Das Terrortrauma sieht man dem neuen Opec-Haus im Karree Helferstorferstraße-Hohenstaufengasse-Wipplingerstraße von weitem an. Auch ein zweites belastet die Baugeschichte: der Zusammenbruch der Bawag. 2004 begann hier der ÖGB als Hauseigentümer und Dauermieter seine Zentrale (genannt "Hohenstaufengasse") zu erweitern. Ein abgenutztes Nachkriegshaus wurde abgerissen, ein Neubau fundamentiert. Nach dem Verlust ihrer Bank mussten die Gewerkschafter die Baustelle verkaufen.

Dort eröffnete die EU in diesem Herbst ihr Wiener Europa-Haus, Eingang Wipplingerstraße. Silja Tillner, Alfred Willinger, Gerhard Steffel sicherten der Schauseite gegenüber der Börse mit flaschengrünem Glas und unverhüllten Stahlrohrträgern den von den Europäern verlangten Anschein von Offenheit und Transparenz.

Die Opec verlangte das Gegenteil. Ihnen war das ehemalige "Gisela-Verein"-Versicherungshaus angeboten worden - ein Spätwerk des Architekten Wilhelm Jelinek zwischen Historismus und Moderne aus den Jahren 1915/17 mit Haupteingang in der Helferstorferstraße. Im Juni 2007 war der Vertrag unterschriftsreif. Der alte Wirtschaftspalast sollte renoviert werden - doch dann gab ihn die Stadt Wien (MA 19) blitzschnell zum Abbruch frei - trotz Ensembleschutz und einem Aufschrei der Unesco-Weltkulturerbe-Schützer.

Sicherheit geht vor Stil

Nachbarn mit ungleichem Design: Europa-Haus der EU in der Hohenstaufengasse links, Opec-Gebäude rechts.
Nachbarn mit ungleichem Design: Europa-Haus der EU in der Hohenstaufengasse links, Opec-Gebäude rechts.

Die Opec hatte, nicht das erste Mal, gedroht, Wien zu verlassen, würde ihr nicht ein Haus gemäß ihren "Security Reasons" finanziert werden. Ein Bauträger für den stilfremden Sicherheitskuckuck im Gründerzeitnest war rasch gefunden: die Europrisa Holding mit Wurzeln in Luxemburg. Die Opec zahlt der Stadt Wien nur einen symbolischen Zinsgroschen.

Längstens jetzt kam der Wiener Architekt Dieter Hayde im Spiel. Er hatte der Volksbanken-AG für den Neubau ihrer Konzernzentrale in der Kolingasse einen von den meisten Jurymitgliedern gutgeheißenen Wettbewerbsentwurf vorgelegt; doch Generaldirektor Frank Pinkl (inzwischen abgelöst) forcierte das Hamburger Büro Carsten Roth.

Eingang versteckt, Garagenabfahrt überdeutlich: das neue Opec-Haus. Foto: Hans Haider
Eingang versteckt, Garagenabfahrt überdeutlich: das neue Opec-Haus. Foto: Hans Haider

Erst als Roth seine Fassaden nach dem System Hayde umzeichnete, erhielt er den Auftrag. Hayde (mit Peter Herzog und Radovan Tajder als Entwurfsarchitekten) nahm seine Fassadenidee zur OPEC mit, als dort plötzlich der Neubau anstand. Hayde vertritt mit Rüdiger Lainer und Silja Tillner die Architektur im Fachbeirat der Magistratsabteilung 19 - zuständig unter anderem für Abriss- und Neubaubewilligungen in Schutzzonen.

Die ältere Hayde-Fassade kleidet bereits das Opec-Haus - während an der Volksbanken-Außenhaut, zwei Gehminuten entfernt, noch gewerkt wird.

Funkelndes Mauerwerk

Hayde ersetzte, nicht zum Nachteil des Gesamteindrucks, die anfangs gewählten Steinplatten durch präzise gearbeiteten (und billigeren) Quarzsandputz. Im Sonnenlicht funkeln die staubkorngroßen Kristalle und mindern das Gewicht der Fassaden. Das Spiel mit verschiedenen Breiten der Fensterschlitze wirkt im ersten Hinsehen zufällig. Doch vertieft man sich darin, bilden sich dahinter die Büroräume verschieden groß und tief wie Organe hinter einer transparenten Haut ab und verliert der Fassadenraster seine schneidende Kälte. Die lieben Gäste empfangen die Petrodollarsammler in einem Konferenzsaal mit gewölbter Decke in der ersten Etage über dem ehemaligen Innenhof.

Das dunkle Gesims - es folgt dem Bauprinzip der historistischen Nachbarhäuser - schaut nach zeichnerischer Notlösung aus. Hier bekam das Raffinement der Wände einen zu schlichten Deckel aufgesetzt. Mit schwarzen Würfeln ist eine Trennlinie zwischen den zwei Basisgeschoßen und dem Überbau nicht sehr willensstark angedeutet. Ausgerechnet an der verkehrsreichen Wipplingerstraße und vis-à-vis dem Baudenkmal Börse, wo das neue Haus seine beste Wirkung zeigen sollte, ist es durch eine tief eingeschnittenen Garagenabfahrt entstellt.

Der linke Flügel des Opec-Hauses blickt auf das 40 Jahre alte Juridicum von Ernst Hiesmayr (1920 bis 2006). Dieser Qualitätsvorgabe vermochte die Gegenwart nicht zu entsprechen. Nun führt der Uni-Zugang durch die Hohenstaufengasse an extrem schmalen Opec-Glasschlitzen wie an den Wänden einer Strafanstalt vorbei - ein Lehrpfad für künftige Richter, Staatsanwälte, Strafverteidiger.