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075 - Helgas einjährige Flucht 1945
Dass eine Oma von WZ-Trainee Daniela Pirchmoser Helga getauft wurde, hat mit den Wirren in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs zu tun. Denn als sie 1945 zur Welt kam, schien ihre damals achtjährige Cousine Helga auf der Flucht aus Ostpreußen vor der Roten Armee verschollen, und mit dem Namen Helga sollte die Erinnerung an sie lebendig gehalten werden.
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Doch dann kam alles anders, erzählen Oma Helga und Enkelin Daniela im Zoom-Gespräch mit WZ-Host Mathias Ziegler, der durch diese vorletzte von fünf Spezialfolgen im WZ-Podcast „Weiter gedacht“ zum 80. Jahrestag des Weltkriegsendes führt. Darin geht es um eine fast einjährige Flucht von Königsberg (damals Ostpreußen, heute die russische Enklave Kaliningrad) ins rund 1.000 Kilometer entfernte Darmstadt in Hessen, bei der auch der Untergang der „Wilhelm Gustloff“ eine wichtige Rolle spielte. Die Versenkung dieses nach einem NSDAP-Funktionär benannten deutschen Passagierdampfers am 30. Jänner 1945 durch die Rote Armee kostete je nach Schätzung zwischen 4.000 und 9.000 zivile Menschenleben.
Produziert von „hört hört!“.
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Infos und Quellen
Genese
Redakteur:innen der WZ haben es sich zur Aufgabe gemacht, in der persönlichen Familienhistorie zu graben. Konkret handelt es sich um die Jahre der Nazi-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs. Eine Zeit, über die lang nicht gesprochen wurde und über die in den meisten Familien nicht viel bekannt ist. WZ-Trainee Daniela hat dafür mit ihrer Oma gesprochen. Und auch wenn sich die Geschichte anderes entwickelt hat, als sie erwartete, zeigt sie nun, wie wichtig es ist, mit Verwandten und Zeitzeug:innen zu sprechen, solang sie da sind.
Gesprächspartnerin
Danielas Oma Helga wurde 1945 in Darmstadt (Hessen) geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie teilweise bei der Familie ihrer Cousine Helga in Braunschweig. Bei einem Skiurlaub in Tirol lernte sie ihren späteren Ehemann Herbert kennen. Sie blieb dort und bekam drei Söhne sowie vier Enkel:innen.
Quellen
Siemens Historical Institute: Informationen des Berufsweges von Cousine Helgas Vater
Daten und Fakten
Der Spanische Bürgerkrieg (1936–1939) war ein blutiger Konflikt zwischen Republikanern und Nationalisten unter Francisco Franco. Die Republikaner wurden von der Sowjetunion und internationalen Brigaden unterstützt, die Nationalisten von Hitler-Deutschland und Mussolinis Italien. Nach Francos Sieg begann eine jahrzehntelange Diktatur. Der Krieg war ein Vorbote des Zweiten Weltkriegs und prägte moderne Kriegsführung und Propaganda.
Königsberg, die Hauptstadt Ostpreußens, war im Zweiten Weltkrieg von strategischer und symbolischer Bedeutung für das Deutsche Reich. Die Stadt diente als wichtiger militärischer Stützpunkt und Nachschubbasis an der Ostfront, wurde aber ab 1944 massiv von der Roten Armee angegriffen. Nach einer monatelangen Belagerung kapitulierte Königsberg am 9. April 1945, womit der letzte deutsche Widerstand in Ostpreußen gebrochen war. Die Stadt wurde danach von der Sowjetunion annektiert, in Kaliningrad umbenannt und ist bis heute russisches Gebiet mit großer geopolitischer Bedeutung.
Die nationalsozialistische Propaganda spielte das Vorrücken der Roten Armee lang herunter und verbreitete bis zuletzt die Illusion eines möglichen deutschen Siegs. Selbst als sowjetische Truppen bereits nah waren, wurden Rückzugsbefehle verzögert oder verboten, wodurch hunderttausende Zivilist:innen von der Flucht abgeschnitten wurden. Erst als die Front vollständig zusammenbrach, begann eine panische, oft unorganisierte Flucht, die von extremem Leid, Kälte und sowjetischer Vergeltung geprägt war.
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