
"Wiener Zeitung": In den Koalitionsverhandlungen soll es eine Einigung darüber geben, dass alle Lehrer in die Verantwortung der Länder kommen sollen. Nach Berichten der "Wiener Zeitung" zu diesem Thema macht sich jetzt Widerstand breit. So ist Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek klar dagegen, ebenso wie Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der damit das Aus für nationale Bildungsreformen wie die Bildungsstandards, die ganztägigen Schulformen, die neue Lehrerausbildung und das Dienstrecht sowie die Zentralmatura, sieht.
Michael Schratz: Die Bildungssysteme sind dort erfolgreich, wo die Möglichkeit des Entscheidens bei der Basis liegt - also bei den Schulen. Wenn man nun die Lehrer an die mittlere Instanz, also die Länder, verlagert, wird deren Einflussbereich stärker. Bildungspolitik ist jetzt schon schwierig, weil die Länder nationale Bemühungen verhindern und am Ende ein Kompromiss steht. Je mehr Instanzen es gibt, umso schwieriger wird die Umsetzung jeder Maßnahme. Es ist zu befürchten, dass es für Lehrer noch schwieriger wird, von einem Bundesland in ein anderes zu wechseln und es besteht die Gefahr von neun Bildungspolitiken - ähnlich dem Kantönligeist in der Schweiz, die gerade versucht, davon weg zu kommen. In Finnland sind die Kommunen für die Schulen verantwortlich, der Staat gibt Normwerte vor. Das setzt sehr viel Vertrauen in die Schulen voraus, das bei uns leider fehlt. Wenn man die Schulleiter in ihrer Rolle und Funktion stärkt und ihnen gleichzeitig Verantwortung einräumt, dann braucht es diese Zwischeninstanz der Länder gar nicht. Es braucht ein Mehr an Vertrauen in die Schulen.
Ist die bereits beschlossene neue Lehrerausbildung Voraussetzung für eine neue Schule?
Ja, aber diese kann frühestens - wenn alles gut funktioniert - 2015/16 starten. Es gibt einige Reibungsflächen an den Standorten zwischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen.
Das zweite wichtige Standbein für eine neue Schule wäre das neue, gemeinsame Dienstrecht für alle Lehrer. Aber im Moment sind alle dagegen: die Gewerkschaft, weil sie mehr Arbeit für weniger Geld befürchtet; die Elternvertreter, weil sie damit die Einführung der Gesamtschule durch die Hintertür befürchten; und praktisch alle Bildungsforscher, weil sie ein Jahresarbeitszeitmodell vermissen. Da scheint einiges schiefzulaufen.