg" bekannt ist. Die verfeindeten Truppen beraubten sich gegenseitig der Verpflegung und gruben sogar die Kartoffeln aus." (Hierzulande kennt man den Konflikt als "Zwetschkenrummel".)
Karge Kriegskost
Zum "Volksnahrungsmittel" wurden Erdäpfel schließlich "in der Not der Napoleonischen Kriege", merkt MedR DDr. Othmar Hartl, Linz, an. "Auch im . . . Ersten und Zweiten Weltkrieg spielten sie eine wichtige Rolle"; so erinnert sich der Spurensucher daran, dass in seiner Schulzeit Kartoffeln oft auf dem Speiseplan standen.
Gesandter i.R. Dr. Josef Litschauer, Wien 10, zum 19. Jh.: "Der eigentliche Umschwung zur Anpflanzung dieser Feldfrucht erfolgte in vielen Gegenden Österreichs . . . unter dem Einfluss der bahnbrechenden Forschungen . . . des deutschen Wissenschaftlers Albrecht Daniel Thaer (1752-1828). Er plädierte . . . für die Einführung der Fruchtwechselwirtschaft, die auf die Brache verzichten konnte und . . . die althergebrachte Dreifelderwirtschaft ersetzte".
Zu dieser erläutert Dr. Manfred Kremser, Wien 18: In "dreijährigem Zyklus werden Wintergetreide und Sommergetreide angebaut, danach kann sich der Boden als Brache ein Jahr erholen." Bei diesem Stichwort fällt dem Tüftler das "Simmering der 1950er" ein. "Für uns Kinder waren diese . . . Gstettn ideale Spielplätze". Abenteuerlich wie eine Anden-Expedition war es, "wenn wir von den . . . bebauten Feldern zwei, drei Knollen bei Dunkelheit ausgruben und sie am offenen Feuer mehr verbrannten als köstlich zubereiteten . . ."