Genese
Wenn WZ-Redakteurin Petra Tempfer mit ihrem Bruder Wolfgang in der Schlange bei einer Kassa steht und ihr Bruder spricht alle rund um sich herum an, dann reagieren viele unsicher, peinlich berührt. Wolfgang Tempfer ist kognitiv beeinträchtigt, und das könnte der Grund für die Reaktionen der anderen sein. Um herauszufinden, warum die Gesellschaft offenbar noch immer eine scharfe Grenze zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zieht, hat Petra Tempfer die neue Behindertenanwältin Christine Steger ins Podcast-Studio eingeladen.
Gesprächspartnerin
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Christine Steger ist seit März 2023 neue Behindertenanwältin. Sie wurde von Sozialminister Johannes Rauch für eine Amtszeit von vier Jahren zur Anwältin für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen in Österreich bestellt. Die 43-jährige Christine Steger ist langjährige Leiterin der Abteilung Family, Gender, Disability & Diversity der Paris Lodron Universität Salzburg. In dieser Funktion war sie an der Schaffung barrierefreier Lehr-, Lern- sowie Arbeitsbedingungen und an Projekten zur Gleichstellung von Universitätsangehörigen mit Behinderungen und der Vermittlung bei Konflikten beteiligt. Seit 2018 ist sie Vorsitzende des Unabhängigen Monitoring-Ausschusses, der die menschenrechtliche Situation von Menschen mit Behinderungen in Österreich analysiert und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention kontrolliert. Die Tätigkeiten umfassen die Begutachtung von Gesetzesentwürfen sowie -novellen, das Verfassen von Stellungnahmen und diverse Informationsmaßnahmen für die Öffentlichkeit. Als Behindertenanwältin hat Christine Steger die Funktion ihres Vorgängers Hansjörg Hofer übernommen, der im September 2022 verstorben ist. Die Funktion wurde öffentlich ausgeschrieben.
Die Behindertenanwaltschaft des Bundes agiert selbstständig und unabhängig und ist an keine Weisungen gebunden. Sie ist für die Beratung und Unterstützung von Personen zuständig, die sich im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes oder des Behinderteneinstellungsgesetzes diskriminiert fühlen.
Daten und Fakten
Der 2003 eröffnete Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim umfasst neben der Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie auch die Ausstellung „Wert des Lebens".
Quellen
Archiv:
Blickt man hunderte Jahre zurück, war von Barrierefreiheit noch gar keine Rede. Ganz im Gegenteil: Menschen mit Behinderungen wurden als „Cretins“ bezeichnet – der Cretinismus sei „das schrecklichste der menschlichen Leiden“, schrieb die Wiener Zeitung am 9. Juni 1845 (Seiten 3 und 4). Als erfolgreiche Errungenschaft wird allerdings im selben Artikel über die erste sogenannte „Cretinen-Anstalt“ Europas auf dem Abendberg im Berner Oberland folgendermaßen berichtet:
Das Baden, besonders elektrisch-magnetische, dann auch Staub-, Dusche und gewöhnliche Bäder, werden mit gutem Erfolge angewendet; eine zweckmäßige, geregelte Wahl der Nahrungsmittel, Sorge für Reinlichkeit, innere und äußere Anwendung der entsprechenden Medikamente, gymnastische Übungen zur Beförderung der Stärkung und Gewandtheit der Muskulatur sind vereint, um die Ebenbürtigkeit dieser verlassenen Waisen der Natur gegen ihre glücklicheren, aber oft gefühllosen Mitbrüder zu beweisen und sie körperlich und geistig in den Kreis bürgerlicher Brauchbarkeit einzuführen. Wohl erkennt und fühlt die Anstalt die Schwierigkeit der Lösung ihrer Aufgabe, aber sie findet Trost und Ermunterung darin, dass ihr durch Gottes Segen in der kurzen Zeit ihres Bestehens die Freude schon zu Teil geworden ist, mehrere Kinder, die körperlich und geistig völlig verkrüppelt waren und als hoffnungslos betrachtet wurden, vollständig geheilt entlassen zu können.
Die Wiener Zeitung über den sogenannten Cretinismus und die erste „Cretinen-Anstalt" Europas im Berner Oberland im Jahr 1845. Mehrere Kinder, „die körperlich und geistig völlig verkrüppelt waren", konnten geheilt entlassen werden, schrieb die Wiener Zeitung 1845. Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (Rechtsinformationssystem des Bundes)
Das Thema in der WZ
Video: (K)ein Recht auf Schule
Das Thema in anderen Medien
Der Standard: Der Kampf gegen Isolation und Unsichtbarkeit
orf.at: Christine Steger zur Behindertenanwältin Österreichs bestellt
Kleine Zeitung: Mein Unfall hat mich radikalisiert
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