Auch Musik hat bei den Aleviten eine sakrale Bedeutung. Foto: www.aleviten.or.at
Auch Musik hat bei den Aleviten eine sakrale Bedeutung. Foto: www.aleviten.or.at

"Wir danken dem wunderschönen Land Österreich, den Aleviten die Ausübung ihrer Religionsfreiheit ermöglicht zu haben", zeigte sich Riza Sari, Pressesprecher der Wiener Aleviten, hocherfreut. "Diese Anerkennung ist einzigartig. Österreich übernimmt hier wieder eine Vorreiterrolle."

Trotz der Freude birgt die Entscheidung auch Konfliktpotenzial, und das liegt in dem Wörtchen "islamisch": Denn damit sind die Aleviten für den österreichischen Rechtsstaat nun keine eigenständige Religion, sondern eine Konfession des Islam. Dass die Aleviten zum Islam gehören, hat die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) bisher energisch bestritten. Als das Kultusamt die IGGiÖ zu einer Stellungnahme aufforderte, erklärte die heimische Islamvertretung, sie sehe "in dem Antrag eine unzulässige grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten der IGGiÖ" und erhebe "deswegen Einspruch gegen eine positive Erledigung des Antrags". Und: Das Alevitentum vertrete "eine Glaubenstheologie, die der islamischen Glaubenstheologie diametral entgegensteht."

Darauf angesprochen meint nun IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh: "Es geht uns nicht um Kritik, sondern um eine Feststellung. Theologisch gesehen besteht zwischen uns und den Aleviten ein gravierender Unterschied." Die Aleviten hätten etwa nicht die fünf islamischen Grundpflichten Glaubensbekenntnis, Fasten, Pilgerreise, Gebet und Spende ("Zakat"), und auch das Menschenbild sei ganz anders: Wegen der Ewigkeit der Seele glauben Aleviten an die Wiedergeburt des Menschen in einem anderen Körper. "Wir nehmen die Entscheidung des Kultusamts zur Kenntnis", betont Schakefh. "Der Staat ist neutral. Angehörige einer Glaubensgemeinschaft können sich bezeichnen, wie sie wollen. Aber die Unterschiede bleiben bestehen." Die IGGiÖ-Sprecherin Carla Amina Baghajati bezeichnet die Aleviten als "synkretistische Religion". Auch die Kirchen hätten etwas dagegen, wenn sich eine andere Glaubensgemeinschaft als christlich bezeichnen würde.

Wann ist man Muslim?

"Jeder Mensch, der an Gott glaubt, Mohammed als Prophet und den Koran als heiliges Buch anerkennt, ist ein Muslim", entgegnet Sari. "Es gibt keine Institution im Islam, die jemandem verbieten kann, sich Muslim zu nennen." Der Hauptunterschied zum sunnitischen und schiitischen Islam sei, dass der Koran ein Religionsbuch sei, kein Gesetzesbuch, und dass das Gebet - es findet in einem Cem-Haus statt, nicht in einer Moschee - von Männern und Frauen ohne Geschlechtertrennung abgehalten werde.

Unterstützung für diese Sichtweise bekommt Sari sogar aus den Reihen der IGGiÖ: Fuat Sanac, Fachinspektor für islamischen Religionsunterricht, erklärt: "Wir können nicht bestimmen, ob jemand Muslim ist oder nicht. Wenn jemand sagt Ich bin Muslim, dann ist er einer."

Doch - so paradox das ist - auch innerhalb der Aleviten könnte die Entscheidung noch für Streit sorgen. Denn auch hier sind sich nicht alle einig, ob sie nun Muslime sind oder nicht. "Allgemein ist es natürlich begrüßenswert, dass das Alevitentum zum ersten Mal anerkannt wird", betont Deniz Karabulut von der Alevitischen Föderation. Freilich hat auch die Föderation einen Antrag auf Bekenntnisgemeinschaft eingebracht, und der hat auf das Adjektiv "islamisch" verzichtet. Dieser Antrag dürfte nun höchstwahrscheinlich abgelehnt werden. "Es wird eine gemeinsame alevitische Sitzung geben", berichtet Karabulut. "Dabei wird sich entscheiden, ob wir einen Kompromiss finden oder getrennte Wege gehen." Im zweiten Fall, würde die Föderation die Entscheidung beim Verfassungsgerichtshof anfechten.